WOLL Magazin für Arnsberg, Sundern und Ense // Winter 2019

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DER SCHNEE IN DER BADEWANNE Ein ‚ganz blöder Spruch‘ machte Erich Roscher vor über 70 Jahren zu einem professionellen Skispringer Inga Bremenkamp Tom Linke Sauerländer LEUTE – Der MENSCH dahinter 48 - WOLL Winter 2019
ier käme ich auch noch runter“, scherz te Erich Roscher locker und fröh- „H lich, als er mit einem seiner Kumpel vor über 70 Jahren nach dem Langlauftraining in Usseln den Skispringern beim Fliegen zuschaute. Willi Balkenohl hatte seinen Freund Erich beim Wort genommen. Er stapf te los und meldete seinen Sportsfreund bei der Jury als Nachspringer an. „Wer A sagt, muss auch B sagen“, weiß Erich Roscher seitdem nur zu gut. „Aus der Nummer kam ich nicht mehr raus. Alle Helfer wussten Bescheid - also lieh ich mir breite Skier aus, setzte mich auf den Balken und hoffte nur, dass ich da irgendwie heile herunter komme“, erzählt der ehemalige Profispringer aus Arnsberg. Ein Spruch, ein Sprung, eine Karriere Heruntergekommen ist Erich Roscher. Und das nicht nur irgendwie, sondern beeindruckend gut. „Das war mein allererster Sprung. Ich bin direkt sehr weit geflogen. Fast so weit wie die aktiven Springer, die vor mir dran waren“, erinnert sich der heute 89-Jährige. Seine Kollegen, die im Auslauf auf den eigentlichen Langläufer warteten, glaubten ihren Augen kaum: „Die haben mich direkt gefragt, ob ich verrückt sei“, berichtet Erich Roscher und schmunzelt. Dieser Sprung aus dem Nichts entging auch dem damaligen Regierungs präsidenten nicht. Er stattete den plötz lichen Newcomer direkt mit den damals sehr teuren Sprungskiern aus und sorgte dafür, dass er einen maßgeschneiderten Anzug bekam. „Ich hatte ja nichts. Keine Schuhe, keine Skier - und dann das. Das war eine völlig verrückte, spontane und eigentlich ganz blöde Idee“, sagt Erich Roscher, der sich in den darauffolgenden Jahren bis zur Teilnahme an den internationalen Weltcupspringen in Willingen gekämpft hatte und wie die anderen professionellen Springer auch die Arme im Flug nach vorne zog und in der Luft versuchte, so lange wie möglich ruhig zu bleiben. Die zweite Heimat „In Willingen waren wir Deutschen im Gegensatz zu den Norwegern und Finnen ein ganz kleines Licht. Aber wir haben schon damals die Atmosphäre in dem Dörfchen genossen. Willingen war für mich direkt wie eine zweite Heimat“, erzählt Erich Roscher, der während der Wettkämpfe wie die meisten Skispringer bei Privatleuten im Upland untergekommen war. „Ich lag da in Betten, da konntest du mich schon gar nicht mehr drin sehen. Herrliche Feder betten. Unglaublich herzliche Leute. Und Schulkinder, die sich darum stritten, wer mir die Skier hoch an den Schanzentisch schleppen darf“, erinnert sich der Sauerländer, der in Prag geboren wurde und im Erzgebirge aufgewachsen ist – ein Fleckchen Erde, in dem die meisten übrigens schon mit Skiern geboren werden, wie Erich Roscher sagt. Der Schnee von der Heide Erich Roscher hat die Willinger beeindruckt und die Willinger haben Erich Roscher beeindruckt – mit ihrer Gastfreund lichkeit, ihrem Herz für das Skispringen und verrückten Aktionen, die die Wett kämpfe das ein oder andere Mal vor dem Ausfall gerettet haben. „Das ganze Dorf stand hinter den Wettkämpfen. Die sind mit Kind und Kegel auf die Heide geklettert und haben den Schnee in Badewannen und Wäschekörben darunter geholt, wenn auf der Schanze und im Tal nicht genug lag, um springen zu können. Das war ein Dörfchen, vor dem man unglaublichen Respekt haben muss“, sagt Erich Roscher, dessen weitester Sprung auf der Mühlenkopfschanze über 84 Meter ging, was für die damalige Zeit beachtlich war. Das Harz am Hintern „Die Bürger Willingens haben immer alles dafür getan, dass wir springen können. Einmal war der Holzturm an der Schanze so vereist, dass an Springen nicht zu denken war. Da sind die Helfer kurzerhand losgelaufen und haben im Wald auf dem Mühlenkopf eine Fichte geschlagen. Die haben sie unterhalb der eigentlichen Luke quer gelegt, sodass wir von dort aus starten konnten – mit ziemlich viel Harz am Hintern“, erzählt Erich Roscher und lacht. Die Skier auf den Schultern „Meine Hausschanze war in Winterberg. Um dahin zu kommen, bin ich morgens um 6 Uhr in der Früh von Wildshausen nach Oeventrop marschiert. Zu Fuß und mit den Skiern auf den Schultern. Via Zug ging es dann weiter nach Winterberg, wo ich um 14 Uhr Training hatte. Abends ging es dann via Zug und ab Oeventrop natürlich wieder zu Fuß nach Hause. So was ist heute WOLL Winter 2019 - 49
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