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VKD-Praxisberichte 2019

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„ PATIENTENSICHERHEIT<br />

Man kann sagen, dass die „Aktion Saubere Hände“<br />

bei den Krankenhäusern inzwischen fast allein läuft.<br />

Große Defizite sehen wir allerdings in den ambulanten<br />

Bereichen, auf die wir uns daher jetzt deutlich stärker<br />

konzentrieren.<br />

“<br />

häusern wurden im vorigen Jahr freiwillig auf 1.907<br />

Stationen direkte Beobachtungen zur Umsetzung<br />

der Händedesinfektion im klinischen Alltag als Instrument<br />

zur Verbesserung der Patientensicherheit<br />

durchgeführt.<br />

Man kann sagen, dass die „Aktion Saubere Hände“<br />

bei den Krankenhäusern inzwischen fast allein<br />

läuft. Große Defizite sehen wir allerdings in den<br />

ambulanten Bereichen, auf die wir uns daher jetzt<br />

deutlich stärker konzentrieren.<br />

Immer neue Themen wurden dann angepackt.<br />

Gab es eine Vorstellung, einen Plan dafür, welche<br />

Themen in welcher Reihenfolge angegangen<br />

werden sollten?<br />

Hedwig François-Kettner: Was die Planung der<br />

einzelnen Themen betrifft, die wir intensiver bearbeiten,<br />

so reagieren wir hier intensiv vor allem auf<br />

Hinweise aus der Praxis und den Fachgesellschaften.<br />

Fast alle kommen also von außen und werden<br />

vor der Bearbeitung daraufhin geprüft, ob eine<br />

entsprechende Handlungsempfehlung der Patientensicherheit<br />

dient. Das ist die einzige Zielsetzung.<br />

Bei allen Handlungsempfehlungen prüfen wir die<br />

Relevanz, schauen, ob es Erfahrungswerte gibt,<br />

führen eine seriöse Literaturrecherche durch und<br />

legen Leitlinien zugrunde, wenn es diese gibt.<br />

Auch bei schwierigen Themen – zum Beispiel die<br />

Gruppe ambulant versorgter intensivpflichtiger Patienten<br />

betreffend – sind wir durchaus unerschrocken,<br />

wenn es der Patientensicherheit dient. Dafür<br />

muss eigentlich jedes Mittel recht sein. Wir unternehmen<br />

das, was andere nicht tun.<br />

Die derzeit insgesamt zehn interdisziplinären und<br />

multiprofessionellen Arbeits- und Expertengruppen<br />

unseres Vereins, an denen sich bis zu 250 ehrenamtliche<br />

Akteure beteiligen, beschäftigen sich<br />

mit einer ganzen Reihe von konkreten Projekten<br />

und beteiligen sich auch an Trainings, die wir anbieten.<br />

Sie arbeiten derzeit u.a. an den Themen<br />

Außerklinische Intensivversorgung (AIV), Arzneimitteltherapiesicherheit,<br />

CIRS im ambulanten Sektor,<br />

Digitalisierung und Patientensicherheit, Medizinprodukte<br />

assoziierte Risiken, Sepsis und weiteren.<br />

Das Spektrum ist weit gefächert.<br />

Die Arbeitsgruppen tagen regelmäßig. Ihre Ergebnisse<br />

werden in Form von Handlungsempfehlungen<br />

– das sind Anleitungen zur Umsetzung von<br />

Sicherheitsstrategien – und zusammen mit Begleitdokumenten<br />

wie Infoflyern und Hintergrundbroschüren,<br />

veröffentlicht. Hinzu kommen Patienteninformationen<br />

und weitere Publikationen, die den<br />

Einrichtungen im Gesundheitswesen, den Patienten<br />

und Angehörigen kostenlos zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

Woher kommt das Geld dafür – und für die Aktivitäten<br />

des APS?<br />

Hedwig François-Kettner: Das APS finanziert seine<br />

Projekte und Aktivitäten zu einem Drittel aus<br />

Mitgliedsbeiträgen, zu einem weiteren Drittel aus<br />

Spenden und zum letzten Drittel aus Projektfinanzierungen<br />

– insgesamt operiert das Aktionsbündnis<br />

vollständig unabhängig. Es gibt einen entsprechenden<br />

Leitfaden für die Arbeitsgruppen. Bei Veröffentlichungen<br />

erhalten wir Unterstützung. So hat das<br />

Bundesgesundheitsministerium die Handlungsempfehlungen<br />

der vergangenen Jahre in englische<br />

Sprache übersetzen lassen.<br />

Auch die Jahreskonferenzen des APS thematisierten<br />

immer ganz bestimmte Aspekte<br />

der Patientensicherheit. In diesem Jahr<br />

ging es aber nicht um ein solches Fachthema<br />

mit allen seinen Facetten, sondern um<br />

einen ganzheitlichen Ansatz. Es ging um<br />

„Sicherheitskultur auf allen Ebenen“. Aus<br />

der Erfahrung heraus, dass sich doch noch<br />

zu wenige Menschen im Gesundheitswesen<br />

mit dem Thema beschäftigen?<br />

Hedwig François-Kettner: Patientensicherheit<br />

muss Anliegen aller sein, muss im klinischen<br />

und pflegerischen Alltag zur Selbstverständlichkeit<br />

werden. Das beginnt natürlich<br />

schon beim Management. Ehrlich gesagt: Auch aus<br />

meiner eigenen Erfahrung heraus weiß ich, dass sie<br />

dort bereits vielfach nicht den Stellenwert hat, der<br />

ihr zukommen müsste. Es geht uns darum, alle Bereiche<br />

– ambulant wie stationär - einzubeziehen,<br />

also tatsächlich auch um eine prägende Kultur, der<br />

sich alle verpflichtet fühlen.<br />

Bisher haben wir in der Praxis eine separate Betrachtung<br />

der eigenen Handlungsfelder - auch in<br />

den Vorständen. Die Vielfalt muss bereits hier abgebildet<br />

werden, damit<br />

die verschiedenen Perspektiven<br />

eingebracht<br />

werden können.<br />

Wir haben vor allem erreicht, dass<br />

dieses wichtige Thema in allen Bereichen,<br />

in denen Patienten<br />

behandelt und versorgt werden,<br />

einen deutlich höheren Stellenwert<br />

erlangt hat.<br />

„<br />

“<br />

Was die Berufsgruppen<br />

betrifft, so agieren sie<br />

noch immer traditionell<br />

eher nebeneinander.<br />

Separiertes Lernen<br />

aber ist nicht sinnvoll – weder im Vorstand noch<br />

innerhalb der einzelnen Berufsfelder. Wir müssen<br />

die Bedeutung von Teamlernen verstehen, in das<br />

jeder seine Kompetenzen einbringt. Dafür gibt es<br />

bereits Modellprojekte, etwa in der Heidelberger<br />

Universitätsklinik.<br />

Das APS fordert zudem einen speziell für die Patientensicherheit<br />

Beauftragten. Wäre das nicht<br />

eigentlich die Aufgabe des Risikomanagers?<br />

Hedwig François-Ketter: Nein. Es geht hier darum,<br />

sämtliche Strukturen in die Betrachtung einzubeziehen.<br />

Patientensicherheit muss zur Chefsache<br />

werden. Daher muss dann auch die für Patientensicherheit<br />

verantwortliche Person im TOP-Management<br />

verankert sein. Sie hat die Aufgabe, Prozesse<br />

innerhalb des Unternehmens zu bewerten und<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

dafür zu sorgen, dass sie kontinuierlich im Sinne<br />

der Patientensicherheit verbessert werden sowie<br />

Transparenz nach innen und außen hergestellt<br />

wird. Eine komplexe Aufgabe also. Die Zahl der vermeidbaren<br />

Patientenschäden ist immer noch groß<br />

– trotz allen Engagements.<br />

Die Zahlen scheinen sich in den vergangenen<br />

Jahren tatsächlich nur wenig verändert zu haben.<br />

Rund 800.000 unerwünschte Ereignisse werden<br />

in jedem Jahr angenommen – wie kommt diese<br />

Zahl zustande – und welche Ereignisse stehen<br />

dabei an vorderer Stelle?<br />

Hedwig François-Kettner: Nach wie vor sind Infektionen,<br />

unerwünschte Arzneimittelereignisse,<br />

diagnostische Fehler, wie zu spät erkannte Sepsis,<br />

Dekubitus, Stürze, prioritär ursächlich. Infektionen<br />

insgesamt gehen nicht zurück, aber bei den Nosokomialen<br />

Infektionen erkennen wir eine durchaus<br />

erfreuliche Entwicklung – auch wenn es natürlich<br />

immer noch besser sein könnte.<br />

Die Validität internationaler und nationaler Studien<br />

sowie systematischer Reviews ist heute im<br />

Vergleich zu 2006/ 2008 gut. Serielle Untersuchungen<br />

in den Niederlanden<br />

wie auch geprüfte<br />

Interventionsstudien<br />

zeigen epidemiologische<br />

Ergebnisse, die für<br />

Deutschland als Näherung<br />

beschrieben werden.<br />

Danach liegen unerwünschte<br />

Ereignisse bei fünf bis zehn Prozent – das<br />

sind 400.000 bis 800.000 Fälle. Vermeidbar sind davon<br />

zwei bis vier Prozent, die Behandlungsfehler<br />

machen ein Prozent aus. Vermeidbare Todesfälle<br />

betrafen 20.000 Patienten oder 0,1 Prozent.<br />

Sehen Sie seit Gründung des APS in 2005 Veränderungen<br />

- nicht nur Aktionen in Kliniken und<br />

bei niedergelassenen Ärzten? Wo sehen Sie generell<br />

Verbesserungen?<br />

Hedwig François-Kettner: Wir erheben keine Zahlen.<br />

Daher sind Verbesserungen schwer nachweisbar.<br />

Erfreulicherweise erkennen wir bei den Krankenhäusern<br />

dennoch positive Entwicklungen. Eine<br />

aktuelle Evaluation unserer Handlungsempfehlungen<br />

dokumentiert hier durchaus Fortschritte. Von<br />

769 befragten Krankenhäusern gaben knapp 90<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 58<br />

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