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VKD-Praxisberichte 2019

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PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

„Dolmetscher der Seele“ - SIM im LVR<br />

Psychiatrische Versorgung unter Einsatz von<br />

Sprachmittler*innen<br />

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) setzt<br />

sich im Bereich der psychiatrischen Versorgung<br />

bereits seit fast zwei Jahrzehnten für die interkulturelle<br />

Öffnung seiner Regeldienste ein.<br />

Für psychisch erkrankte Migrant*innen, insbesondere<br />

traumatisierte Flüchtlinge, sind eine<br />

unzureichende sprachliche Verständigung und<br />

kulturelle Differenzen die größten Zugangsbarrieren<br />

zu einer bedarfsgerechten Behandlung<br />

und Unterstützung. Durch die Bereitstellung<br />

von Fördergeldern ermöglicht der LVR den Einsatz<br />

von Sprach- und Integrationsmittler*innen<br />

(SIM) in den LVR-Kliniken sowie den Sozialpsychiatrischen<br />

Zentren (SPZ) des Rheinlands.<br />

Im Bereich der psychiatrisch/ psychosomatisch/<br />

psychotherapeutischen Versorgung setzt sich der<br />

LVR bereits seit fast zwei Jahrzehnten für die interkulturelle<br />

Öffnung seiner Regeldienste ein. Bereits<br />

seit Anfang der 2000er Jahre wurde die bedarfsgerechte<br />

Versorgung psychisch erkrankter Menschen<br />

mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte als zentrales<br />

Thema definiert.<br />

Interkulturelle Öffnung im<br />

LVR-Klinikverbund<br />

Die interkulturelle Öffnung bzw. die Kultursensibilität<br />

von Gesundheitseinrichtungen zielt darauf ab,<br />

Menschen unabhängig von ihrer kulturellen oder<br />

religiösen Prägung und trotz bestehender Sprachbarrieren<br />

einen gleichberechtigten Zugang zu den<br />

Versorgungsleistungen der Regeldienste zu ermöglichen<br />

und für eine gleichwertige Qualität in<br />

Behandlung, Beratung und Betreuung zu sorgen<br />

(in Anlehnung an Erim 2009, vgl. auch Schröder &<br />

Joksimovic 2017).<br />

Um in den neun psychiatrischen Kliniken des LVR-<br />

Klinikverbunds (Bedburg-Hau, Bonn, Düren, Düsseldorf,<br />

Essen, Köln, Langenfeld, Mönchengladbach<br />

und Viersen) Zugangsbarrieren abzubauen,<br />

wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. In einem<br />

wesentlichen Schritt wurden 2006 - deutschlandweit<br />

bis heute einzigartig - in allen LVR-Kliniken<br />

Integrationsbeauftragte benannt, die den Prozess<br />

der interkulturellen Öffnung verantwortlich mitgestalten.<br />

Darüber hinaus stellt der LVR-Klinikverbund im<br />

Rahmen des langjährigen Förderprogramms zur<br />

„Verbesserung der migrantensensiblen psychiatrisch-psychotherapeutischen<br />

Versorgung“ für die<br />

Konzeptionalisierung und Umsetzung kultursensibler<br />

Maßnahmen im Bereich der LVR-Kliniken<br />

jährlich Haushaltsmittel zur Verfügung, so dass auf<br />

diese Weise ein Anreiz geschaffen wurde, zielgruppenspezifische<br />

Behandlungs- und Hilfsangebote zu<br />

entwickeln. Vor allem durch die Einrichtung spezieller<br />

Angebote, wie z. B. muttersprachliche Sprechstunden<br />

und inter-/transkulturelle Ambulanzen<br />

bzw. Migrantenambulanzen wird Patient*innen<br />

mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte seither<br />

der Zugang in die Regelversorgung der LVR-Kliniken<br />

erleichtert.<br />

Seit 2008 werden jährlich inhaltliche Themenschwerpunkte<br />

festgelegt, die durch das genannte<br />

Förderprogramm finanziell ausgestattet werden.<br />

Der Einsatz von SIM in den LVR-Kliniken als Möglichkeit<br />

zum Abbau von sprachlichen und kulturellen<br />

Barrieren wurde als ein zentraler Schwerpunkt<br />

bereits 2013 identifiziert und seither durchgehend<br />

gefördert.<br />

Das klinikübergreifend tätige LVR-Kompetenzzentrum<br />

Migration 1 unterstützt und begleitet die<br />

jeweiligen Schwerpunkte durch entsprechende<br />

Fortbildungen, Fachtagungen, Publikationen, Informationsmaterialen<br />

und Handlungshilfen sowie<br />

versorgungsbegleitende Forschungsprojekte und<br />

trägt zur Bewusstseinsbildung, zur Bündelung von<br />

Kompetenzen und zum Wissenstransfer im LVR-<br />

Klinikverbund bei.<br />

Die jährliche Festlegung der Förderschwerpunkte<br />

erfolgt durch die Koordinierungsgruppe des<br />

LVR-Kompetenzzentrums, angepasst an aktuelle<br />

Herausforderungen im Zusammenhang mit der<br />

Versorgung psychisch kranker Migrant*innen. Die<br />

Koordinierungsgruppe trifft sich in der Regel zweimal<br />

pro Jahr und besteht aus den Leiter*innen<br />

und Mitarbeitenden des Kompetenzzentrums, den<br />

Sprecher*innen der Integrationsbeauftragten sowie<br />

Vertreter*innen der LVR-Klinikverbundzentrale.<br />

Zugangsbarrieren in der<br />

Versorgung psychisch kranker<br />

Menschen mit Zuwanderungsund<br />

Fluchtgeschichte<br />

Migrant*innen weisen grundsätzlich höhere<br />

Prävalenzraten für psychische Erkrankungen<br />

auf. Aktuelle Studien<br />

(z. B. Bozorgmehr, Mosenpour et al. 2016;<br />

Schröder, Zok & Faulbaum 2018) zeigen<br />

zudem, dass Traumafolgestörungen bei<br />

geflüchteten Menschen im Vergleich zur einheimischen<br />

Bevölkerung wie auch zu sog. „freiwilligen“<br />

Migrant*innen verstärkt auftreten. Gerade die<br />

Versorgung psychisch kranker, oftmals<br />

traumatisierter Flüchtlinge stellt Einrichtungen<br />

der Regelversorgung vor<br />

besondere Herausforderungen, so<br />

auch die LVR-Kliniken.<br />

Von Seiten des Städte- und Gemeindebunds<br />

(StGB) Nordrhein-Westfalen<br />

sowie vom Deutschen Krankenhausinstitut<br />

(DKI) werden der Umgang mit traumatisierten<br />

Geflüchteten und ihre psychosoziale Betreuung<br />

zunehmend als ein dringliches Problem benannt<br />

(StGB NRW-Mitteilung 3 4/2018 vom 18.06.2018:<br />

„Hohe Belastung durch Flüchtlings-Integration“;<br />

DKI-Psychiatrie-Barometer 2017/2018).<br />

Neben den sprachlichen und kulturellen Differenzen<br />

als stärkste Zugangsbarrieren werden erhöhte<br />

Aufwände (z. B. zeitlicher Aufwand, finanzielle<br />

Mehrbelastungen, Überlastung bzw. stärkere Frequentierung<br />

der Psychiatrischen Instituts- oder<br />

Notfallambulanzen, bürokratisierte Prozesse bei der<br />

Zusammenarbeit mit Behörden sowie ein erhöhtes<br />

Belastungsniveau der Mitarbeitenden (u. a. stärkere<br />

psychische Belastungen) als die zentralen Herausforderungen<br />

beschrieben und - unter anderem - die<br />

Wichtigkeit des Einsatzes sowie die Finanzierung<br />

qualifizierter SIM bzw. Dolmetscher*innen betont.<br />

Einsatz von SIM in der psychiatrischen<br />

Behandlung<br />

Qualifikation von SIM<br />

Dolmetschen im psychiatrischen Versorgungskontext<br />

stellt aus unterschiedlichen Gründen eine Herausforderung<br />

dar. Um hier in den LVR-Kliniken eine<br />

Autorin<br />

Dipl.-Psych. Monika Schröder<br />

Landschaftsverband Rheinland<br />

(LVR) Dezernat 8 -Klinikverbund<br />

und Verbund der Heilpädagogischen<br />

Hilfen Fachbereich 84<br />

-Planung, Qualitäts-und Innovationsmanagement<br />

Abt. 84.20<br />

(Psychiatrische Versorgung)<br />

1<br />

https://klinikverbund.lvr.de/de/nav_main/frfachpublikum/lvr_kompetenzzentrum_migration/lvr_kompetenzzentrum_migration.html<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 74<br />

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<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT

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