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De_Bug (Germany) 055 2002-01

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labelüberblick

deutschland

[...] Andy Vaz neuestes Label ist so reduktionistisch, dass

sogar der Name weggelassen wurde. Auf der Suche nach dem

luftleeren Raum wird hier die reine Lehre des Minimalismus

durchdekliniert, als hätte es Studio 1 nie gegeben.

3B | Das deepeste der Label aus dem Pool rings um USM

und Out To Lunch von der Rand Posse. Vor allem die smoothen

rhythmisch-komplexen Housetracks von Marvin Dash

ragen heraus.

3D | Aus dem Umfeld von Choke und 440 Hz kommen

hier die minimalsten Tracks von Keinzweiter und Carsten

Fietz immer mit starker Bassdrum, aber voll auf dem minimalistischen

Effekttrip. Kubistisch und pumpend.

A touch of class | Verglichen mit seinen

streng konzeptuellen Geschwistern -- und Background ist

ATCein wahrer Reigen des Frohsinns. Rick Wade und Repeat

Orchestra testen, wie viele Pianoloops zwischen die Beats

passen.

Areal Records | M. Werschnik aka Konfekt

sowie M.Schwanen bestimmen den extrem klaren, leicht

dunklen, manchmal experimentell swingenden, aber immer

perfekt produzierten Sound dieses Kölner Minimal Labels.

www.areal-records.com

B Series | Die Offshoot Serie mit reduziertesten

Tracks auf dem Steve Bug (B) Camp. Toolhouse für minimale

Clubhouserocker. Konsens durch Reduktion.

Background | Kam wie aus dem Nichts und

brachte fast verschollene Helden wie Terrence Dixon mit

neuen Acts aus Deutschland und Kanada zusammen. Hier

wird Minimal mit großem M und Konzept mit drei K geschrieben.

Immer relevant, meistens orthodox.

Basalt | Holger Flinschs neues Label, der hier, neben

seinen Tracks auf Choke, Eruptive und 3D, die darkesten

Seiten seines eh schon konkret dunklen, statischen Minimalsounds

testet.

Below | Das Label von Bernd Maus aus Frankfurt vom

Freebase Plattenladen mit den ungewöhnlichsten, offensten

Housetracks, deren Minimalismus eigentlich eher wie zufällig

abfällt. Zu gut, um unerwähnt zu bleiben.

Boxer Sport | Einst Mehrwert hat sich das frisch

umbenannte Kölner Label der Nutronix Posse vor allem

durch seine Tracks von Frank Martiniq für minimale Folklore

stark gemacht.

Chain Reaction | Ein Klassiker der deepen

Dubhousewelten mit leichtem Hang zum Sequentiellen, aus

dem Hardwax- und dem Basic Channel Umfeld hervorgegangen.

Decore | Paul Davies, Dub Taylor und David Krasemann

geben dem noch frischen Label das Berliner Deephouseflair

mit diversen Dub- und Harmoniesprengseln.

Dial | Minimalhouse aus Hamburg mit Indievergangenheit.

Carsten Jost, Lawrence und Freunde werkeln trotz

Popappeal an der hedonismuskritischen, nonlinearen Minimalästhetik

in House, politische Paratexte inklusive.

Electro music department | Kotai,

Mo, El Puma und Daniel Pflumm gehören zum alten Berliner

Techno Adel und sind mit der Kunstszene, wie mit dem

Tresor unten. Konsequenter Versuch, Trance ohne Flächen

zu machen.

Episode | Von Franklin De Costa über die befreundeten

Raum Musik Acts bis hin zu Ricardo Villalobos und

Dandy Jack mit Fietz und Knobloch Guestappearance sammelt

Episode die Helden der Frankfurter Minimalszene mit

gelegentlich härterem, manchmal aber auch intensiv percussiv

deepem Flair.

Ernst | Thomas Brinkmann zwischen Dancefloor und

Konzept(-Kunst). Konsequente Reduktion und Konzentration

auf Sounds, die mit ihrem trocken-knarzigem Minimalismus

einen Trademarksound erschaffen haben.

Esel | Das sympathische Label von James DIN-A 4.

Entzückt mit allerlei minimalen Houseperlen und sonstigen

elektronischen Fusseleien von Indiegeschrammel bis Knisterelektronika.

Der undogmatisch hanseatische Blick auf Minimalhouse

und Elektronika.

Festplatten | Die Dispodancer Andi und Hannes

Teichmann nebst Gemeinschaftspraxis generieren auf

ihren Festplatten knackig-trockene Clubtracks, die zwischen

kleinteiligem Funk und Cut-Up Disco so ziemlich jeden minimaltechigen

Trick beherrschen.

der minimale Unterschied | köln

Rockende Romantik

Trapez/Traum

Jacqueline Klein und Riley Reinhold haben sich nach

einer Südamerikareise über ihre neuerwachte Musiksensibilität

glücklich erschrocken und sie in 2

Labeln sublimiert. Ambient muss nicht gasförmig,

aber die Party darf gern flächig, so in Trapez-Form,

sein. Mit Traum und Trapez dem musikalischen Alltag

entkommen, Stück für Stück.

text: sven von thülen | sven.vt@debugOS.de

Seit knapp drei Jahren arbeitet

das Kölner Label Traum mit einem

weitverzahnten Netzwerk

von Gleichgesinnten an der Melodienfindung

in minimalen

Soundwelten. Man könnte auch

sagen, Ambient mit anderen

Mitteln und einer Dancefloor-

Affinität, die sich dem Partyimperativ

verweigert und gleichzeitig

die Intensivierung der Aufmerksamkeit

einfordert.

In Köln sitzt man damit natürlich

am richtigen Ort, als

Schnittstelle, Basislager und Inspirationsarchiv

zwischen Minimaltechno,

Pop-Entwürfen und

einem nie geschwundenen Interesse

an Ambient (file under:

Gas, All, Dettinger oder eben

Pop-Ambient). Dabei haben es

Tracks wie Philippe Cams "LFO

Drive" (man könnte hier genauso

gut Jake Fairleys Projekt Fairmont

oder Process anführen)

mit seinen deepen Chords trotz

fehlender Bassdrum geschafft,

den Dancefloor zu erobern und

damit gleichzeitig Traum Schallplatten

an exponierte Stelle zwischen

Mainfloor und Lounge

katapultiert.

Im letzten Jahr kam dann mit

Trapez Label Nummer zwei hinzu,

das seinen Fokus eindeutiger

auf Euphoriemaximierung ausgerichtet

hat, dabei aber einen

verspielt feingliedrigen Dancefloor

im Sinn hat. Die Abfahrt

minus das rockistische Moment.

Ganz nebenbei hat man es geschafft,

mit Akufen einen der

Produzenten-Entdeckungen des

Jahres zu importieren.

Labelbetreiber Jaqueline Klein

und Riley Reinhold über Südamerikareisen,

musikalische Sensibilisierungen

und Textilien aller

Art.

DEBUG: Fangen wir mal mit dem

Naheliegendsten an: Was war der

Auslöser, ein Label zu starten?

Ich meine gehört zu haben, dass

eine Reise nach Südamerika ein

nicht unwesentlicher Grund

war.

RRR: Das stimmt. Das hört sich vielleicht

komisch an, aber das Goethe-Institut

war da ein wesentlicher Faktor.

Die haben uns damals nach Buenos Aires

eingeladen. Buenos Aires ist ja eine

Stadt, die ihren Höhepunkt schon lange

hinter sich hat. Ich denke mal in den

zwanziger Jahren war das schon ein

Vergnügungspunkt für Reiche. Seitdem

hat die Stadt aber kontinuierlich abgebaut.

Es herrscht dort eine sehr melancholische

Stimmung und wir haben dort

nicht nur deren Musik, sondern auch die

Musik, die wir aufgelegt haben, zum ersten

Mal mit anderen Ohren gehört. Das

Entscheidende war die Sensibilität, die

Wenn man immer nach dem Neuen sucht, übersieht

man eine Menge Dinge. Zum Beispiel bei

Traum.

wir dort erfahren und entdeckt haben.

Und das nicht nur von den Argentiniern,

sondern auch in uns selbst. Da habe ich

teilweise Tracks von Platten gespielt, die

ich sonst nie gespielt habe und die ich

dort dann komplett neu eutdeckt und ein

Gefühl dafür bekommen habe, was sie

eigentlich bedeuten könnten. Uns wurde

gesagt, dass wir die ersten waren, die es

geschafft haben, die argentinische Szene,

die wie wohl jede andere Szene aus vielen

unterschiedlichen Egos besteht, die

man normalerweise nie zusammen bekommt,

in ein Studio zu bekommen, um

zusammen Musik zu hören.

DEBUG: Das Ergebnis war dann

die erste CD: Elektronische Musik

aus Buenos Aires?

RRR: Ja. Jaqueline, die dann noch einmal

eingeladen wurde, und ich haben

uns da entschieden, dass wir das gerne

machen möchten. Dieser Musik ein Forum

bieten. Die hatte es ja eigentlich

noch nie aus Buenos Aires raus geschafft.

Freiraum schaffen

DEBUG: Gab es durch das Zusammentreffen

mit den Südamerikanern

bei euch so etwas wie eine

Neuorientierung, was Musik

angeht?

RRR: Nein, ich würde nicht von Neuorientierung

sprechen, sondern eher von

einer Neusensibilisierung. Verdecktes

wieder bloßlegen. Es schlafen halt viele

Dinge in dir selbst. Als DJ musst du den

Dancefloor rocken und darüber vergisst

du manche Sachen, die dich interessieren.

In Buenos Aires ist einfach was aufgemacht

worden. In Köln geht es halt

immer um die Wurst. Da gibt es - auch

rein geographisch - kaum einen Freiraum.

Mit dem Label wollten wir uns

diesen Freiraum schaffen.

Jaqueline: Der Name Traum bedeutet

schon, dass die Musik dort nicht nach

den Regeln des Alltags funktioniert. Für

die Gestaltung, die ich mit meiner

Schwester Yvettte mache, haben wir z.B.

Motive aus Märchen von überallher

verwendet. Alle Traumcover basieren

visuell auf Textilien. Das geht von Seide

über Wolle bis zu Strumpfhosen. Zum

Beispiel das Cover der ersten Philippe

Cam, das so aussieht wie ein Ausschnitt

aus der Sahara, ist eine Strumpfhose, die

in Falten liegt. Diese Rückkopplungen

mit Yvettes Visuals sind für das Labelkonzept

wichtig. Ästhetisch und optisch

muss das stimmen und das eine das andere

stützen.

DEBUG: Woran macht sich diese

Neusensibilisierung fest?

RRR: Früher als Rezensent bei Spex und

De:Bug ging es für mich immer um die

Suche nach dem neuen Sound. Das ist es

mit dem Label jetzt nicht mehr, dieses

verzweifelte Suchen. Natürlich sind wir

immer noch neugierig auf neue Dinge.

Aber auf Trapez kann einem durchaus

auch mal etwas begegnen, was alt ist und

was man sehr gut kennt. Traum ist für

mich ein wenig kunstvoller und romantischer.

Der Faktor des Unbekannten ist

bei Traum größer. Es gibt immer wieder

Leerstellen, die man für sich nicht auflösen

kann, wobei bei Trapez die Tracks

weniger über die Sounds, sondern über

die Arrangements funktionieren und ihre

Stärken haben.

Wenn man immer nach dem Neuen

sucht, übersieht man eine Menge Dinge.

Zum Beispiel bei Traum. Da könnte man

teilweise sagen: "Ja, das kenn ich, das ist

so ein Dub-Sound". Aber wenn man

dann hört, was für Mikromelodien zwischen

den Chords mitschwingen und

konträr etwas ganz anderes tun, dann

merkt man doch, was alles in den Tracks

drin steckt. Wenn man immer nach dem

Neuen sucht, kann es sein, dass man

nicht genug Aufmerksamkeit für die

Dinge, die da sind, übrig hat. Und nicht

genug Zeit einer Sache widmen kann.

Man fängt schon mit etwas Neuem an,

bevor man die andere Sache richtig abgeschlossen

hat.

DEBUG: Wo würdest du denn

Traum verorten?

RRR: Mir ist schon wichtig, dass auch

die Platten auf Traum für den Club sind.

Und nicht nur für die Lounge. Tobias

Thomas zum Beispiel schafft, es eine

Philippe Cam um drei Uhr zu spielen,

und es funktioniert. Traum-Platten sind

nicht Musik für jede Stunde am Tag.

Aber es ist auch nicht nur Musik für gewisse

Stunden (lacht). Es liegt irgend wo

dazwischen. Sagen wir, es ist Musik für

mehrere Stunden am Tag (lacht).

servicepoint

www.traumschallplatten.net

Traum-Diskographie, 12"es:

V1 Gustavo Lamas - Celeste

V2 Philippe Cam - Caddies Day

V3 Process - Integ

V5 Salz

V6 Philippe Cam - Karine

V7 Miss Dinky - Atacama

V8 Andreas Fragel - Conad

V9 Philippe Cam - LFO Drive

V10 Fairmont - Palace Pier

V11 Miss Dinky - Valparaiso

V12 Process - Horizon

V13 Anton Kubikov-

Music for Currydoors

V14 Fairmont - Mansfield

V15 Piiri - Rajoitousalve

V16 Miss Dinky - Amapola

V17 Philippe Cam - Canadians

V18 Process - Odd Angles

V19 Waki - July

CDs:

CD1 V.A. Elektr. Musik aus

Buenos Aires

CD2 Gustavo Lamas - Celeste

CD3 Philippe Cam - Balance

CD4 Process - Pattern Recognition

CD5 Miss Dinky - Melodias Venenosas

CD6 Waki - Music for lazy People

Trapez-Diskographie:

01 Multipliar - Deep Service EP

02 Lazyfish - Falling EP

03 Akufen - Psychometry Vol.1

04 Jacek Senkiewicz - Pocket Control EP

05 SCSI 9 - Silcome EP

06 Yura Moorush -

Moscow Berlin Cafe

07 Akufen - Psychometry Vol.2

08 Snookerboy - My lovely Pixel

09 Multipliar - Pixel Bells

10 Metropol - Mocho

11 M.Rahn - Loaster

12 Oliver Hacke

bald:

Traum V20 und CD7 V.A. Elektronische

Musik International

DEBUG: Trapez ist da dann schon

eindeutiger...

RRR: Trapez ist: die Nadel aufs Vinyl

und die Party beginnt. Das ist schon eindeutig.

Das soll aber auch so sein. So archetypisch.

Den Techno-Gedanken im

Stil verankert. Das ist bei Traum nicht

so. Da gibt es immer noch etwas Artifizielleres

und vielleicht auch Abstrakteres,

was aber eher in den Sounds als im Arrangement

liegt.

Jaqueline: Melodischer auf jeden

Fall. Übrigens finde ich nicht, dass

Traum artifiziell ist. Bei Traum geht es

auf jeden Fall um Melodien. Das bringt

auf gewisse Weise den Popaspekt mit.

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