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TITELTHEMA<br />
© FG Trade<br />
Auch der „Knigge“ ist ein Werk, das<br />
nicht durchgängig streng ist. Und das<br />
vor allem stetig aktualisiert und der<br />
Zeit angepasst wird. Vor einigen Jahren<br />
wollte der Knigge das Wörtchen „Gesundheit“<br />
nach einem Nieser abschaffen.<br />
Der Hintergrund: Der Brauch entstand<br />
zu Zeiten der Pest und sollte nicht<br />
den Kranken, sondern den Gesunden<br />
schützen. Und schließlich kommentiere<br />
man andere Körperäußerungen ja<br />
auch nicht. Doch trotz aller historischen<br />
Erklärung konnte sich der Knigge-Vorschlag<br />
nicht durchsetzen, man empfand<br />
es als unhöflich zu schweigen. Das<br />
„Gesundheit“-Wünschen gehört nun<br />
also wieder zum guten Ton.<br />
Adolph Freiherr Knigge<br />
schlechthin mit ihren Benimmbibeln. Wobei Ersterer in seinem<br />
„Ratgeber für kindliche Sitten“ allerdings seine Leser<br />
auch zu Toleranz aufrief und vor Überheblichkeit warnte:<br />
„Der wichtigste Punkt der Höflichkeit ist der, dass du einen<br />
Gefährten nicht weniger liebhast, wenn er schlechtere<br />
Manieren hat. Es gibt nämlich“, so der Humanist weiter,<br />
„Menschen, die die Ungeschliffenheit ihres Benehmens<br />
durch andere Gaben wettmachen.“<br />
Was sich gehörte und was nicht, das lernten Kinder anno<br />
dazumal nicht nur von ihren Eltern und Kindermädchen,<br />
sondern auch aus so anschaulichen wie furchterregenden<br />
Büchern wie dem Struwwelpeter oder für<br />
die Älteren der „Anstandslehre für die Jugend“. Wie<br />
geht, steht und sitzt man, welche Kleidung ist wann<br />
schicklich, wen begrüßt man wann zuerst und wozu<br />
ist eigentlich dieser komisch geformte Löffel, also der<br />
dritte von links im Gedeck? Ein solches Standardwerk<br />
als Pflichtlektüre könnte auch heute noch so manchem<br />
definitiv nicht schaden, denn Möglichkeiten,<br />
sich etiketten-technisch so richtig zu blamieren, gibt<br />
es immer noch zahlreich: Hochzeiten, Beerdigungen,<br />
Bewerbungsgespräche, das Treffen mit dem Chef<br />
und weiteren Geschäftspartnern, der romantische<br />
Abend in einem teuren Restaurant …<br />
Der Besuch einer Tanzschule – heutzutage nicht<br />
mehr nur den Nerds unter den Zehntklässlern vorbehalten<br />
– kann hier durchaus weiterhelfen. Denn<br />
dort werden oft auch ein paar Benimmstunden<br />
angeboten. Wäre vielleicht auch mal eine Anregung<br />
für die weiterführenden Schulen und deren<br />
Lehrplan.