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VKD-Praxisberichte 2019

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PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

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„Patientensicherheit ist das aus der Perspektive der<br />

Patienten bestimmte Maß, in dem handelnde Personen,<br />

Berufsgruppen, Teams, Organisationen, Verbände<br />

und das Gesundheitssystem<br />

einen Zustand aufweisen, in dem unerwünschte<br />

Ereignisse selten auftreten, Sicherheitsverhalten<br />

gefördert wird und Risiken beherrscht werden,<br />

über die Eigenschaft verfügen, Sicherheit als<br />

erstrebenswertes Ziel zu erkennen und realistische<br />

Optionen zur Verbesserung umzusetzen,<br />

und<br />

in der Lage sind, ihre Innovationskompetenz in<br />

den Dienst der Verwirklichung von Sicherheit<br />

zu stellen.“ (Zitiert nach M. Schrappe, APS-Weißbuch<br />

Patientensicherheit, Berlin 2018, S. 524).<br />

Das Weißbuch geht darüber hinaus noch auf zwei<br />

weitere wesentliche Faktoren ein: Patientensicherheit<br />

kann noch so gut definiert, konkrete Maßnahmen<br />

können noch so gut geplant und erprobt sein;<br />

das praktische Gelingen hängt letztlich immer auch<br />

von der Bereitschaft aller Beteiligten vor Ort ab, das<br />

Konzept der Patientensicherheit mit Leben zu füllen<br />

und dabei auch die Patientinnen und Patienten aktiv<br />

einzubinden. Ich bin davon überzeugt, dass es zu<br />

dieser Sicherheitskultur auf allen Ebenen keine sinnvolle<br />

Alternative gibt. Die Patientensicherheit muss<br />

als eine gemeinsame Aufgabe aller verstanden werden.<br />

Das ist eine tägliche Herausforderung für uns<br />

alle, eine Aufgabe, die Enthusiasmus und Ausdauer<br />

erfordert.<br />

Meine langjährige Tätigkeit als Herzchirurgin in leitender<br />

Position hat mich zudem in meiner Auffassung<br />

bestätigt, dass vor allem die Kommunikation<br />

mit Patienten und deren Angehörigen von zentraler<br />

Bedeutung für die Patientensicherheit ist. Viele<br />

patientensicherheitsrelevante Vorfälle wären durch<br />

gelingende Kommunikation zu vermeiden. Mein<br />

persönlicher Anspruch war es immer,<br />

meine Patienten und ihre Angehören<br />

einzubeziehen und jeden Behandlungsschritt<br />

mit ihnen zu besprechen.<br />

Als Patientenbeauftragte werbe ich<br />

daher für das Modell der partizipativen<br />

Entscheidungsfindung als Form der Kommunikation<br />

auf Augenhöhe zwischen Patient und Arzt sowie<br />

allen anderen Gesundheitsfachkräften. Ziel muss es<br />

sein, den mündigen Patienten als informierten Manager<br />

seiner eigenen Gesundheit wahrzunehmen,<br />

die relevanten Informationen auszutauschen und<br />

gemeinsam über eine angemessene Behandlung zu<br />

diskutieren und zu entscheiden. Dazu gehört auch,<br />

die Patienten und ihre Angehören durch entsprechende<br />

Anleitung und patientenverständliche Informationen<br />

in die Lage zu versetzen, zu ihrer eigenen<br />

Sicherheit beitragen zu können, beispielsweise<br />

durch richtige Verhaltensweisen im Krankenhaus<br />

oder nach der Entlassung.<br />

In diesem Sinne sollte es das Ziel sein, den zukünftigen<br />

Ärztinnen und Ärzten bereits während des<br />

Studiums die notwendigen Kompetenzen mit auf<br />

den Weg zu geben, um sie auf die kommunikativen<br />

Herausforderungen des Arztberufes vorzubereiten.<br />

Ich begrüße daher ausdrücklich, dass sowohl der<br />

Masterplan Medizinstudium 2020 als auch die Empfehlungen<br />

der begleitenden Expertenkommission<br />

eine Weiterentwicklung patientenbezogener Unterrichtsformate,<br />

insbesondere eine stärkere Vermittlung<br />

der ärztlichen Gesprächsführung, empfehlen,<br />

um die Arzt-Patienten-Kommunikation weiter zu<br />

verbessern. Gute Anregungen dafür gibt es bereits:<br />

Die Universität zu Lübeck setzt zum Beispiel im Rahmen<br />

des Medizinstudiums einen Lehrschwerpunkt<br />

im Bereich Kommunikation, um den angehenden<br />

Ärztinnen und Ärzten die notwendigen Kompetenzen<br />

für eine optimale ärztliche Gesprächsführung<br />

zu vermitteln. Auch die Berliner Charité bietet den<br />

Medizinstudierenden das Erlernen der ärztlichen<br />

Gesprächsführung und den Umgang mit schwierigen<br />

Gesprächssituationen in einem Kleingruppenlehrformat<br />

„Kommunikation, Interaktion und<br />

Teamarbeit“ mit Hilfe von Schauspielpatienten und<br />

Rollenspielen an.<br />

Wenn die Patientensicherheit als eine gemeinsame<br />

Aufgabe verstanden werden soll, kommt selbstverständlich<br />

auch der Gesundheitspolitik bei der<br />

Förderung der Patientensicherheit eine besondere<br />

Verantwortung zu. Diese Verantwortung nimmt diese<br />

Bundesregierung ernst. Im Koalitionsvertrag wurde<br />

diese Priorität entsprechend festgehalten:<br />

„Das Patientenwohl ist für uns entscheidender<br />

Maßstab für gesundheitspolitische Entscheidungen,<br />

die Patientenorientierung ist unser Leitbild für<br />

das Gesundheitswesen.“<br />

In den ersten eineinhalb Jahren dieser Bundesregierung<br />

wurde eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt<br />

bzw. angestoßen, die Ausdruck dieser Prioritätensetzung<br />

sind. So hat beispielsweise Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn sofort nach Amtsantritt die<br />

Schirmherrschaft über das APS übernommen und<br />

damit ein deutliches Signal gesetzt. Ich möchte hier<br />

einige Maßnahmen beispielhaft herausgreifen, die<br />

zur Stärkung der Patientensicherheit beitragen werden.<br />

Zum 1. Januar <strong>2019</strong> wurden Pflegepersonaluntergrenzen<br />

für diejenigen Krankenhausbereiche eingeführt,<br />

in denen ein Zusammenhang zwischen<br />

der Pflegepersonalausstattung und dem Auftreten<br />

unerwünschter Ereignisse besonders ersichtlich ist.<br />

Krankenhäuser, die dagegen verstoßen, werden<br />

sanktioniert. Die Selbstverwaltung ist gesetzlich beauftragt,<br />

die Pflegepersonaluntergrenzen weiterzuentwickeln<br />

und auf weitere Bereiche auszuweiten.<br />

Im Juni dieses Jahres wurde das Gesetz für mehr Sicherheit<br />

in der Arzneimittelversorgung vom Deutschen<br />

Bundestag verabschiedet. Damit wird unter<br />

anderem das elektronische Rezept vorangetrieben.<br />

Sicherheitsvorgaben für die Qualität von Arzneimitteln<br />

sowie die Test- und Kontrollverfahren werden<br />

verbessert, Möglichkeiten für Regressansprüche<br />

erweitert. Ein weiterer Aspekt – von besonderer<br />

Bedeutung in einem globalisierten Markt – ist, dass<br />

mehr Anreize und Kontrollmöglichkeiten zugunsten<br />

hoher Qualität eingeführt und damit Sicherheitslücken<br />

geschlossen werden. Und dieses Gesetz<br />

ist nur ein Teil eines Pakets für mehr Arzneimittelsicherheit.<br />

Andere Elemente sind unter anderem ein<br />

obligatorischer Medikationsplan für alle gesetzlich<br />

versicherten Patientinnen und Patienten, die drei<br />

oder mehr verschreibungspflichtige Medikamente<br />

einnehmen, und zukünftig eine digitale Version dieses<br />

Medikationsplans.<br />

Mehr Patientensicherheit wird auch das neu zu errichtende<br />

Implantateregister bringen. Wir brauchen<br />

ein solches Register, um Transparenz über die Haltbarkeit,<br />

die Qualität der Produkte und den Versorgungprozess<br />

zu erhalten. Das wird – und davon bin<br />

ich auch als Ärztin überzeugt – die Sicherheit und<br />

Qualität der Implantate und damit auch der medizinischen<br />

Versorgung in den Kliniken verbessern. Das<br />

Register wird uns sagen, wie die Operationsergebnisse<br />

in der Praxis sind, und helfen, Mängel bei den<br />

Produkten oder in der Versorgung frühzeitiger zu<br />

erkennen und zu beseitigen.<br />

Als Patientenbeauftragte werbe ich für<br />

das Modell der partizipativen Entscheidungsfindung<br />

als Form der Kommunikation<br />

auf Augenhöhe zwischen Patient<br />

und Arzt...<br />

„<br />

“<br />

Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn<br />

angekündigte Diskussion über die Qualität im Gesundheitswesen,<br />

bei der auch die Fragen nach einer<br />

Mindestanzahl und Qualität bei bestimmten<br />

Operationen thematisiert werden soll, kann ebenfalls<br />

dazu beitragen, die Sicherheit und die Transparenz<br />

der stationären Versorgung im Sinne der Patientinnen<br />

und Patienten zu verbessern.<br />

Transparenz und Sichtbarkeit ist für die Förderung<br />

der Patientensicherheit elementar. Aus diesem<br />

Grund freue ich mich umso mehr, dass die Weltgesundheitsversammlung<br />

als Beschlussgremium der<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen<br />

hat, den 17. September – das Datum des 2015 vom<br />

APS mit den deutschsprachigen Partnerorganisationen<br />

ins Leben gerufenen Internationalen Tags der<br />

Patientensicherheit – nun auch zum jährlichen Welttag<br />

der Patientensicherheit zu ernennen. Alle Akteure<br />

im Gesundheitswesen sind aufgerufen, sich vor<br />

Ort mit eigenen Aktionen zur Patientensicherheit<br />

zu beteiligen. Der Welttag der Patientensicherheit<br />

soll allen ins Bewusstsein rufen, wie wichtig es ist,<br />

sich täglich für die sichere Versorgung der Patienten<br />

einzusetzen. Von diesem Welttag wird alljährlich<br />

ein starkes Signal ausgehen, dass das Besondere an<br />

Patientensicherheit deutlich macht: Sie betrifft alle<br />

Beschäftigten im Gesundheitswesen, alle Patienten,<br />

alle Staaten.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 52<br />

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<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT

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