WOLL Magazin Arnsberg, Sundern, Ense // Herbst 2020
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Ingrid Dormann -<br />
erfahrene Schiedsrichterin<br />
auf dem Spielfeld des Lebens<br />
Markus Weber<br />
I<br />
ngrid Dormann aus Oeventrop kann im nächsten Jahr auf eine bereits<br />
20-jährige Tätigkeit als Schiedsfrau zurückblicken. Seit vielen Jahren<br />
ist sie außerdem Vorsitzende der Bezirksvereinigung der Schiedsfrauen<br />
im Bund deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen.<br />
„Wir verstehen uns als Streitschlichter oder Media toren,<br />
wenn zwei Parteien sich scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen,<br />
etwa beim klassischen Nachbar streit. Auch bei bestimmten<br />
strafrechtlich relevanten Delikten, wie Beleidigung,<br />
Bedrohung, oder leichten Körperverletzun gen ist es - was<br />
viele nicht wissen - gesetzlich vorgeschrieben, zunächst einen<br />
Schlichtungsversuch unter Führung der Schiedsleute vorzunehmen,<br />
um möglicherweise ein gerichtliches Verfahren zu<br />
vermeiden.“ erklärt Ingrid Dormann.<br />
Ein Schlichtungsverfahren kann auf verschiedene Weise in<br />
Gang gesetzt werden. Der Antragssteller (in der Regel der<br />
Geschädigte) meldet sich häufig zunächst telefonisch und<br />
schildert sein Anliegen. Die Schiedsfrau klärt gleich beim<br />
Anruf, ob sie örtlich und sachlich zuständig ist. Häufig<br />
haben die Parteien noch gar nicht miteinander über das<br />
Problem gesprochen. „Ich rate ich dann dem Anrufer, noch<br />
vor Antragsstellung bei mir, einmal das Gespräch mit dem<br />
Kontrahenten zu suchen. Es kann sein, dass ich danach nie<br />
wieder etwas von der Angelegenheit höre“, schmunzelt die<br />
erfahrene Streitschlichterin. Ein solcher Vorgang wird dann<br />
als sogenannter „Tür- und Angel-Fall“ registriert.<br />
Schlichtungsverhandlung auf neutralem Terrain<br />
Sollte der Antragsteller ein Schlichtungsverfahren wünschen,<br />
werden der geschilderte Sachverhalt und der Antrag zu Protokoll<br />
genommen und dem Antragsgegner zugestellt.<br />
Sodann werden die beiden Parteien zur Verhandlung<br />
geladen, und zwar an einen „neutralen“ Ort, etwa ein<br />
Amtsgebäude oder eine Schule. „Einige Schiedsmänner<br />
verhandeln auch bei sich zu Hause“, so Ingrid Dormann,<br />
aber nach meiner Erfahrung ist es leichter, die manchmal<br />
hochkochenden Emotionen auf neutralem Terrain zu beruhigen.<br />
Außerdem ist es etwas anonymer, was den Parteien<br />
nur recht ist.“ „Ich selbst“, so Ingrid Dormann, „bin ja eine<br />
Großstadtpflanze. Wenn man eine Wohnung in Köln oder<br />
Berlin bewohnt, kann man, um einem jahrelangen Streit<br />
aus dem Wege zu gehen, auch umziehen. Hier bei uns, wo<br />
viele Leute ein Eigenheim besitzen, ist das natürlich deutlich<br />
schwieriger. Ich versuche in den Verhandlungen, den Kontrahenten<br />
aufzuzeigen, in welchem Verhältnis der Streit also<br />
zu ihrer gesamten (Wohn-) Situation steht, und ob es nicht<br />
viel einfacher sei, sich zu vertragen. Erfreulicherweise gelingt<br />
dies häufig.“<br />
Günstiges Schiedsverfahren<br />
Obwohl die Kosten für ein Schlichtungsverfahren nur<br />
einen Bruchteil derer eines gerichtlichen Verfahrens ausmachen<br />
(„Hätte ich das gewusst, hätte ich mir den Rechtsanwalt<br />
gespart“ ist ein Satz, den Ingrid Dormann nicht<br />
selten hört), ist eine schiedsgerichtliche Vereinbarung<br />
rechtsverbindlich und stellt einen Titel da, aus dem für 30<br />
Jahre auch zwangsvollstreckt werden kann. „Männer und<br />
Frauen streiten sich in unserer Region etwa gleich häufig“,<br />
so Ingrid Dormann, „aber unter dem Strich, so kann ich<br />
nach vielen Jahren sagen, ist der Bewohner des Sauerlandes<br />
im Allgemeinen gar nicht sehr streitsüchtig, sondern eher<br />
harmoniebedürftig.“ Überhaupt scheint in den meisten Fällen<br />
gar nicht der Konflikt das Problem zu sein, sondern eher<br />
die mangelnde Fähigkeit, mit dem Kon flikt kommunikativ<br />
umzugehen.<br />
Das Händereichen beendet den Streit<br />
Daher ist es für die „Schiedsrichterin“ ein schönes Ergebnis,<br />
wenn sich die ehemaligen Kontrahenten am Schluss der<br />
Verhandlung die Hände reichen, zum Zeichen, dass die<br />
Auseinandersetzung beendet und man sich „in der Mitte“<br />
entgegengekommen ist. ■<br />
<strong>WOLL</strong> <strong>Herbst</strong> <strong>2020</strong> - 143