WOLL Magazin für Arnsberg, Sundern und Ense // Winter 2019
Zauberhafter Winter im Sauerland!
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ier käme ich auch noch runter“,<br />
scherz te Erich Roscher locker <strong>und</strong> fröh-<br />
„H lich, als er mit einem seiner Kumpel vor<br />
über 70 Jahren nach dem Langlauftraining in Usseln<br />
den Skispringern beim Fliegen zuschaute. Willi Balkenohl<br />
hatte seinen Fre<strong>und</strong> Erich beim Wort genommen.<br />
Er stapf te los <strong>und</strong> meldete seinen Sportsfre<strong>und</strong> bei der<br />
Jury als Nachspringer an. „Wer A sagt, muss auch B sagen“,<br />
weiß Erich Roscher seitdem nur zu gut. „Aus der<br />
Nummer kam ich nicht mehr raus. Alle Helfer wussten<br />
Bescheid - also lieh ich mir breite Skier aus, setzte mich<br />
auf den Balken <strong>und</strong> hoffte nur, dass ich da irgendwie<br />
heile herunter komme“, erzählt der ehemalige Profispringer<br />
aus <strong>Arnsberg</strong>.<br />
Ein Spruch, ein Sprung, eine Karriere<br />
Heruntergekommen ist Erich Roscher. Und das nicht nur<br />
irgendwie, sondern beeindruckend gut. „Das war mein<br />
allererster Sprung. Ich bin direkt sehr weit geflogen. Fast<br />
so weit wie die aktiven Springer, die vor mir dran waren“,<br />
erinnert sich der heute 89-Jährige. Seine Kollegen, die<br />
im Auslauf auf den eigentlichen Langläufer warteten,<br />
glaubten ihren Augen kaum: „Die haben mich direkt<br />
gefragt, ob ich verrückt sei“, berichtet Erich Roscher <strong>und</strong><br />
schmunzelt. Dieser Sprung aus dem Nichts entging auch<br />
dem damaligen Regierungs präsidenten nicht. Er stattete<br />
den plötz lichen Newcomer direkt mit den damals sehr<br />
teuren Sprungskiern aus <strong>und</strong> sorgte da<strong>für</strong>, dass er einen<br />
maßgeschneiderten Anzug bekam. „Ich hatte ja nichts.<br />
Keine Schuhe, keine Skier - <strong>und</strong> dann das. Das war eine<br />
völlig verrückte, spontane <strong>und</strong> eigentlich ganz blöde<br />
Idee“, sagt Erich Roscher, der sich in den darauffolgenden<br />
Jahren bis zur Teilnahme an den internationalen Weltcupspringen<br />
in Willingen gekämpft hatte <strong>und</strong> wie die<br />
anderen professionellen Springer auch die Arme im Flug<br />
nach vorne zog <strong>und</strong> in der Luft versuchte, so lange wie<br />
möglich ruhig zu bleiben.<br />
Die zweite Heimat<br />
„In Willingen waren wir Deutschen im Gegensatz zu<br />
den Norwegern <strong>und</strong> Finnen ein ganz kleines Licht. Aber<br />
wir haben schon damals die Atmosphäre in dem Dörfchen<br />
genossen. Willingen war <strong>für</strong> mich direkt wie eine<br />
zweite Heimat“, erzählt Erich Roscher, der während der<br />
Wettkämpfe wie die meisten Skispringer bei Privatleuten<br />
im Upland untergekommen war. „Ich lag da in Betten,<br />
da konntest du mich schon gar nicht mehr drin sehen.<br />
Herrliche Feder betten. Unglaublich herzliche Leute. Und<br />
Schulkinder, die sich darum stritten, wer mir die Skier<br />
hoch an den Schanzentisch schleppen darf“, erinnert<br />
sich der Sauerländer, der in Prag geboren wurde <strong>und</strong> im<br />
Erzgebirge aufgewachsen ist – ein Fleckchen Erde, in dem<br />
die meisten übrigens schon mit Skiern geboren werden,<br />
wie Erich Roscher sagt.<br />
Der Schnee von der Heide<br />
Erich Roscher hat die Willinger beeindruckt <strong>und</strong> die<br />
Willinger haben Erich Roscher beeindruckt – mit ihrer<br />
Gastfre<strong>und</strong> lichkeit, ihrem Herz <strong>für</strong> das Skispringen <strong>und</strong><br />
verrückten Aktionen, die die Wett kämpfe das ein oder<br />
andere Mal vor dem Ausfall gerettet haben. „Das ganze<br />
Dorf stand hinter den Wettkämpfen. Die sind mit Kind<br />
<strong>und</strong> Kegel auf die Heide geklettert <strong>und</strong> haben den Schnee<br />
in Badewannen <strong>und</strong> Wäschekörben darunter geholt,<br />
wenn auf der Schanze <strong>und</strong> im Tal nicht genug lag, um<br />
springen zu können. Das war ein Dörfchen, vor dem man<br />
unglaublichen Respekt haben muss“, sagt Erich Roscher,<br />
dessen weitester Sprung auf der Mühlenkopfschanze über<br />
84 Meter ging, was <strong>für</strong> die damalige Zeit beachtlich war.<br />
Das Harz am Hintern<br />
„Die Bürger Willingens haben immer alles da<strong>für</strong> getan,<br />
dass wir springen können. Einmal war der Holzturm an<br />
der Schanze so vereist, dass an Springen nicht zu denken<br />
war. Da sind die Helfer kurzerhand losgelaufen <strong>und</strong><br />
haben im Wald auf dem Mühlenkopf eine Fichte geschlagen.<br />
Die haben sie unterhalb der eigentlichen Luke quer<br />
gelegt, sodass wir von dort aus starten konnten – mit<br />
ziemlich viel Harz am Hintern“, erzählt Erich Roscher<br />
<strong>und</strong> lacht.<br />
Die Skier auf den Schultern<br />
„Meine Hausschanze war in <strong>Winter</strong>berg. Um dahin zu<br />
kommen, bin ich morgens um 6 Uhr in der Früh von<br />
Wildshausen nach Oeventrop marschiert. Zu Fuß <strong>und</strong><br />
mit den Skiern auf den Schultern. Via Zug ging es dann<br />
weiter nach <strong>Winter</strong>berg, wo ich um 14 Uhr Training<br />
hatte. Abends ging es dann via Zug <strong>und</strong> ab Oeventrop<br />
natürlich wieder zu Fuß nach Hause. So was ist heute<br />
<strong>WOLL</strong> <strong>Winter</strong> <strong>2019</strong> - 49