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VKD-Praxisberichte 2019

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DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

Dass die unterschiedlichen Finanzierungssysteme<br />

nicht kompatibel sind, habe ich bereits gesagt. Wir<br />

plädieren für ein eigenständiges System für diesen<br />

Bereich. Wichtig ist dabei, dass die enorme Unterdegesamt<br />

einer Milliarde Euro pro Jahr fortgesetzt.<br />

Kommt das den Forderungen des <strong>VKD</strong> nicht<br />

doch entgegen? Rund 120 kleine als bedarfsnotwendig<br />

eingestufte Krankenhäuser in Flächenregionen<br />

werden zudem mit je 400.000 Euro unterstützt.<br />

Dr. Josef Düllings: Der Strukturfonds – immerhin<br />

inzwischen nicht nur für die Schließung und Umwandlung<br />

von Krankenhäusern gedacht, sondern<br />

zum Beispiel auch auf Digitalisierungsprojekte erweitert<br />

– ist natürlich besser als nichts. Auch die<br />

Unterstützung bedarfsnotwendiger Häuser – von<br />

den Kassen lange Zeit blockiert – ist natürlich nicht<br />

abzulehnen. Aber angesichts der vor uns liegenden<br />

riesigen Herausforderungen ist dies politische<br />

Kosmetik.<br />

Unsere zentrale Forderung geht in eine andere,<br />

grundsätzliche und nicht nur temporär wirkende<br />

Richtung: Der Bund muss angesichts der mittlerweile<br />

jahrzehntelangen Misere dieser Tatsache<br />

„<br />

Die Gesundheitsversorgung ist ein komplexes<br />

Thema. Wer hier Veränderungen<br />

in dieser Geschwindigkeit anstrebt,<br />

noch dazu mit solch einer Fülle neuer<br />

Gesetze, Verordnungen, Regelungen,<br />

kann die daraus resultierenden Folgen<br />

in der Praxis und auch die entstehenden<br />

Interaktionen kaum abschätzen.<br />

“<br />

endlich ins Auge sehen und sich an der Investitionsförderung<br />

messbar beteiligen. Die Länder<br />

bringen insgesamt nicht einmal die Hälfte der<br />

konservativ als nötig geschätzten mehr als sechs<br />

Milliarden Euro dafür auf. Anfang der 1990er Jahre<br />

lag die Investitionsquote noch bei neun Prozent.<br />

Heute liegt sie bei unter drei Prozent. Wir haben<br />

zudem einen riesigen Investitionsstau. Viele Anlagegüter<br />

der Krankenhäuser sind bereits seit Jahren<br />

vollständig abgeschrieben, Gebäude und auch<br />

technische Anlagen sind nicht selten in einem maroden<br />

Zustand. Kein Mensch scheint sich für diese<br />

tickende Zeitbombe zu interessieren. Ein Ende<br />

der Unterfinanzierung ist nicht absehbar. Auch der<br />

Strukturfonds bedeutet keine Beteiligung des Bundes.<br />

Er finanziert sich zur Hälfte aus Mitteln des Gesundheitsfonds<br />

und zur anderen Hälfte aus Mitteln<br />

der Länder, die hier aktiv werden müssen – oder es<br />

auch lassen können.<br />

Das MDK-Gesetz wurde noch kurz vor der parlamentarischen<br />

Sommerpause vom Kabinett beschlossen.<br />

Damit wurde eine wichtige Forderung<br />

des <strong>VKD</strong> umgesetzt. Sind sie zufrieden?<br />

Dr. Josef Düllings: Ja, im Grundsatz durchaus, auch<br />

wenn die Fassung des Gesetzentwurfs noch verändert<br />

wurde – zugunsten der Krankenkassen, zu<br />

Lasten der Krankenhäuser. Durch die Unabhängigkeit<br />

des Medizinischen Dienstes von den Krankenkassen<br />

erwarten wir aber künftig faire Abrechnungsprüfungen.<br />

Dass die Kassen strittig gestellte<br />

Leistungen künftig nicht mehr gegen unstrittige<br />

aufrechnen dürfen, ist ebenfalls sehr wichtig für die<br />

Krankenhäuser. Der inzwischen erhebliche Anstieg<br />

der Prüfungen wird auf ein normales Maß begrenzt.<br />

Gut so!<br />

Dass die Krankenhäuser mit Strafzahlungen belegt<br />

werden sollen, wenn im Ergebnis der Prüfungen<br />

Rechnungen gekürzt werden, ist dagegen ein Unding<br />

und nirgends sonst in irgendeiner Gebührenordnung,<br />

etwa für Vertragsärzte, so festgelegt. Hier<br />

zeigt es sich wieder, das Misstrauen gegenüber den<br />

Krankenhäusern.<br />

Die neu in den Gesetzentwurf eingefügte Regelung<br />

zur Besetzung der Aufsichtsgremien des Prüfinstituts<br />

durch eine dominierende Anzahl von Kassenvertretern<br />

kratzt erheblich an dessen eigentlich<br />

angestrebter Unabhängigkeit. Das muss noch geändert<br />

und die Krankenhausseite paritätisch eingebunden<br />

werden.<br />

Ein Blick in die nahe Zukunft: Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn hat auf der <strong>VKD</strong>-Jahrestagung<br />

angekündigt, dass im zweiten Halbjahr<br />

die Diskussion um eine sektorenübergreifende<br />

Versorgung erheblich intensiviert wird. Eine<br />

Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat dazu bereits den<br />

Arbeitsentwurf für ein Eckpunktepapier veröffentlicht.<br />

Wie sind die Positionen des <strong>VKD</strong> zu diesem<br />

Thema?<br />

Dr. Josef Düllings: Das Thema ist nicht neu – Integrierte<br />

Versorgung, Ambulante Spezialfachärztliche<br />

Versorgung (ASV) sind ja Schritte in diese Richtung.<br />

Der <strong>VKD</strong> war und ist offen für eine sektorenübergreifende<br />

Gesundheitsversorgung. Das haben wir immer<br />

wieder betont.<br />

Dass gerade in ländlichen Regionen die Realität, vor<br />

allem das Fehlen niedergelassener Fachärzte, sektorenübergreifendes<br />

Arbeiten erzwingt, ist uns allen<br />

bewusst. Unser Verband plädiert dafür,<br />

je nach den Bedingungen in einer Region,<br />

sektorenübergreifend Versorgung zu<br />

planen – eine definitive Pflicht der Bundesländer<br />

in Kooperation mit der Selbstverwaltung.<br />

Notwendig ist aus unserer<br />

Sicht dabei aber auch die Konzentration<br />

der Leistungen – ambulant wie stationär<br />

– an den Krankenhäusern als Anker<br />

der Versorgung und die Entwicklung der<br />

Kliniken zu Gesundheitszentren, an die<br />

dann auch Altenpflege und ambulante<br />

Pflege sowie andere Gesundheitsberufe<br />

andocken können.<br />

Die Frage ist aber nicht das Ob, sondern<br />

das Wie. Es geht ja neben der Bedarfsplanung<br />

auch um Zulassungsfragen, um<br />

die Honorierung der Leistungen, aber<br />

auch um die technischen Vernetzungsbedingungen<br />

und die telematische<br />

Infrastruktur. Das sind keine einfachen<br />

Herausforderungen, wie schon bei den<br />

Modellen zur Integrierten Versorgung<br />

sowie bei der von Kontrollwahn getriggerten<br />

Überbürokratie in der ASV erlebt.<br />

Besondere Knackpunkte sind für uns<br />

die Finanzierung und die Qualitätssicherung.<br />

Die Krankenhäuser mit ihrem<br />

komplexen System der Qualitätssicherung<br />

erwarten Vergleichbares auch von<br />

den niedergelassenen Ärzten. Im Grunde<br />

brauchen wir hier eine gemeinsame<br />

Qualitätsstrategie und eben auch sektorenübergreifende<br />

Qualitätsparameter, Prüfungen<br />

und eine gemeinsame Qualitätssicherung. Hier<br />

müssen sich auch die niedergelassenen Ärzte bewegen.<br />

Auch die Krankenkassen müssen natürlich<br />

ins Boot, da nach Entlassung der Patienten deren<br />

weitere Wege für uns eine Black Box sind.<br />

Ebenfalls ein sehr schwieriges Thema wird die Frage<br />

der Finanzierung sein, denn bisher sind Projekte<br />

der Integrierten Versorgung zum Beispiel meist auf<br />

Finanzhilfen angewiesen. Die unterschiedlichen Finanzierungssysteme<br />

ambulant und stationär sind<br />

in sich nicht kompatibel. Wie die Kompatibilität hergestellt<br />

werden könnte, ist eine Frage. Die Lösung<br />

sehe ich derzeit eher noch in weiter Ferne. Ein Test<br />

wäre zunächst für die ASV eine einheitliche Vergütungssystematik<br />

sowie möglicher Weise Hybrid-<br />

DRGs für die sektorenübergreifenden Elemente des<br />

Versorgungssystems.<br />

Der Abbau von Bürokratie ist immer<br />

wieder versprochen worden. Das Gegenteil<br />

geschieht, wie wir jeden Tag in den Krankenhäusern<br />

erleben. Mit jedem Gesetz und<br />

jeder Regelung werden es mehr Pflichten<br />

für Ärzte und Pflegende – und damit verstärkt<br />

sich natürlich der Personalmangel<br />

weiter.<br />

„<br />

“<br />

Inzwischen gibt es konkrete Vorstellungen für ein<br />

Gesetz zur ambulanten Notfallversorgung. Sind<br />

diese eine Blaupause für ein künftiges Gesetz zur<br />

sektorenübergreifenden Versorgung?<br />

Dr. Josef Düllings: Wir haben als Verband immer<br />

wieder betont, dass die Gestaltung der ambulanten<br />

Notfallversorgung ein erster Schritt in sektorenübergreifende<br />

Versorgungsformen sein könnte. Was jetzt<br />

als Vorschlag vorliegt, ist allerdings noch keine Lösung.<br />

Wir begrüßen sehr, dass die Politik hier tätig<br />

wird. Wir müssen als Verband aber auch sehr deutlich<br />

auf Gefahren für die Krankenhäuser hinweisen,<br />

die sich für die Zukunft daraus ergeben können.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 12 13<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT

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