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ELMA_Magazin_JuniJuli_2021

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Seitdem er fünf Jahre alt war, tanzt der<br />

Schüler aus Eckental. Erst Jazz-Tanz,<br />

die Mutter hat ihn angemeldet, „weil<br />

ich daheim immer so viel rumgehüpft<br />

bin“, dann sagt die Lehrerin: Versuch’s<br />

doch mal mit Ballett. „Ich hatte keine<br />

Vorstellung, was das bedeutet“, sagt<br />

Johannes Jurkowski. Keine Vorstellung<br />

oder eine, die gar nichts mit der Realität<br />

zu tun hat, das haben die meisten<br />

Menschen von Ballett. Was sie haben,<br />

sind Vorurteile.<br />

„Das typische Klischee – Ballett mit<br />

Strumpfhosen und Tutus – das gibt es<br />

eigentlich schon lange nicht mehr“,<br />

sagt Angelina Noack-Glenz, seit 16<br />

Jahren am Ballettförderzentrum und<br />

seit 2020 künstlerische Leiterin des<br />

Hauses. Ein Klischee, das freilich einen<br />

Ursprung hat, vor allem aber von der<br />

Gesellschaft unablässig reproduziert<br />

wird. „Nur wenige traditionelle Stücke<br />

werden noch in traditioneller Kleidung<br />

getanzt“, so die 33-Jährige. Und dass<br />

das ein Bild ergibt, das 300 Jahre alt<br />

ist. Als es noch Könige gab und Kaiser,<br />

höfisches Leben und Mode, die wir<br />

heute auf allerlei Bildern sehen, gleichwohl<br />

aber als fremd empfinden: Sonnenkönig<br />

Louis XIV. & Co. in Strumpfhosen<br />

war en vogue, zudem galt als<br />

adelig und edel, was möglichst weiß<br />

war (statt von Feldarbeiten sonnengegerbt),<br />

und um die Kraft und Eleganz<br />

des trainierten Körpers gut sehen<br />

zu können, sind die Trikots hauteng.<br />

„Gewissermaßen wie heute auch bei<br />

Sportradfahrern“, sagt Francesca Imoda.<br />

Nur ist das da akzeptiert. Aus dieser<br />

Zeit, in der alles pompvoll glitzert,<br />

stammt damals das Frauenbild – und<br />

wer als Mann sich heute in die Welt<br />

hineinwagt, gilt als schwul.<br />

„Immer noch“, sagt Angelina Noack-<br />

Glenz und schüttelt verwundert den<br />

Kopf. Zeitgenössisches Ballett, das ist<br />

legere Trainingsklamotte und modernes<br />

Tanzkostüm, unterscheidet kaum<br />

zwischen Mann und Frau, ist gleichermaßen<br />

kraftvoll, energetisch und, ja,<br />

durchaus sexy. Es klopft an der Tür, ein<br />

junger Mann steht davor. Bärtig, lässig<br />

© Vincent Mak<br />

Männerballett heute:<br />

Kraft ohne Strumpfhosen<br />

im Shirt, die Jeans hängt tief, Muskeln<br />

spielen unter der Haut. „Ich klemm<br />

noch schnell den Herd ab“, sagt er. „Die<br />

Spülmaschine tausch ich später.“ Die<br />

Frauen lachen. „Das war einer unserer<br />

dienstältesten Tanzlehrer“, sagt Francesca<br />

Imoda. „Besser hätte ich nicht erklären<br />

können, wie Männer im Ballett<br />

heute sind.“<br />

„Es ist nur die Erziehung der Eltern<br />

schuld daran, dass Elfjährige mich als<br />

schwul bezeichnen“, ist sich Johannes<br />

sicher. „Schwul“, ein Konzept, das es<br />

in Kinderköpfen eher nicht von alleine<br />

gibt, zumal als Negativum. Johannes<br />

war beim Psychologen, „ich spreche<br />

offen über meine Mobbinggeschichte“,<br />

sagt er, „vielleicht macht es anderen<br />

Mut.“ Die Freunde, erzählt Johannes,<br />

und die Hände fliegen durch die Luft,<br />

hatten schnell akzeptiert, was er da<br />

macht. Fußball, Ballett, egal. In der<br />

sechsten Klasse gab es plötzlich einen,<br />

der hat sich gestört am Fremden, der<br />

„Hauptmobber“, sagt Johannes, habe<br />

ihn selbst nie angefasst, nur seelische<br />

Gewalt ausgeübt – und die anderen<br />

aufgehetzt. Mitreißen haben sie sich<br />

lassen, diese andren. Zu acht ihn mit<br />

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