architektur Fachmagazin Ausgabe 3 2019
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir? Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir?
Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
6<br />
Start<br />
BACK TO BACK<br />
is back!<br />
England hat eine breite und auch lange Geschichte des Wohnbaus. Als die Bevölkerungszahl<br />
der britischen Industriestädte im 19. Jahrhundert explodierte,<br />
benötigten Arbeitgeber und Gemeinden eine Wohnform, die in möglichst kurzer<br />
Zeit möglichst viele Menschen auf möglichst wenig Raum unterbringen konnte,<br />
ohne dass die städtische Infrastruktur völlig aus den Fugen geriet.<br />
Text: Peter Reischer Fotos: Morley von Sternberg<br />
Die Lösung entstand aus einem Gitternetz<br />
aus langen, schnurgeraden Straßen, die parallel<br />
zueinander in kurzen Abständen verliefen.<br />
Zwischen ihnen verlief nämlich nur eine<br />
einzige Häuserreihe – jedoch mit Wohnungen<br />
auf beiden Straßen, sie stießen an der<br />
gemeinsamen Rückwand zusammen: Das<br />
„Back-to-Back-House“ war geboren.<br />
Diese Bauform, viele einzelne Häuser direkt<br />
nebeneinander zu bauen, ermöglichte<br />
es außerdem, geraden Parallelstraßen über<br />
die Hänge und Kämme des oft hügeligen<br />
Baugrundes zu ziehen. Daher stammt auch<br />
der englische Begriff für Reihenhaus: terraced<br />
house, also Terrassen- oder „stufen-<br />
förmiges Haus“. Vor allem in den nördlichen<br />
Teilen Englands und sogenannten Midlands<br />
war diese Typologie des Wohnbaus damals<br />
sehr beliebt. Hunderttausende solcher Wohnungen<br />
wurden in Städten wie Manchester,<br />
Liverpool, Nottingham, Birmingham oder<br />
Leeds errichtet, in London war besagter Typus<br />
eher selten anzutreffen.<br />
Durch den „Housing Act“ von 1909 wurde<br />
ihre Konstruktion für illegal erklärt, trotzdem<br />
baute man bis in die späten 1930er<br />
Jahre diesen Stil in einigen Orten weiter. Die<br />
Häuser waren einfach und billig zu errichten,<br />
infolgedessen waren sie billig zu (ver)<br />
mieten. Prinzipiell trennte bei diesem Typus<br />
eine, parallel zum First laufende Mauer<br />
das Haus in zwei gleiche Hälften. Aufgrund<br />
seiner oft spartanischen Ausführung (der<br />
einfachste Typ bestand lediglich aus zwei<br />
Räumen – einem auf jeder Etage), ihrer mangelhaften<br />
Belüftung und Belichtung (drei<br />
von vier Wänden grenzten an Neben- oder<br />
Hintergebäude und hatten daher weder Tür<br />
noch Fenster) und ihrer ursprünglich mangelhaften<br />
sanitären Ausstattung ist „Backto-Back“<br />
aber auch ein Synonym für „unmodern“,<br />
oder schlicht für Elendsquartier. u