architektur Fachmagazin Ausgabe 3 2019
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir? Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir?
Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
10<br />
Magazin<br />
Die Lust am Text und<br />
an der Architektur<br />
Nachruf auf einen Menschen, der uns fehlen wird<br />
Es war die klassische Doppelbegabung:<br />
Friedrich Achleitner, der Dialektdichter und<br />
der Avantgardist der konkreten Poesie auf<br />
der einen und der Bauwissenschaftler, Architekturkritiker,<br />
Universitätsprofessor für<br />
Architekturtheorie auf der anderen Seite.<br />
Ich traf ihn manchmal bei den Veranstaltungen<br />
"Sprechen über Architektur" in Wien, in<br />
den letzten Jahren immer seltener. Vor ca.<br />
7 Jahren hatte ich die seltene Gelegenheit,<br />
ein ausführliches Interview, eher ein Gespräch<br />
mit ihm in seiner Wohnung, in seinem<br />
Arbeitsraum zu führen. Beeindruckend<br />
ist mir noch die Bücherwand mit allen möglichen<br />
Büchern, Grafiken und auch Erinnerungsstücken<br />
vollgestopft, im Hintergrund<br />
des Zimmers in Erinnerung. „Wohnen ist das<br />
ständige Aufräumen der Wohnung, ohne<br />
mit dem Wohnen aufzuräumen“, meinte er.<br />
Der Dichter Achleitner – als Mitglied der<br />
„Wiener Gruppe“ (Gerhard Rühm, H.C. Artmann,<br />
Konrad Bayer und Oswald Wiener)<br />
– war immer provokant, sensibel und aufmerksam:<br />
ein Sprachkünstler eben.<br />
Aber es gab auch den Architekten Achleitner.<br />
Nach der Gewerbeschule in Salzburg<br />
(in seiner Klasse waren Holzbauer, Kurrent,<br />
Gsteu, Puchhammer) wollte er von Salzburg<br />
weg und ging nach Wien. Da konnte man<br />
mit dieser Vorbildung eben nur Architektur<br />
studieren. Nach einigen Realisationen (u.a.<br />
mit Gsteu) – erzählte er mir – habe er sich<br />
1958 aus der Architektur zurückgezogen,<br />
weil er eigentlich immer schreiben wollte.<br />
Achleitner hängte also die Architektur an<br />
den Nagel, verlegte sich ab 1962, da mit der<br />
Dichtung gar nichts zu verdienen war, auf<br />
die regelmäßige, Brot bringende Architekturkritik,<br />
ging ein Jahr nach Berlin, war aber<br />
schon so erfolgreich in Architekturkritik,<br />
-forschung und -lehre und in das Vorhaben<br />
des österreichischen Architekturführers<br />
verfangen, dass er nach Wien zurückkam<br />
und die nächsten 25 Jahre daran arbeitete.<br />
Nach insgesamt 15 Jahren Arbeit (nicht wie<br />
projektiert drei Jahre) war der erste Band<br />
Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich,<br />
endlich fertig. Dann kam der zweite Band<br />
Ostösterreich mit Kärnten, Steiermark, Burgenland<br />
und ein dreibändiges Werk über<br />
Wien. „Niederösterreich habe ich nicht<br />
mehr geschafft!“<br />
Achleitner trennte Architektur und Literatur<br />
immer strikt: „Die Architektur ist ein Medium,<br />
das unheimlich viele Sinne anspricht<br />
und das man auch nicht beschreiben kann,<br />
obwohl ich es ein Leben lang gemacht<br />
habe. Sprache dagegen, erfindet ihre eigene<br />
Wirklichkeit!“<br />
Friedrich Achleitner starb<br />
am 27. März <strong>2019</strong> in Wien.<br />
(rp)<br />
© Lukas Beck