CHECK Berlin / Brandenburg #5
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BERATUNG<br />
TRAUMAHILFE<br />
für Männer*<br />
Interview: Torsten Schwick<br />
Den Verein HILFE-FÜR-JUNGS e.V. gibt es seit 1994. Mittlerweile werden durch den<br />
Träger drei verschiedene Projekte organisiert. Eines davon ist MUT - Traumahilfe für<br />
Männer*. Wir sprachen mit Lukas Weber, Geschäftsführer des HILFE-FÜR-JUNGS e.V.<br />
Was kann man sich unter Traumahilfe konkret<br />
vorstellen? In welchen Situationen kommen<br />
Männer* zu euch und brauchen Hilfe?<br />
Letztendlich geht es immer um das Thema<br />
sexualisierte Gewalt, was allerdings ein sehr<br />
weiter Begriff ist. Willkommen ist bei uns jeder,<br />
der in der Kindheit oder im Erwachsenenalter<br />
sexualisierte Gewalt erlebt hat. Bei unseren<br />
Gesprächen muss das aber nicht unbedingt<br />
Thema sein. Wir sind keine Therapeuten, die<br />
in das Trauma einsteigen, sondern wir helfen<br />
dabei, zu stabilisieren. Das bedeutet, dass die<br />
Menschen selbst das Tempo entscheiden, in<br />
dem sie arbeiten möchten. In den meisten<br />
Fällen geht es um Orientierung, Stressabbau<br />
und Selbstwahrnehmung. Unsere Klient*innen<br />
haben häufig mit Alltagsproblemen zu<br />
kämpfen, die aus den belastenden Erlebnissen<br />
resultieren. Den meisten geht es eher darum,<br />
herauszufinden, warum etwa die Partnerschaft<br />
nicht funktioniert, warum sie so viel Stress auf<br />
der Arbeit haben und wie das vielleicht alles<br />
durch die Gewaltaspekte ausgelöst wurde, die<br />
sie erlebt haben.<br />
In unserer Beratungsarbeit ist es egal, in<br />
welcher Form die sexualisierte Gewalt stattgefunden<br />
hat. Wenn ein Mann* zu uns kommt,<br />
und sagt, ich erlebe sexistische Sprüche am<br />
Arbeitsplatz, ist er herzlich willkommen. Wenn<br />
jemand sagt, ich habe in der Kindheit von<br />
meiner Stiefmutter schwerste Misshandlungen<br />
erlebt, dann ist er auch willkommen. Bei uns<br />
gibt es keine Mindestanforderungen an Gewalt.<br />
Sexualisierte Gewalt an Jungen oder Männern<br />
ist immer noch ein Tabuthema. Wo genau,<br />
denkst du, liegt hier das Problem?<br />
Was das Tabu angeht, ist das Problem in erster<br />
Linie unsere Gesellschaft. Es hat viel mit Männlichkeitsattributen<br />
zu tun. Männer* leben oft mit<br />
dem Eindruck, dass, wenn sie sich Hilfe holen,<br />
schwach oder nicht männlich genug sind.<br />
Wie verändert es einen Mann*, wenn er<br />
sexualisierte Gewalt erlebt hat?<br />
Es kann massive Auswirkungen auf den Alltag<br />
haben: Man fühlt sich nicht der Gesellschaft<br />
zugehörig, nicht männlich. Man unterliegt<br />
zwar diesen Attributen, kann sie aber nicht<br />
erfüllen. Es ist im Prinzip natürlich völlig egal,<br />
ob man diese Anforderungen erfüllt. Aber für<br />
viele Menschen ist es eine große Schwierigkeit.<br />
Auch weil sie das soziale Umfeld haben, das<br />
teilweise sehr abwehrend reagiert und denkt,<br />
Männer* können keine sexualisierte Gewalt<br />
erlebt haben. Viele leiden darunter, dass sie<br />
eigentlich keinen Ansprechpartner*innen in<br />
ihrem sozialen Umfeld haben, weil es niemand<br />
ernst nimmt oder sehen will. Oder weil sie es<br />
einfach abtun und sagen, das passiere ja nur<br />
Frauen. Männer* haben Angst davor, als Opfer<br />
dargestellt zu werden. Manche haben Angst,<br />
dass sie als schwul gelten, obwohl sie vielleicht<br />
heterosexuell sind. Auch das sollte ja in unserer<br />
heutigen Gesellschaft kein abwertender Begriff<br />
mehr sein, ist es aber teilweise trotzdem noch<br />
in einigen Kreisen. Ein weiteres Problem kann<br />
der Verrat des eigenen Körpers sein, wenn etwa<br />
der Penis während des Übergriffes steif geworden<br />
ist. Das ist aber eine normale körperliche<br />
Reaktion, die nicht unbedingt mit dem eigenen<br />
Sexualempfinden zu tun hat.<br />
80 <strong>CHECK</strong> BERLIN/BRANDENBURG <strong>#5</strong>