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Seitdem er fünf Jahre alt war, tanzt der<br />
Schüler aus Eckental. Erst Jazz-Tanz,<br />
die Mutter hat ihn angemeldet, „weil<br />
ich daheim immer so viel rumgehüpft<br />
bin“, dann sagt die Lehrerin: Versuch’s<br />
doch mal mit Ballett. „Ich hatte keine<br />
Vorstellung, was das bedeutet“, sagt<br />
Johannes Jurkowski. Keine Vorstellung<br />
oder eine, die gar nichts mit der Realität<br />
zu tun hat, das haben die meisten<br />
Menschen von Ballett. Was sie haben,<br />
sind Vorurteile.<br />
„Das typische Klischee – Ballett mit<br />
Strumpfhosen und Tutus – das gibt es<br />
eigentlich schon lange nicht mehr“,<br />
sagt Angelina Noack-Glenz, seit 16<br />
Jahren am Ballettförderzentrum und<br />
seit 2020 künstlerische Leiterin des<br />
Hauses. Ein Klischee, das freilich einen<br />
Ursprung hat, vor allem aber von der<br />
Gesellschaft unablässig reproduziert<br />
wird. „Nur wenige traditionelle Stücke<br />
werden noch in traditioneller Kleidung<br />
getanzt“, so die 33-Jährige. Und dass<br />
das ein Bild ergibt, das 300 Jahre alt<br />
ist. Als es noch Könige gab und Kaiser,<br />
höfisches Leben und Mode, die wir<br />
heute auf allerlei Bildern sehen, gleichwohl<br />
aber als fremd empfinden: Sonnenkönig<br />
Louis XIV. & Co. in Strumpfhosen<br />
war en vogue, zudem galt als<br />
adelig und edel, was möglichst weiß<br />
war (statt von Feldarbeiten sonnengegerbt),<br />
und um die Kraft und Eleganz<br />
des trainierten Körpers gut sehen<br />
zu können, sind die Trikots hauteng.<br />
„Gewissermaßen wie heute auch bei<br />
Sportradfahrern“, sagt Francesca Imoda.<br />
Nur ist das da akzeptiert. Aus dieser<br />
Zeit, in der alles pompvoll glitzert,<br />
stammt damals das Frauenbild – und<br />
wer als Mann sich heute in die Welt<br />
hineinwagt, gilt als schwul.<br />
„Immer noch“, sagt Angelina Noack-<br />
Glenz und schüttelt verwundert den<br />
Kopf. Zeitgenössisches Ballett, das ist<br />
legere Trainingsklamotte und modernes<br />
Tanzkostüm, unterscheidet kaum<br />
zwischen Mann und Frau, ist gleichermaßen<br />
kraftvoll, energetisch und, ja,<br />
durchaus sexy. Es klopft an der Tür, ein<br />
junger Mann steht davor. Bärtig, lässig<br />
© Vincent Mak<br />
Männerballett heute:<br />
Kraft ohne Strumpfhosen<br />
im Shirt, die Jeans hängt tief, Muskeln<br />
spielen unter der Haut. „Ich klemm<br />
noch schnell den Herd ab“, sagt er. „Die<br />
Spülmaschine tausch ich später.“ Die<br />
Frauen lachen. „Das war einer unserer<br />
dienstältesten Tanzlehrer“, sagt Francesca<br />
Imoda. „Besser hätte ich nicht erklären<br />
können, wie Männer im Ballett<br />
heute sind.“<br />
„Es ist nur die Erziehung der Eltern<br />
schuld daran, dass Elfjährige mich als<br />
schwul bezeichnen“, ist sich Johannes<br />
sicher. „Schwul“, ein Konzept, das es<br />
in Kinderköpfen eher nicht von alleine<br />
gibt, zumal als Negativum. Johannes<br />
war beim Psychologen, „ich spreche<br />
offen über meine Mobbinggeschichte“,<br />
sagt er, „vielleicht macht es anderen<br />
Mut.“ Die Freunde, erzählt Johannes,<br />
und die Hände fliegen durch die Luft,<br />
hatten schnell akzeptiert, was er da<br />
macht. Fußball, Ballett, egal. In der<br />
sechsten Klasse gab es plötzlich einen,<br />
der hat sich gestört am Fremden, der<br />
„Hauptmobber“, sagt Johannes, habe<br />
ihn selbst nie angefasst, nur seelische<br />
Gewalt ausgeübt – und die anderen<br />
aufgehetzt. Mitreißen haben sie sich<br />
lassen, diese andren. Zu acht ihn mit<br />
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KULTUR<br />
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