WOLL Magazin für Arnsberg, Sundern und Ense // Winter 2019

Die letzten Mohikaner
Die Brieftaubenzüchter von der Heimatliebe Neheim
sind die letzten ihrer Art
Anne von Heydebrand
Tom Linke
Die Tauben von Brieftaubenzüchter Jürgen
Stoltenhoff gurren laut, als wir den Garten
des 80-Jährigen in Neheim betreten. Aufgeregt
flattern sie im Taubenschlag umher. „Sie nehmen jede
Veränderung wahr und merken, wenn ein Fremder im
Garten ist“, erklärt Stoltenhoff und er muss es wissen.
Seit über 70 Jahren betreibt er den Brieftaubensport
und er schwärmt noch heute von seiner Passion.
Doch die Zeiten, in denen Brieftauben die „Renn pferde des
kleinen Mannes“ waren, sind längst vorbei. Es ist schwer
geworden für die Brieftaubenzüchter, denn der Nachwuchs
fehlt. Jürgen Stoltenhoff und die Mitglieder von „Heimatliebe
Neheim“ sind die letzten Taubenzüchter in der Umgebung.
Vier Taubenschläge sind der Vereinigung geblieben,
denn bei einem Durchschnittsalter von 80 Jahren, haben
einige Mitglieder die Taubenzucht mittlerweile aufgegeben.
Auch Jürgen Stoltenhoff hat die Zahl seiner Tiere reduziert.
„Früher hatte ich im Winter 100 bis 110 Tauben in meinem
Schlag. Heute sind es ungefähr 65 Vögel“, erklärt der Rentner,
der sich um die Zukunft seines Hobbys sorgt.
Kein Nachwuchs für den Taubensport
Sorgen, die der 80-jährige nicht alleine trägt. Fast jede
Reisevereinigung, unter der sich die sogenannten reisen den
Schläge versammeln, klagt über einen immensen Mitgliederschwund.
Sind es in der Reisevereinigung Oberruhrtal
einmal über 80 Taubenschläge gewesen, waren es Anfang
der 2000er Jahre nur noch 23. „Deswegen kam es 2003 zur
Fusion mit der Reisevereinigung Werl. Wir waren dann auf
einmal wieder 122 reisende Schläge, aber mittlerweile sind
es auch nur noch 45“, erzählt Stoltenhoff. Im Ruhrgebiet,
einst Brieftaubenhochburg, ist die Lage noch dramatischer
und auch die Nachbarländer Belgien und die Niederlande
haben das gleiche Problem. Da es überall an Züchternachwuchs
mangelt, werden die Gebiete für Preisflüge immer
größer und die Bedingungen dadurch immer unattraktiver.
Trotzdem kämpfen die Züchter um Nachwuchs und auch
Jürgen Stoltenhoff gibt nicht auf: „Wir haben so ein tolles
Hobby, aber es ist auch kostspielig. Deshalb wollen wir es
Jungzüchtern auch so leicht wie möglich machen. Wir stehen
ihnen immer zur Seite und würden sogar Jungtauben
kostenlos zur Verfügung stellen.“
Schlagliebe – Bei Taube und Züchter
Jürgen Stoltenhoff holt eine Taube aus seinem Schlag
und hält sie auf dem Arm. Sie hat die Ringnummer 195
und flattert aufgeregt mit den Flügeln. Als sie jedoch
ihren Züchter erkennt, wird sie sofort ruhig und scheint
sich wohlzufühlen. Und das ist auch ein Grund, warum
82 - WOLL Winter 2019