Islamische Eheverträge - Bundesverwaltungsamt
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5 Rechtsverhältnis zu den Kindern 1<br />
Der heilige Koran trifft keine Aussagen zum Sorgerecht nach der Scheidung. Er unterscheidet nicht<br />
zwischen den Verhältnissen in der Ehe und den Verhältnissen danach. Er sieht auch keine Altersgrenzen<br />
vor, ab welchen etwa die Sorge von der Frau auf den Mann überzugehen habe. Die Scheidung hat<br />
keinen Einfluss auf das Sorgerecht.<br />
Dogmatisch betrachtet ist der Grundsatz der, dass die elterliche Sorge im Sinne des gesetzlichen<br />
Vertretungsrechts dem Mann zusteht, während die Personensorge als Betreuungsrecht (hadana) der<br />
Frau zusteht. Da aus ganz natürlichen Gründen aber auch wegen der religiösen Erziehung und beruflichen<br />
Ertüchtigung der Betreuungsanteil der Frau zurückgeht, die Rolle des Mannes als gesetzlicher<br />
Vertreter (weli) jedoch zunimmt, endet ab einem gewissen Alter automatisch das Betreuungsrecht<br />
der Frau, ohne dass es einer Entscheidung oder eines Gesetzes bedürfte.<br />
Die allermeisten Staaten, in denen der Islam für die Familienverhältnisse bestimmend ist, regeln die<br />
Altersgrenze für diesen Übergang in ihren Gesetzen. Wie aus den Vertragsmustern ersichtlich ist,<br />
wird das Alter für Knaben mit 7 höchstens 9 Jahren angenommen, für Mädchen mit 9, höchstens 11<br />
Jahren. Bei den Schiiten mit 2 für Knaben und mit 7 für Mädchen.<br />
Weithin unbekannt ist jedoch in Europa, dass die Eltern hierfür auch andere Altersgrenzen festlegen<br />
können. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die vorstehend genannten Altersgrenzen nur gelten,<br />
wenn die Eltern nichts Gegenteiliges vereinbart haben. Die rechtliche Begründung hierfür ist die<br />
Folgende:<br />
Es wird fingiert, dass die Frau das Betreuungsrecht (hadana) in Vollmacht für den Mann ausübe. Als<br />
Gegenleistung hat dafür der Mann für den Unterhalt der Frau während der Betreuung der Kinder<br />
aufzukommen. Weiter Folge ist, dass es die Eltern der Kinder in der Hand haben, wer die Betreuung<br />
der Kinder ausübt und wie lange diese dauert.<br />
In der Scheidungspraxis der islamischen Staaten bedeutet dies nach einigen vorliegenden Feldforschungen,<br />
dass der Mann auch die ganze Ausübung der Sorge und nicht nur das Betreuungsrecht<br />
auf die Frau übertragen kann. Das hat zur Folge, dass in der überwiegenden Anzahl der Fälle (80 bis<br />
90 % der untersuchten Akten) die Kinder ganz der Frau überantwortet wurden und die Väter sich auf<br />
diese Weise davor drücken konnten, Unterhalt zu bezahlen.<br />
Zwar wird man dies nicht auf den deutschen Rechtsbereich übertragen können, jedoch ist daraus<br />
die eindeutige Konsequenz zu ziehen, dass die Altersgrenzen von 7 oder 9 Jahren keinesfalls den<br />
Übergang der Sorge von der Frau auf den Mann erzwingen.<br />
Besonderheiten gelten für afrikanische Länder, in denen der Islam Einfluss auf die Rechte und Pflichten<br />
der Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern hat. Diese Besonderheiten ergeben sich aus den Regeln<br />
unkodifizierten Stammesrechts, die oft mit den Traditionen der Scharia deckungsgleich sind. Zwar<br />
wird man auch hier noch zwischen matrilinearen und patrilinearen Systemen unterscheiden müssen,<br />
jedoch steht fest, dass der Einfluss des Mannes auf Knaben mit dem Alter der Mannwerdung und der<br />
Berufsausbildung wächst.<br />
1 Siehe dazu Rieck, Die Rolle des Islam bei <strong>Eheverträge</strong>n mit einem nichtmoslemischen Partner, Leipziger Beiträge zur<br />
Orientforschung Heft 9 Seite 69 ff.<br />
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