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ELMA_Magazin_JuniJuli_2021

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54 BILDUNG & ERZIEHUNG<br />

© pexels / Allan Mas<br />

RAUS MIT EUCH!<br />

Unsere Kinder verbringen seit Monaten mehr Zeit vorm Bildschirm,<br />

als uns lieb ist. Aber wie es sich anfühlt, auf einen Baum zu klettern,<br />

kann keine App der Welt vermitteln. Balancieren lernt man nicht per<br />

Online-Tutorial, und Teamwork passiert noch lange nicht, nur weil ein<br />

Programm „Teams“ heißt. Höchste Zeit, die Nasen nach draußen zu stecken.<br />

Die Welt mit allen Sinnen wahrzunehmen, sie zu begreifen im<br />

doppelten Wortsinn, ist für uns alle essenziell und eine Voraussetzung<br />

dafür, dass Kinder wichtige Fähigkeiten entwickeln können.<br />

Text Manuela Prill<br />

Die Sandkuchen sind perfekt! Lucie sitzt<br />

im Sandkasten und strahlt. Vor ein paar<br />

Minuten war die Dreijährige noch frustriert,<br />

der Sand wollte einfach nicht zusammenhalten.<br />

Bis sie entdeckte, dass<br />

ein bisschen mehr Wasser genau die<br />

richtige Mischung ergibt, damit die Kuchen<br />

schön aus den Förmchen gleiten.<br />

„Was man tun muss, um es zu tun, das<br />

lernt man, indem man es tut.“ Zu dieser<br />

Erkenntnis kam schon Aristoteles. Von<br />

klein auf lernen wir, indem wir Dinge<br />

ausprobieren, sie anfassen, schmecken,<br />

hören, riechen. Babys erkunden ihre<br />

Umgebung, indem sie alles, was sie zu<br />

greifen kriegen, in den Mund stecken.<br />

Lippen und Zunge sind in dieser Phase<br />

ihre wichtigsten Sinnesorgane. Das, was<br />

wir selbst machen und erleben, prägt<br />

sich ins Gedächtnis und lässt uns selbst<br />

als Teil der Umwelt wahrnehmen.<br />

„Lernen erfolgt nicht rein kognitiv, es<br />

ist ein Zusammenspiel aus Gehirn und<br />

Körper“, sagt Prof. Dr. Thomas Eberle,<br />

Leiter des Lehrstuhls für Schulpädagogik<br />

an der Friedrich-Alexander-Univer-<br />

sität Erlangen-Nürnberg (FAU). Schwerpunkte<br />

seiner wissenschaftlichen Arbeit<br />

sind Erlebnispädagogik und das sogenannte<br />

„Experiential Learning“, zu<br />

deutsch: erfahrungsbasiertes Lernen. In<br />

der Erlebnispädagogik werden konkrete<br />

Lernsituationen gestaltet und mit einem<br />

pädagogischen Ziel verknüpft. Draußen<br />

in der Natur und immer in Kombination<br />

mit Bewegung. Beispiel: eine gemeinsame<br />

Klettertour als Teamübung. „Dabei<br />

kann es um das Klettern und das gegenseitige<br />

Sichern gehen, die Aufgabe kann<br />

aber auch schon sein, wie kommt die<br />

Gruppe dorthin, wie organisiert sie sich<br />

beim Beschaffen der Ausrüstung?“ erklärt<br />

Eberle. Ziel dieser Settings: Kinder<br />

und Jugendliche in ihrer Persönlichkeits-<br />

und Kompetenzentwicklung zu<br />

fördern, ihr Sozialverhalten zu schulen<br />

und ihnen Möglichkeiten zu geben, sich<br />

selbst besser kennen- und einschätzen<br />

zu lernen.<br />

Erfahrungsbasiertes Lernen wird auch<br />

enger definiert als „Lernen durch Nachdenken<br />

über das Tun“. Frage: Verändert<br />

man ein bestimmtes Verhalten dann,<br />

wenn jemand dies von einem verlangt,<br />

oder tun wir es eher, wenn die eigene<br />

Erfahrung uns „belehrt“? Thomas Eberle<br />

erlebt diese Form der Selbstreflexion<br />

häufig in seinen Gruppen-Trainings.<br />

„Jemand, der anfangs gedacht hat, ich<br />

mache das am besten und schnellsten<br />

alleine, merkt durch die unmittelbare<br />

Erfahrung, dass Teamwork doch sinnvoll<br />

ist, und ändert dadurch vielleicht<br />

seine Einstellung.“ Neue Herausforderungen<br />

bergen die Chance, neue Erfahrungen<br />

zu machen. Im Alltag neige<br />

man dazu, in stets gleichen Verhaltensmustern<br />

zu agieren, weiß Eberle. Wir<br />

verlassen unsere Komfortzonen ungern,<br />

selbst wenn diese gar nicht so komfortabel<br />

sind. Routine schafft Sicherheit,<br />

gleichzeitig verstellt sie den Weg zu<br />

unentdeckten Erfahrungen. Erlebnispädagogische<br />

Settings bieten Kindern<br />

und Jugendlichen Gelegenheiten, ihren<br />

Erlebnishorizont zu erweitern und in<br />

ihnen schlummernde Fähigkeiten aufzuspüren.

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