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ELMA_Magazin_JuniJuli_2021

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84 RECHT UND SOZIALES<br />

© Marian Lenhardt<br />

„DANN HAU ICH HALT AB!“<br />

Wahrscheinlich haben viele von uns ihren Eltern diesen Satz irgendwann mal<br />

entgegengeschleudert – die meisten, ohne ihn in die Tat umzusetzen. Sich unverstanden<br />

fühlen und seine Selbstständigkeit beweisen wollen – das gehört<br />

zur Pubertät nun einmal dazu. Doch schneller als gedacht stehen wir plötzlich<br />

auf der anderen Seite. Was tun, wenn ein Streit eskaliert und der eigene Sohn<br />

oder die Tochter damit droht, abzuhauen? Zwei Streetworker aus Bamberg<br />

erzählen, warum Jugendliche von zu Hause weglaufen und was Eltern tun<br />

können, um das zu verhindern.<br />

Text Alisa Müller<br />

Die gute Nachricht ist: Die meisten<br />

Drohungen werden nach der Erfahrung<br />

von Maren Brunner und Norbert<br />

Ritli nicht wahr gemacht. Die Streetworkerin<br />

und ihr Kollege arbeiten bei<br />

iSo („innovative Sozialarbeit“) Bamberg,<br />

der überregional tätige Verein<br />

betreibt in der Metropolregion Nürnberg<br />

18 Projektstellen. Allerdings ist<br />

immer der Blick auf den Einzelfall<br />

nötig: „Die Eltern kennen ja ihr Kind<br />

am besten. Wenn das Kind zehn Mal<br />

am Tag sagt, ‚ich hau ab‘, hört man<br />

vielleicht nicht so genau darauf wie<br />

bei einem Kind, das super verantwortungsbewusst<br />

ist und dann ein Mal<br />

sagt: ‚Hey, ich bin dann mal weg‘“,<br />

gibt Maren Brunner zu bedenken. Zunächst<br />

lohnt es sich immer, herauszufinden,<br />

wie ernst das Kind es meint: Ist<br />

es eine Trotzreaktion, oder hat mein<br />

Sohn oder meine Tochter sogar schon<br />

konkrete Vorstellungen, wo er hingehen<br />

oder was sie machen will?<br />

Dabei ist Einfühlungsvermögen gefragt.<br />

Also am besten: Abwarten, bis<br />

sich die Gemüter bei allen beruhigt haben,<br />

und dann abends auf der Couch<br />

im Wohnzimmer oder beim Familienausflug<br />

mal nachfragen. Und klar, das<br />

ist nicht angenehm! Ignorieren ist<br />

trotzdem keine Option: „Irgendwas<br />

will die Person ja ausdrücken, auch<br />

wenn es aus einem Streit heraus oder<br />

aus Trotz gesagt wird“, erläutert Brunner.<br />

Abzuhauen oder damit zu drohen<br />

ist immer auch eine Selbstermächtigung<br />

für Jugendliche – frei nach dem<br />

Motto: Wenn ich daheim nicht bekomme,<br />

was ich will oder brauche, dann<br />

hole ich es mir eben woanders. Dieses<br />

„woanders“ kann zum Beispiel die Clique<br />

sein oder auch ein (älterer) fester<br />

Freund. Dort suchen die Jugendlichen<br />

unbewusst etwa nach Geborgenheit,<br />

Verständnis und Akzeptanz, die ihnen<br />

daheim fehlen. „Abhauen ist oft eine<br />

Trotzreaktion auf das Nicht-Verhalten<br />

der Eltern, die nicht auf die Situation<br />

des Jugendlichen eingehen wollen“,<br />

weiß Norbert Ritli.

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