architektur Fachmagazin Ausgabe 3 2019
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir? Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir?
Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
8<br />
Start<br />
Die grundlegenden Probleme der Belichtung<br />
und Belüftung (keine Querlüftung war möglich)<br />
wurden hier nie gelöst, so verkamen die<br />
maroden Quartiere immer mehr zu Elendsvierteln,<br />
da dort jene Menschen hausten, die<br />
sonst nirgendwo anders hin konnten. Schon<br />
um 1850 übten Zeitgenossen wie Friedrich<br />
Engels („Die Lage der arbeitenden Klasse in<br />
England“, 1845) beißende Kritik an den Zuständen<br />
in englischen Industriestädten und<br />
monierten ausdrücklich die oft schlampige<br />
Bauweise der hastig hochgezogenen Massenquartiere.<br />
Seit allerdings auch die moderne Bauweise<br />
(Wohnblocks u. a.) viel von ihrem Glanz<br />
verloren hat, da sie die alten gesellschaftlichen<br />
Probleme Großbritanniens nicht<br />
lösen konnte, ist die Reputation der noch<br />
verbliebenen Reihenhaussiedlungen wieder<br />
spürbar gestiegen. Hierbei spielt nicht nur<br />
eine gewisse Nostalgie eine Rolle, sondern<br />
auch die Abkehr von Wohnmaschinen und<br />
Betonbauweise, wie sie überall in Europa<br />
stattgefunden hat. Es existieren aber heute<br />
nur noch wenige jener Bauten. Ein wichtiges<br />
Fragment dieser Baukultur gibt es in den<br />
Gebieten von Kirstall und Burley in der Stadt<br />
Leeds und der Denkmalschutz hat sechs,<br />
der ehemals 60.000 Stück dieser Häuser<br />
in Birmingham gerettet. Sie sind heute ein<br />
Back-to-Back Museum.<br />
Das Projekt der Peter Barber Architects<br />
um einen zentralen Hof in Stratford, London,<br />
ist nun eine Aufarbeitung der alten<br />
Typologie für einen zeitgemäßen Wohnbedarf.<br />
Der Auftraggeber war der Londoner<br />
Bezirk Newham. Peter Barber findet nicht<br />
nur Schlechtes in diesen Architekturen und<br />
meint, dass sie „damals wunderbar funktioniert“<br />
haben. Sein Projekt bezieht nun das<br />
Beste, das diese Häuser zu bieten hatten, in<br />
die neue Zeit mit ein. Er konzentrierte sich<br />
auf die oft zitierten und seiner Meinung<br />
nach auch überstrapazierten Defizite der<br />
Bauten: Jedes seiner Häuser hat ein eigenes<br />
Badezimmer (im 19. Jahrhundert teilte man<br />
sich die Bäder). Das Wohnzimmer im Obergeschoss<br />
hat eine eigene, private Dachterrasse<br />
und die ist derart gedreht, dass jedes<br />
Haus zwei Aussichtsrichtungen besitzt (im<br />
Original gab es das nicht). Jedes Haus hat<br />
eine tief zurückspringende Arkade vorgelagert<br />
– hier ist ein Bereich, in dem man auch<br />
vor dem Haus auf der Straße sitzen kann.<br />
Statt der ursprünglichen zwei, gibt es heute<br />
vier Geschosse und Balkone erweitern den<br />
nutzbaren Raum zusätzlich. Alle Reihenhäuser<br />
sind um einen mit Bäumen bepflanzten<br />
Hof gruppiert, entlang zweier Straßen, die<br />
sich an einer „runden Ecke“ treffen. Der Hof<br />
wird von jeder Straße durch einen zwei Geschosse<br />
hohen, bogenförmigen Durchgang<br />
erschlossen. Insgesamt gibt es 26 Eigenheime,<br />
davon stehen 16 in zweigeteiltem Besitz,<br />
also back to back.