architektur Fachmagazin Ausgabe 3 2019
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir? Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
Architektur Fachmagazin April-Mai 2019, Thema: Wie wohnen wir?
Wissen, Bildung, Architektur, Information für die Bauwirtschaft, Fachmagazin
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
48<br />
Sozialer Wohnraum<br />
Sozialer Wohnraum<br />
in Städten<br />
365 Tage im Jahr, rund um die Uhr bietet die Gruft der Caritas Wien obdachlosen<br />
Menschen einen Zufluchtsort. Sie erhalten nicht nur einen Platz zum Schlafen, sondern<br />
auch sauberes Essen und menschliche Wärme. Das Team unterstützt die Menschen<br />
außerdem dabei, wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen. In den letzten zehn Jahren<br />
ihres über 30-jährigen Bestehens hat die Einrichtung einen architektonischen Wandel<br />
erfahren. Durch die Gestaltung der Trimmel Wall Architekten ZT GmbH wurde das<br />
Umfeld den Bedürfnissen von Mitarbeitern und Bewohnern angepasst. Die Gruft ist<br />
ein gelungenes Beispiel für eine soziale Betreuung bedürftiger Menschen mitten in der<br />
Stadt, die sogar in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum stattfinden kann.<br />
Text & Fotos: Dolores Stuttner<br />
Ein zentraler Standort –<br />
eine zentrale Rolle<br />
Was als Experiment der Pfarre Mariahilf und<br />
einiger Schüler ins Leben gerufen wurde, hat<br />
sich im Laufe der Zeit zu einem Fixpunkt der<br />
sozialen Betreuung ausgeweitet. Bereits seit<br />
1986 stellt die Gruft einen fixen Bestandteil<br />
unter den sozialen Einrichtungen Wiens dar<br />
– sie gilt hierzulande sogar als die bekannteste<br />
Caritas Einrichtung für bedürftige<br />
Menschen. Direkt unter der Mariahilfer Kirche<br />
befindet sich die Gruft. Ironischerweise<br />
handelt es sich hierbei um einen Platz, der<br />
ursprünglich nicht für die Lebenden gedacht<br />
war – daher rührt auch der Name der Einrichtung.<br />
Heute herrscht an diesem Ort aber<br />
reges Leben. Für viele bedürftige Menschen<br />
stellt die Gruft sogar den einzigen Fixpunkt<br />
in ihrem Alltag dar – damit nimmt die Einrichtung<br />
einen wichtigen Platz als Wohnund<br />
Lebensraum für Obdachlose ein.<br />
Gegründet wurde das Konzept von Pater<br />
Albert Gabriel, dem Pfarrer der Kirche. Mit<br />
Schülern des Amerling-Gymnasiums richtete<br />
er eine Wärmestube ein. In der Anfangszeit<br />
hatte man nur zwei Stunden am Tag<br />
geöffnet. Das Konzept erfreute sich jedoch<br />
so großer Beliebtheit, dass schon bald Öffnungszeiten<br />
und Angebot ausgeweitet<br />
wurden. In der Anfangszeit bot die Einrichtung<br />
noch keine Schlafstellen an. Allerdings<br />
stellte sich den Verantwortlichen bald die<br />
Frage, wie obdachlosen Personen auch in<br />
der Nacht geholfen werden könne. So ist die<br />
Gruft seit 1994 24 Stunden lang geöffnet –<br />
zu verdanken ist dies vor allem den zahlreichen<br />
Spenden.<br />
Heute ist die Gruft die wichtigste Betreuungseinrichtung<br />
für wohnungslose Männer<br />
und Frauen in Wien. Sie kümmert sich um<br />
die Grundbedürfnisse ihrer Bewohner und<br />
deckt somit ein breites Spektrum an Hilfestellungen<br />
ab. Noch vor zehn Jahren waren<br />
die Mitarbeiter dazu gezwungen, unter<br />
schwierigen Bedingungen zu arbeiten. In<br />
den Räumen unter der Mariahilfer Kirche<br />
gab es weder Tageslicht noch eine ausreichende<br />
Zahl an Aufenthalts- und Entspannungszonen.<br />
Auch in puncto Barrierefreiheit<br />
wies die „alte“ Gruft erhebliche Mängel auf<br />
– dies sollte sich ab dem Jahr 2009 ändern.<br />
Die Gruft baut aus<br />
Die Betreiber der Gruft sind der Meinung,<br />
dass warmes Essen, frische Kleidung und<br />
ein Schlafplatz ein Grundbedürfnis aller<br />
Menschen ist. Um diese zu erfüllen, erwiesen<br />
sich die Standards der alten Räumlichkeiten<br />
als unzureichend. Als ersten Schritt<br />
kam es daher zur Gründung der „Zweiten<br />
Gruft“. In dieser Einrichtung finden Obdachlose<br />
aus den neuen EU-Ländern Zuflucht.