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De_Bug (Germany) 055 2002-01

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[21] de:Bug 055 | 0102

servicepoint

jeden donnerstag ins substrat. so wie andere kegeln

gehen.

In dieser Stadt gibt es ganz offensichtlich

Raum zum Ausprobieren,

nicht nur in Clubs. Ohne Druck

und in einem bisher erwartungsfreien

Vakuum konnten sich die Zürcher

entwickeln. Ein Freiraum, den

man anderorts vermisst. "In Zürich

kann man seine Energien viel gebündelter

umsetzen als in den großen Metropolen.

Zürich ist klein, die Wege sind kurz. Und man

kann hier eben mit einem Nebenverdienst seinen

Lebensunterhalt finanzieren. Das schafft

Gestaltungsfreiräume. Das Kunstprodukt, das

aus dem Überlebenskampf entstanden ist, gibt

es in Zürich bestimmt nicht," erläutert der

Substratmacher den Hintergrund

der Produktivität seiner Stadt.

Real Virtuality

Seit Philipp Meier die Dancefloors

von Zürich betreten und somit mitgestaltet

hat, arbeitet er an den

Grenzen von Club- und Kunstraum

und allen anderen Spielflächen der

Gestaltung. Selbst DJ und Bildender

Künstler hat er der Clubkultur mit

seiner Metastrat-Kultur einen theoretischen

Überbau und dem Substrat

einen praktischen Nährboden bereitet.

Den Zürchern gab er vor allem

Raum und Kontinuität. Das Substrat

wurde rasch zum festen Ankerpunkt

im wankenden Zürcher Nachtleben,

eine Institution der Szene. "Substrat

war für mich auch als Besucher ein fester Bestandteil

meines Lebens. Ins Substrat ging ich,

wie andere Leute Donnerstags kegeln gehen,

egal was auf dem Programm stand. Es passierte

immer etwas anderes, immer etwas Spezielles.

Das hat mir nicht immer gefallen, aber

darum ging es im Substrat gar nicht," erklärt

Steinbrüchel. Das Substrat wollte nie

gefällig sein und hat vielleicht gerade

darum gefallen.

Philipp Meier bündelt in seinen ausgeklügelten

Konzepten, was sich vorher

in Ansätzen an verschiedenen

Stellen bereits andeutete: das Zusammenführen

vieler Teile zu einem

neuen Ganzen. "Innovation durch Irritation"

heißt einer der Substrat-

Claims und ist nun auch der Untertitel

der Compilation. Für die Musik

heißt das, dass hier auch solche Sounds

eine Plattform erhalten, die

nicht für die rhythmische Partybeschallung

taugen, denn das Substrat

war eine Lounge. "Die Lounge befreit den

Club vom Tanzzwang und den Musiker von

der Drummaschine," heißt es sinngemäß

in einem von Philipp Meiers Texten.

Aber auch Kunst, Mode, Design,

Performance und andere Gestaltungsarten

hielten unter der Fahne

des Substrat Einzug in den Club. Das

Zusammenführen der verschiedenen

Sparten der Kulturproduktion soll

die gegenseitige Befruchtung und

Ausweitung der einzelnen Disziplinen

ermöglichen. "Es ist die Aufgabe des

Klubs, alle Sinne zu befriedigen und aus der

bewussten oder unbewussten Wahl von Teilen

ein kurzzeitiges Ganzes zu schaffen," steht

an anderer Stelle des Textes. Im

Substrat geschah dieses durch die

nochalante Art des Gastgebers sicher

oft zufällig. Bei den bisher drei Substratos-Festivals,

dem 'Mikrofestival

der Klubkulturen', aber ging Philipp

Meier in seinem Inszenierungswillen

noch einen Schritt weiter. Dort lud

er neben Musikern und Bildgestaltern

auch Perfomancekünstler, Modelabels

und Textakrobaten zu einer

Inszenierung in den Club, der so für

eine Nacht zur betanzbaren Installation,

einer 'Real Virtuality' wurde.

Dann nämlich, wenn die Grenzen

zwischen Fiktion und Wirklichkeit

aufweichen und das 'kurzzeitige

Ganze' als sinnlich erlebbare Welt

entsteht.

Das Dazwischen

Nicht umsonst nennt sich Philipp

Meier selbstbewusst Klubkurator:

"Ich ging und gehe immer noch sehr gerne auf

Partys, aber ich habe auch eine Sehnsucht

nach mehr Inhalten. In den sogennanten

'Kunsträumen' hingegen fehlt mir oft das

Lustvolle. Ich selbst brauche beides und habe

beides gern. Ich will weder den Kunstraum

noch die Party demontieren. Mich interessiert,

was 'dazwischen' sein könnte." Das Substrat

und die Substratosfestivals bilden

ein solches 'Dazwischen'.

Mit seiner Offenheit und Vielfalt hat

Philipp Meier unter Beweis gestellt,

dass eine Clubnacht weit mehr sein

kann als eine durchtanzte Nacht.

Sein 'Manyfest zur aktuellen Kulturproduktion'

lässt uns auf weiteres

hoffen: "Vieles gibt es schon, das meiste

noch nicht, und weniges ist vollendet. Und dies

ist Zeitlebens so. Auf der Suche nach Antworten

und Lösungen erscheinen im Unmöglichen

die größten Möglichkeiten. Es geht dort weiter,

wo es nicht weiter zu gehen scheint."

Es geht weiter…

Das Substrat ist derzeit ohne Heimat.

Eine Wiedereröffnung in neuen

Räumen ist zum Ende des Jahres

zu erwarten mitsamt den dazugehörigen

Release-Partys zur Compilation.

Zur Überbrückung kann

man den CD-Player mit den Sounds

des Substrat füttern. Alle übrigen

Faktoren, die einen Abend zum Erlebnis

werden lassen, muss man solange

allerdings selbst beisteuern.

Service-point:

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labels:

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