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84 RECHT UND SOZIALES<br />
© Marian Lenhardt<br />
„DANN HAU ICH HALT AB!“<br />
Wahrscheinlich haben viele von uns ihren Eltern diesen Satz irgendwann mal<br />
entgegengeschleudert – die meisten, ohne ihn in die Tat umzusetzen. Sich unverstanden<br />
fühlen und seine Selbstständigkeit beweisen wollen – das gehört<br />
zur Pubertät nun einmal dazu. Doch schneller als gedacht stehen wir plötzlich<br />
auf der anderen Seite. Was tun, wenn ein Streit eskaliert und der eigene Sohn<br />
oder die Tochter damit droht, abzuhauen? Zwei Streetworker aus Bamberg<br />
erzählen, warum Jugendliche von zu Hause weglaufen und was Eltern tun<br />
können, um das zu verhindern.<br />
Text Alisa Müller<br />
Die gute Nachricht ist: Die meisten<br />
Drohungen werden nach der Erfahrung<br />
von Maren Brunner und Norbert<br />
Ritli nicht wahr gemacht. Die Streetworkerin<br />
und ihr Kollege arbeiten bei<br />
iSo („innovative Sozialarbeit“) Bamberg,<br />
der überregional tätige Verein<br />
betreibt in der Metropolregion Nürnberg<br />
18 Projektstellen. Allerdings ist<br />
immer der Blick auf den Einzelfall<br />
nötig: „Die Eltern kennen ja ihr Kind<br />
am besten. Wenn das Kind zehn Mal<br />
am Tag sagt, ‚ich hau ab‘, hört man<br />
vielleicht nicht so genau darauf wie<br />
bei einem Kind, das super verantwortungsbewusst<br />
ist und dann ein Mal<br />
sagt: ‚Hey, ich bin dann mal weg‘“,<br />
gibt Maren Brunner zu bedenken. Zunächst<br />
lohnt es sich immer, herauszufinden,<br />
wie ernst das Kind es meint: Ist<br />
es eine Trotzreaktion, oder hat mein<br />
Sohn oder meine Tochter sogar schon<br />
konkrete Vorstellungen, wo er hingehen<br />
oder was sie machen will?<br />
Dabei ist Einfühlungsvermögen gefragt.<br />
Also am besten: Abwarten, bis<br />
sich die Gemüter bei allen beruhigt haben,<br />
und dann abends auf der Couch<br />
im Wohnzimmer oder beim Familienausflug<br />
mal nachfragen. Und klar, das<br />
ist nicht angenehm! Ignorieren ist<br />
trotzdem keine Option: „Irgendwas<br />
will die Person ja ausdrücken, auch<br />
wenn es aus einem Streit heraus oder<br />
aus Trotz gesagt wird“, erläutert Brunner.<br />
Abzuhauen oder damit zu drohen<br />
ist immer auch eine Selbstermächtigung<br />
für Jugendliche – frei nach dem<br />
Motto: Wenn ich daheim nicht bekomme,<br />
was ich will oder brauche, dann<br />
hole ich es mir eben woanders. Dieses<br />
„woanders“ kann zum Beispiel die Clique<br />
sein oder auch ein (älterer) fester<br />
Freund. Dort suchen die Jugendlichen<br />
unbewusst etwa nach Geborgenheit,<br />
Verständnis und Akzeptanz, die ihnen<br />
daheim fehlen. „Abhauen ist oft eine<br />
Trotzreaktion auf das Nicht-Verhalten<br />
der Eltern, die nicht auf die Situation<br />
des Jugendlichen eingehen wollen“,<br />
weiß Norbert Ritli.