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38 TITELTHEMA<br />
© istockphoto / fizkes<br />
KÜSS DIE<br />
H A N D,<br />
GNÄ’ FR AU<br />
Mal angenommen, eine junge Frau<br />
macht eine Zeitreise und kommt aus<br />
dem 18. Jahrhundert zu uns. Sie wandelt<br />
auf der Straße, sieht einen attraktiven<br />
jungen Mann und lässt ihr<br />
Taschentuch fallen. Was würde wohl<br />
passieren?<br />
Text Simone Blaß<br />
Möglicherweise gar nichts, vielleicht würde sie der<br />
Mann dezent darauf hinweisen, dass sie etwas verloren<br />
habe, vielleicht aber auch ziemlich anmotzen<br />
aufgrund der vermeintlichen Umweltverschmutzung.<br />
Was sicher nicht passieren würde, ist, dass er<br />
sich angeflirtet fühlt. Denn dieses uralte Zeichen ist<br />
heute so gut wie vergessen. Wir haben andere Möglichkeiten,<br />
jemandem tief in die Augen zu sehen.<br />
Theoretisch zumindest. Früher war sicher nicht alles<br />
besser, aber manches war deutlich einfacher. Der<br />
Mann konnte sich auf einem Ball ins Tanzbuch der<br />
Frau eintragen und bekam dadurch unweigerlich ein<br />
paar Walzerminuten lang die Möglichkeit, sie von sich<br />
zu überzeugen. Eine Frau konnte durch das geschickte<br />
Platzieren eines Schönheitspflästerchens oder auch<br />
mithilfe der Blumensprache Nachrichten versenden,<br />
manche gingen zu Zeiten des Sonnenkönigs sogar so<br />
weit, Flohattrappen in ihren Ausschnitt zu setzen, damit<br />
der angebetete Herr der Schöpfung die Dame vor dem<br />
Ungeziefer „retten“ konnte. Auf Ludwig XIV. geht übrigens<br />
auch das Wort Etikette zurück. Denn der für seine<br />
grenzenlose Eitelkeit bekannte König ließ am ganzen Hof<br />
kleine Schilder aufstellen – mit Ge- und Verboten. Damit<br />
jeder gleich mal wusste, wie er sich im Dunstkreis des<br />
Sonnenkönigs zu verhalten habe.