WOLL Magazin für Arnsberg, Sundern und Ense // Winter 2019

Die Rauhnächte
Christel Zidi
Wenn es in der Zeit zwischen dem 25. Dezember
und 6. Januar mal besonders stürmisch wird,
wundern Sie sich nicht. Die Wilde Jagd hat begonnen.
Auch über die Berge des Sauerlandes saust das Wilde
Heer im Sturmwind hinweg. Angeführt werden die wilden
Gesellen von Wotan und Frau Holle.
Kommt das Wilde Heer dann auf die Arnsberger Höhe, so
lässt Wotan seinen Hund zurück, damit er den Schatz bei der
Wodanseiche bewacht. Der Hund hat feurig glühende Augen
und an seinem Hals klappert ein Knüppel. Ohne Ruhe läuft
der Hund auf und ab. Wenn dann in der letzten Nacht das
Wilde Heer zurückkommt, ruft Wotan hinunter durch Wind
und Wetter: „Aeulke, willste met?“ Auf diesen Ruf seines
Herrn hat der Knüppelhund nur gewartet. Augenblicklich
schwingt er sich in die Luft und jagt mit dem Wilden Heer
davon.
Und das jedes Jahr aufs Neue. So steht es zumindest in dem
Buch „Sagen des Sauerlandes“ von Fritz Kühn.
Der germanische Mondkalender hatte nur 354 Tage, 12
Monden entsprechend, nicht 12 Monaten wie unser heutiger
Kalender. Der Unterschied betrug also elf Tage – oder eben
12 Nächte. Und diese Tage wurden als „tote Tage“ zwischen
den Jahren eingeschoben, als Zeit, in der nach alten Volksglauben
das Geisterreich offen steht.
Noch unsere Mütter und Großmütter mahnten, „zwischen
den Jahren“ keine Wäsche aufzuhängen. Denn wer zu dieser
Zeit Wäsche draußen aufhängt, läuft Gefahr, dass sich die
Wilde Jagd darin verfängt. Oder dass Wotan ein Wäschestück
mitnimmt und als zukünftiges Leichentuch für den
Besitzer verwendet.
Am besten also, wenn man es sich in diesen Nächten drinnen
so richtig gemütlich hat und das Wilde Heer einfach vorbeifliegen
lässt … ■
Rauhnacht
Das Wort Rauhnacht leitet sich vom mittelhochdeutschen
„rûch“ ab. Das bedeutet so viel wie
haarig oder wild. Andere Quellen leiten Rauh von
dem Wort Rauch ab.
WOLL Winter 2019 - 27