De_Bug (Germany) 055 2002-01
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
reviews •••••ja •nein
[39] de:Bug : 055 | 0102
Compact Disc
Thomas Köner - Daikan
[Mille Plateaux/107]
Oh. Eine Aufführung, ein Stück. Auf
dem europäischen Media Art Festival in
Osnabrück aufgenommen und vorher
schon (Montreal) mit einem Preis
bedacht, erscheint nun hier eine knappe
Stunde digitaler Besinnlichkeit leicht
bedrohlichen Rauschens, wobei ich
zugeben muss, Rauschen prinzipell gut,
Bedrohliches prinzipiell blöd zu finden,
weshalb mir nicht viel anderes dazu einfällt,
als Unentschlossenheit zu bekunden.
Außerhalb der Referenz stellt man
sich mit sowas allerdings doch nicht,
dafür ist es viel zu eindeutig.
http://www.köner.de
bleed
•••
Jackmate – Ghetto Of My Mind
[Authentic Music]
Stellenweise wird Jackmate, ansonsten
ein sicherer Tip für knallige Minimalhouseravetracks,
auf diesem Album,
oder sei es eine Doppel EP, ganz schön
kryptisch in den Grooves aber anstatt das
irgendwie unmöglich aussehen zu lassen
verwandelt er auch noch den knuffigsten
Bassdrumdoppelshufflegroove in einen
Haufen sexy Knisterfunk. Und, damit
ihr nicht denkt hier wäre nur kopflastiges
für vielfüssler drauf, klar gibt’s den
ein oder anderen „fast“ klassichen Dubhouserocker.
Bleed
•••••
Splinter 4 [Paperrecordings]
Compilation-CD, die einen Überblick
über das mit Sicherheit merkwürdigste
Houselabel Englands gibt, das mit seinem
merkwürdigen Hangeln zwischen
Vocalhouse und Jazz-Epen nicht zuletzt
aufgrund der immer perfekten Produktionsweise
heraussticht, es aber auch
hierzulande mehr als schwer hat, überhaupt
wahrgenommen zu werden. Stellenweise
gnadenloser Kitsch, dann aber
auch wieder deep perkussiv jazzige Killer.
bleed
••-••••
Tim Hecker - Haunt Me
[Substractif / subsf03]
Herr Hecker, Kanadier, Mitbewohner
von Mitchell Akiyama und Freund der
ganzen großartigen Bande da drüben,
Herr Hecker also, der normalerweise
Jetone heißt und auf Force Inc. veröffentlicht,
killt mich hier komplett mit
einem Album schier unglaublicher Tiefe
und Größe. Kritzelige Soundscapes,
sehr modern und digital und doch
unglaublich warm und herzzerreißend.
Das ist nicht wirklich Ambient, auch
nicht wirklich Laptop-Geschredder,
Hecker greift einfach tief in die Sound-
Kiste, samplet sich durch alle kanadischen
Radios und schichtet Fläche um
Fläche und Knistern um Knistern übereinander,
erinnert sich dabei dann
sogar stellenweise an alte Indie-Harmonien,
arrangiert Samples völlig um,
beherrscht das Tape-Delay genauso wie
Granular-To-Go und kreiert eine Wärme
und Behaglichkeit, die Fernsehturmgröße
hat. Nie haben Clicks so
gestrahlt. Tim Hecker steckt alle in die
Tasche. Mit das Schönste dieses Jahr.
http://www.substractif.com
thaddi
•••••
alles in Bewegung setzt. Eins der Alben
des Jahres.
bleed
•••••
The Grace Period - Dynasty
[Audiodregs]
Chris Ott aus Boston, Sarah Owsley und
Julie Gedalecia bestehen drauf, dass die
Tracks für dieses Album hauptsächlich
gemacht wurden, als es draußen
geschneit hat. Und das klingt irgendwie
wahr. Die Stücke, deren elektronische
Wärme fast glüht, haben dieses sanft
Gedämpfte in der Stimmung, das der
Name der Band schon verspricht und
die Tracks mehr als halten. Einfache
Beats, leichte Melodien, klare aber sehr
ruhige warme Stimmungen, all das hat
man vielleicht schon oft gehört, wirkt
aber in den Zusammenhängen aus
Glück und Unbestimmtheit hier so
ultranett wie vielleicht noch bei Pilote
und Manitoba. Jeder der Loops (man
merkt eigentlich nicht daß sie mit Loops
arbeiten) ist so genau gewählt und so
smooth, jedes der Stimmfragmente
integriert sich so unglaublich leicht in
die angeschliffenen unwirklich harmonischen
Melodien, dass man sich am
liebsten sofort entschlossen für lange
Winter einpacken möchte und hinaus in
den Schnee. Brilliant.
http://www.audiodregs.com
http://www.thegraceperiod.com
bleed
•••••
Skansen Music
[Glasgow Underground]
Warum macht GU eine Mixcompilation
aus dem Stockholmer Skansen Club?
Nicht nur weil nur eine GU Platte beim
Mix ist, oder weil der erste Track gleich
ein gnadenlos gegniedeltes Saxophonsynthsolo
hat, nein, auch nicht weil ab
und an ein paar durchaus konsensfähige
Hits drauf sind wie Stargazer´s Deeper
im Freaks Mix, oder Aril Brikha (auf das
unverschämter Weise eine Tummy Tuch
folgt). Glaube die meisten Clubs, die ich
kenne, würden sowas nicht ertragen
können, einfach weil nichts zusammenpasst
und jeder zweite Track ein ganz
schlimmes Solo featured.
bleed
••
Tim Koch - Shorts In Alaska
[Defocus]
Wie ihr euch denken könnt, wird es
dann erst kalt, wenn es warm werden
kann. Sonst ist es einfach so. Das Album
von Tim Koch ist natürlich klimpernd
groovender breakiger Sound, der das
erfüllt, was man von Defocus erwarten
würde, aber ragt auch immer wieder
darüber hinaus, weil die Melodien überhaupt
nicht generic klingen, die Beats zu
präzise abgestimmt klingen und dem
Ganzen so etwas zugrundeliegt, wie der
Wille alles zusammenzukitten in dem
kleinen Kosmos aus Beats und Melodien
in den ab und an ein Schlaglicht von vergessener
Folkore fällt, von konkreter
Bestimmung von Musik aus Fetzen von
Land, Erinnerung und kaum wiederzuerkennenden
Erkennungsmelodien.
Wie zur Bestätigung, dass sich Koch
nicht festlegen lassen will, gibt es dann
skurrile unwillige breakende Ravetracks,
fast unheimliche verlassen wirkende
daran, dass es ja auch mal Clubs gab,
nicht nur Catwalks. Nett und gar nicht
so kitschig wie es sich anhört. Definitv
eine der sympathischsten Retro-Crossover-Compilation-CDs.
http://www.colette.fr
bleed
••••
If I Was Prince [RexRecords]
Eine Hommage an Prince mit einem
Roster an Acts, der einen bleich werden
lässt, selbst wenn man Prince immer
etwas schlapp fand, was hier wohl keiner
nachvollziehen kann, und mit einem
Coverdesign, das preisverdächtig wundervoll
Minipops mit Pixel-Eleganz und
Aquarell-Smoothness verbindet. Wen
haben wir? "7 Hurtz" mit Peaches und
Bitch Lap Lap, die einem erklären, wie
man Funkyness in den Tanz des Jahrhunderts
übersetzt, Fort Lauderdale die
"Annie Christian" in Slow-mo-slackersickness
transponieren bis einem Gitarrensoli
durch die Hirnwindungen flattern,
als hätte man dort oben einen
elektroakustischen Ambientchip für
Glücksgefühle aus Minneapolis, die
Op:l Bastards machen "If I Was Your
Girlfriend" zu einer Sehnsucht zwischen
Ecstasy, Heroin und hyperrealem Elektro-Humor,
Capitol K slamt aus der
Nachbargalaxie als das Ende von Breaks
herein, Hefner, Misty Dixon, Simian,
Blue States und ein paar andere rocken
das Ganze endgültig zu einem Monument
von bluesigem Neo-Elektro-Folk-
Skanfrom - Hand Picked Fragments
[Suction / 012]
Man stelle sich das mal vor: Da müssen
erst zwei Jungs aus Kanada kommen, um
Skanfrom davon zu überzeugen, dass es
langsam mal Zeit wird, seine ganzen Hits
der vergangenen Jahre endlich auf einer
CD zu kompilieren, mit ein paar neuen
Stücken anzureichern und endlich
berühmt zu werden. Danke, Suction,
gut gemacht. So bricht dann also das
elektropoppige Euphoriegewitter über
uns los und alle sind schon wild am Tanzen.
"Confused Machines", "CheckIn",
"Cashier"...20 Tracks, 20 Hits. "Hand
Picked Fragments" ist genau die CD, die
man sich immer selber zusammenstellen
wollte, aber doch nie die Zeit gefunden
hat. Mehr braucht und kann man da gar
nicht sagen. Ist eh zu laut und zu funky
gerade. Die LP-Version übrigens nur
mit nagelneuen Tracks.
http://www.suctionrecords.com
thaddi
•••••
Novatek - Exhibition
[Treibstoff]
Eine Sammlung der bisherigen 12"es des
Griechen mit neuen Tracks, die separat
als 12" veröffentlich werden und in dieser
Zusammenstellung noch einmal zeigen,
dass er einer der smoothesten Acts
ist, wenn es darum geht leichte groovende
Dubtracks zu machen, deren bestechende
Einfachheit irgendwie immer so
gut und schlicht umgesetzt werden, dass
Main / Antenna Farm - AF-M
[Brombrom/001]
Die Serie dieser aus der Bereitstellung
eines Studios in Njimwegen entstehenden
CDs auf Brombrom hatte für ihre
erste Nr. Robert Hampson (von Loop
und Godflesh) und David Howel und
Alastair Leslie von Antenna Farm eingeladen
und sie nach Sound-Sammlung
improvisieren lassen. Herauskommen
knisternde digital-strukturelle Schönheiten
an der Grenze zum Geräusch
alleingelassender DSPs, mit Einblicken
in die Eingeweide von Mikrophonen,
manchmal flirrendem Restgeräusch und
purem Knistern von Strom. glasfarbene
Klänge natürlich in brillianter zweidimensionaler
Origamiverpackung nebst
Wave-Bildchen.
bleed
••••
Baby Ford and the Ifach
Collective present -
Sacred Machine
[Klang]
Es mag merkwürdig klingen, aber eine
Baby Ford-CD habe ich mir schon
immer gewünscht. Einfach um herauszufinden,
was an seinem Sound nun so
tief in das Vinyl eingebrannt ist, dass
man es vom Medium nicht mehr unterscheiden
kann, und was von der 808
(ohne Frage eine der heiligsten Maschinen)
außerhalb der Rillen so als roher
Sound noch übrigbleibt an Groove und
unhinterfragbarer Dichte, was an
Nebengeräusch eigentlich noch hörbar
ist, denn Ford arbeitet ja nur zu gerne an
der Grenze des Elektronischen dort als
eine Art Acid-meets-Basic Channel (ja,
ich weiß, das klingt merkwürdig, aber ich
glaube dran) meets Funk-Maschine, die
oft irgendwo untergeht (schlechte Anlage,
ausgerinste Nadel, zu enge Pressung,
etc.) Also. Es ist alles wahr. Alles, was
man immer nur meinte, von Baby Ford
zu glauben, stimmt. Alles, was man
geahnt hat, ist richtig und hinter den
noch so kleinen Bewegungen von Sound
lauert eine tief dunkle Funkyness, die
ziemlich unschlagbar vor sich hinbrütet
und in einem großen tiefen Brummen
Fix – Flash
[International Deejay Gigolos]
Ach, Orlando, das waren noch Zeiten,
als die Boxen einen Sound pumpten
und die Kids, wir, wir alle, dazu nichts
anderes zu tun wussten als glauben. Und,
danke, Orlando, dass es diese Zeiten
nicht zuletzt wegen dieser Platte immer
noch gibt und vermutlich immer geben
wird. Einer der Monstertracks der ersten
Technotage damals auf KMS die Welt in
ein Trümmerfeld aus Chicagobeats und
rotzigen Chipblastern verwandelnd und
heute noch genauso frisch, weshalb nicht
nur Hell und Pascalidis die Platte wohl
nie aus ihrer Tasche nehemen würden.
Auf der Rückseite zwei Paralleluniversen
genannt Remixe von Savas Pascalidis
himself und Naughty, die dem ganzen
ein dezent anderes Flair geben, aber selber
schon wissen, dass da irgendwie nicht
ganz ranzukommen ist. Nah dran ist
aber auch schon genug.
Bleed
•••••
Tracks, die aus einer fremden Zeit hereinwehen
und dennoch bleibt alles bei
diesem merkwürdig leichten Picknick
Flair der die Musik zu jeder Zeit irgendwie
klingen lässt, als hätte man sich grade
eben auf den nettesten Sonntagnachmittag
seines Lebens eingelassen.
http://www.defocusrecords.co.uk
bleed
•••••
Colette No2 [Colette]
Colette ist das Pariser Designer-Kaufhaus,
das Mr. Flipflopflyin.com mit seiner
Ilovecolette-Webseite unsterblich
gemacht hat, und ein Sampler dafür
muss natürlich zeigen, was in Frankreich
an der Spitze von Design heutzutage als
musikalische Bebilderung verstanden
wird. Da trifft natürlich schwelgerischer
Retropop auf von Vive La Fete auf Clubglitz
von Housecat und Kitten, über
strange Orchester-Psychedelik auf dem
Ostblock, Bizzare Love Triangle im
Raveblaster-Remix muss dabei sein,
natürlich die Vorzeige-Powerbooker mit
Björk-fame, ihr wisst wer gemeint ist,
und vermutlich verstehen Matmos den
Hype, um sich selbst selber kaum noch,
und weiter geht's im bunten poppigen
Einverständnis von Queen of Japan über
Felix Kubin, von Tiga bis Console und
ab und an noch ein wenig Erinnerung
Funk den man gar nicht glaubt, und wir
fragen uns wo ist eigentlich Jamie Lidell
auf der Platte geblieben. Gross. Auch für
alle nicht Prince Fans. Großes Geschenk
obendrein.
bleed
•••••
Essa - Detritus [Repap]
Das Sublabel von Paper Recordings verspricht
auf dieser Platte merkwürdige
Träume zwischen Sadomaso, 70er
Retro, Post-Community-Slackertum
und Hipster-Wahnsinn, die sie tatsächlich
auf dem ersten Track erst mal mit
Bravour erfüllt. Jagende Kontrabässe,
strange Weltbeherrschungs-Phantasien,
obskure Sample-Ideologien und dennoch
bleibt alles sehr groovy und jazzig,
überladen und glücklich auf dem
Boden, funky selbstüberschätzt und total
überzogen funktional. Sehr merkwürdige
Tracks von Leuten die zuviele Blaxploitation-Filme
durch die Lavalampe
gesehen haben und dabei nicht mehr
wussten, ob das Knacksen der potatochips
nicht vielleicht die gluckernd den
Raum erfüllenden Drogen sind. Kann
man ja auch alles nicht so genau unterscheiden.
Zwischen Pathos und Größe
kann man ruhig mal etwas dicker auftragen.
bleed
••••-•••••
nicht nur die Floors glücklich sind, sondern
auch noch der Bogen zwischen den
oft etwas mythischen Dub-Stücken der
Minimalszene und dem poppigeren
knalligeren Aspekt von minimaler Musik
in der Nähe um Modernist sehr viel
mehr Übergänge zu bieten hat, als man
meist denken würde. Zurückhaltung
und Understatement pur, und gerade
das macht die Platte so gut und klar.
http://www.treibstoff.org
bleed
••••-•••••
Fat Jon The Ample Soul Physician
Wave Motion [Mush Recordings]
Mit Sicherheit eine der deepesten
HipHop-Instrumental Platten, die es
seit einiger Zeit gab, und dabei weder
darauf aus, viel an Hightech aufzuschaufeln,
noch ungewöhnlich instrumental
zu sein, sondern einfach mit dieser
bestimmenden Art zwischen fast housigen
Grooves mit dichten Sample-Loop-
Grooves und eingeworfenen Bruchstücken
aus erinnerten Sounds bis hin zu
astralem Jazz so gelassen vor sich hinbreakend,
dass sogar 4Hero ganz
schwindelig vor Augen werden dürfte so
dicht und deep ist das alles. Mythologisch,
astral und dennoch sehr down to
earth.
bleed
•••••