De_Bug (Germany) 055 2002-01
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labelüberblick
Kompakt | Der Dom unter den Kölner Minimallabeln.
Playground von Wolfgang Voigt, einem der Begründer
des Kölner Sounds und in letzter Zeit ständig mit Hits von
dezenten Retroan- bis Ambient-Klängen unterwegs auf
dem wohlfeilen Pfad der gepflegten Bassdrum mit reduziertem
Drumherum. www.kompakt-net.de
Konfekt | Auch dieses Label entstand aus dem
Raum…Musik Umfeld und teilt sich mit Decore und Raum,
3D und anderen einige der Acts. Klassische Dubhousetracks
mit Hang zum sequentiellen Ravetrack.
Konvex/Konkav | Das Hauslabel von Elting &
Lieb aka MRI aus Frankfurt, deren gelegentliche Exkursionen
in Neotrance immer wieder von guten soliden harmonischen
Dubreleases aufgefangen werden. Mainact neben
ihnen ist Codec aka Mathias Rahn. http://www.konvexkonkav.de
Laufwerk | Das noch recht neue Tom Clark Label
featured ihn in diversesten Konstellationen und Styles und
ging mit ihrem letzten Release von Gomera auch noch in
Richtung Neoretropop.
der minimale Unterschied | köln
strahlender zierfisch
SubStatic, label mit sonne
Nicht nur in ihrem Logo scheint die Sonne im Haus:
Legt man die Musik des Kölner Labels Substatic auf,
wird die Musik zur Tapete, das Zimmer knipst die
Heizung an und der Zierfisch wackelt mit dem Kopf.
Musikalische Arbeit in permanenter Minimalbewegung.
text: a. weskott & a. waltz | aljoscha & alexis@classlibrary.net
servicepoint
Lo-fi stereo | Der Stir 15 Ableger bietet Heimat
für Tracks, die nicht der reinen Deephouse Lehre des Mutterlabels
entsprechen. Heraus kommt ein charmanter Gemischtwarenladen,
der neben Stardubs Delay-Vermessungsstudien
und Pink Ellns Lateinamerika Exotismen allerhand
kleinteilig clickernde Merkwürdigkeiten im Programm
hat.
Oni.Tor | Das Stuttgarter Label mit Kölner Außenstelle
ist zwar kein reines Minimal Label, schenkte uns mit
Malte Tinnus, Joachim Spieth, Solovjev und Björn Stolpmann
Perlen jenseits der stilistischen Zuschreibbarkeit. Bei
Übersensibilisierung wird der Gehörgang dann mit noisigen
Distortionattacken wieder freigespühlt.
Perlon | Kann sich noch einer daran erinnern, wie
das Leben vor Perlon war? Sammy Dee, Zip und Markus
Nikolai verlieren auch bei mikroskopisch kleinteiligen Beats
und Pieces nicht den Sinn für den rechten Housevibe. Machen
darüber hinaus nicht nur tolle Parties, sondern auch die
besten Compilations weit und breit. www.perlon.com
Playhouse | Das Frankfurter Traditionslabel von
Heiko MSO, Ata und Jörn Wuttke spannt elegant den Bogen
von Deep- bis Minimalhouse, Songwritertum bis Kleinteilfunk
und ist zum großen Teil dafür verantwortlich, dass
House in Deutschland gleichzeitig als deep und minimal gedacht
werden kann. www.mad-net.de/playhouse
Plong! | Kleines, aber feines Kölner Label, das schon
Decomposed Subsonic und Lloyd Trotmann mit Hitplatten
für die Plattenspieler der Welt entließ. Ein Label, das sein
Ausrufezeichen verdient hat.
Pokerflat | Der Dandy, der in uns allen steckt,
wird von Steve Bug und seinen üblichen Verdächtigen musikalisch
ästhetisiert. Gut sitzender Minimalhouse zwischen
tiefergelegter Funkyness und Popappeal. Feieraffirmativer
wird Minimalhouse nie wieder.
Profan | Wolfgang Voigts Kölner Techno-Mutterschiff
aus dem weit verästelten Kompaktumfeld. Stilprägendes
Label voller minimaler Tracks mit Hitqualitäten (file
under Wassermann), um das es in letzter Zeit etwas ruhiger
geworden ist.
Punktmusik | Von den Acts her hat man immer
das Gefühl, hier die Posse der Frankfurter Inder zu finden.
Attila Jahanvash, Brian Sanhaji, Timlin aber auch Mügge
und Flinsch finden hier zu einer der klassischsten Formen minimaler
Housemusik für die Clubs.
Raum...Musik | Hallräume und Dubschleifen
werden im Hause Raum…Musik nach wie vor groß geschrieben.
Hier wird Dub in ätherischen, minimalen House
und Technotracks durchdekliniert. www.raummusik.de
Salo | Aus dem DNS-Recordstore in Berlin operierendes
Label, das die ergiebige Technoachse Berlin-Russland am
Schwingen hält. Minimalismus zwischen traditioneller
Technoästhetik, deeper clickernder Funkyness und dezenter
Ravekompatibiltät. Electronic Cosmetics.
Salz | Protodubpop der beiden Salzleute aus dem Formic-Umfeld,
zunächst mit leichten Anklängen an Burgerstyle
Minipopglitzerfunk, hinterher stärker auch Reggaeorientiert
und weiträumig hallend. www.salz-music.com
Schnittstelle | Peter Grummich, Thomas
Gwosdz und Nebojsa Popovic, quasi der komplette Nachschubrooster
für Kompakt veröffentlicht auf dem schönen
Label zwischen pumpenden Bassdrums Kölner Art und zarten
Houseperlen in Dub. www.schnitt-stelle.org
Das Technolabel Substatic: ein
Zierfisch zwischen Ikea und Habitat?
Da weicht unsere Solariumsbräune.
Schließlich treiben
Zierfische bei Nicht-Einhaltung
des PH-Werts in einem exakt
temperierten Wasser leblos an
der Oberfläche... Viel robuster
präsentiert sich da Substatic in
seinen feingliedrigen Technoschleifen.
Die elf bisher auf
Substatic erschienenen Platten
versuchen Unaufdringlichkeit als
Modus von Kommunikation zu
etablieren. Anders als Filter-
House, die Strokes oder gif-Animationen
springen diese Tracks
dich nicht an. Substatic beharren
auf die Effektivität herabgesetzter
Intensitätsgrade in den Austauschprotokollen
zwischen Körpern.
In Zeiten radikaler Low-
Attention-Span ist das Buhlen
um die totale Aufmerksamkeit
verlorene Liebesmüh. Für Substatic
ist Minimalismus keine Soundpolitik,
sondern ein mentaler
Zustand. Eher operiert man
auf der Ebene eines mitlaufenden
Fernsehers, der uns auf einer
anderen Ebene erreicht und
tatsächlich sowas produziert wie
einen raumerzeugenden Groove.
Das subversive Pop-Ereignis, der
rockistische Ausbruch und auch
die Abfahrt handeln von Überschreitung.
Ein emanzipatorisches
Selbstbewusstsein zu erlangen,
ist bei Substatic aber gar
nicht notwendig. Indem der
Subjekt-Komplex minimiert
wird, kann die Musik doch noch
raumerzeugend werden. Rocken
fetischisiert die Bewegung, Substatic
nehmen hingegen das Statische
als Gegenmodell auf. Die
musikalische Arbeit, die von Repair,
Michael Langois und den
Labelmachern M.I.A. und Falko
Brokensieper vollbracht wird,
besteht darin, doch für eine permanente
Minimalbewegung zu
sorgen. Es wäre also falsch, die
Nicht-Aggressivität sofort als
Freundlichkeit auszulegen. Es ist
mehr der Versuch, den Hörer/
Tänzer anderswo zu erwischen:
Erstmal muss die Musik Tapete
werden, um eine günstigere Angriffsposition
einzunehmen.
Substatic, ein strahlender Zierfisch
im rotgefärbten Rhein.
DEBUG: Euer Logo: Wie ist es
möglich, dass die Sonne im
Haus scheint?
MIA: Oder im Solarium...
FALKO: Am Anfang hatten wir ja eigentlich
gar kein richtiges Logo, sondern
nur diesen einfachen Schriftzug. Ein
Freund brachte dann jedoch die Kritik
an, dass die Leute was haben wollen,
was sie sich auf’s Mäppchen malen können.
Das hat einfach sonnenklar eingeleuchtet.
DEBUG: Geht es um die verborgene
Elastizität im Statischen?
Wann wird diese verwirkt?
MIA: Nein, um so was geht es uns musikalisch
gesehen nicht. Da hätte man
vielleicht so Tracks wie "Elektrostatik"
(von Plastikman) im Kopf. Das Statische
besteht bei uns wenn überhaupt
darin, dass unsere Musik meist nicht in
die fernste Zukunft oder Vergangenheit
blickt. Wir liefern Zitate des hier und
jetzt, und davon jede Menge.
DEBUG: Was wäre die Gefahr des
Statischen? Und warum nicht
eine Politik des Nicht-Statischen?
Nonstatic?
FALKO: Von mir aus. Wir sehen das,
was wir hier tun, auch eher undogmatisch.
Und das ist auch wichtig, um sich
nicht in etwas zu verrennen, was am Ende
wenig mit Clubmusik zu tun hat. Wir
haben bei Gründung von Substatic nicht
zuerst ein Manifest formuliert, dessen
Essenz sich nun in unserem Namen widerspiegelt.
Unser Name bedeutet einen
Scheiß. Unsere Philosophie lautet:
Schnauze halten, Platten rausbringen!
DEBUG: Warum muss so subtil
vorgegangen werden?
FALKO: Muss nicht. Aber es ist gut zu
wissen, dass es das auch noch gibt, bzw.
dass man selbst dazu beiträgt. Im Moment
wollen viele ja lieber Popstars sein.
Manche sind darin auch richtig gut, aber
es sollte nicht so weit kommen, dass man
nur noch schief angeguckt wird, wenn
man da nicht so richtig mitziehen mag.
DEBUG: Wenn Substatic ein Tier
wäre, welches wäre es?
FALKO: Ein Zierfisch.
DEBUG: Wenn Substatic ein Parfum
wäre, welches wäre es?
FALKO: White Musk.
DEBUG:
Wenn Substatic ein
http://www.substatic.de
erstmal muss die musik tapete werden.
Kaufhaus wäre, welches wäre es?
FALKO: Irgendwas zwischen Ikea und
Habitat.
DEBUG: Auf welchen Floor passen
Substatic Platten? Was antwortet
ihr auf den Vorwurf der
fehlenden Krassheit in euren
Tracks?
FALKO: Was nun krass ist oder nicht, ist
ja auch immer eine Frage der Perspektive.
Ist 80er denn wirklich sooo krass?
Oder Sägezahnbässe?
Wie auch immer, Substatic Platten sind
sicher nicht das, womit man jeden Floor
jederzeit zum Gröhlen bringt. Unsere
Platten sind eher das, was es braucht,
damit bei den krassen Tracks überhaupt
Anlass zum Gröhlen besteht. Andererseits
gibt es da doch schon ein paar Brüller
auf Sub Static. Aber das muss man
dann als DJ auch da rausholen wollen.
DEBUG: Gibt es durch das Performen
dieser elektronischen
Stile eine soziale Aussage bei
Substatic. bzw. worin könnte
diese liegen? Was außer Groove
und Beats fließt noch ein und
wird wichtig?
FALKO: Groove und Beats sind de facto
das Wichtigste für das, was wir tun, bzw.
von allen Strömungen, die mal nach hier
und mal nach dort gehen, wird es am
Ende das sein, was übrig bleibt. Es ist im
Grunde der Pfad, auf dem wir uns bewegen,
und den es gilt im Auge zu behalten.
Aber wir würden nicht so weit gehen,
dies als eine soziale Aussage zu bezeichnen,
es hat eher was mit Techno zu
tun.
DEBUG: Art de Cologne. Wie
schließt ihr euch daran an?
FALKO: Machen wir uns nichts vor:
Köln, und damit auch der Kompakt-
Vertrieb, sind hierzulande die beste Basis,
wenn man sich musikalisch etwas eigensinnig
und frei bewegen will. Wir sehen
uns zwar mit dem ur-Kölschen Minimalismus
nicht ganz so eng verwandt,
aber seit den ersten Stunden von Profan
& Co. hat sich in Köln ja auch einiges
getan. Köln ist einfach die Stadt, die immer
ohne Hall auf der Bassdrum auskommt,
und das ist uns wichtig.