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De_Bug (Germany) 055 2002-01

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japanspur

text: m.bunz | mrs.bunz@de-bug.de

roboter

Auf den Spuren eines Klischees:

Warum denkt man bei Robotern eigentlich

immer an Japan?

Stefan Biedermann, langjähriger Tokioter

und Autor diverser Japanbücher, klärt unsere

bange Frage auf, wie sehr wir unseren

Vorurteilen zu Japan ausgeliefert sind.

Oder haben japanische Altenheime wirklich

einen Batteriegodzilla im Foyer stehen?

DeBug: Welche Bedeutung haben Roboter

in Japan?

biedermann: Für die Autoindustrie sind sie das

Größte überhaupt. Für normale Leute sind sie eine

Investition, an der man vielleicht schon übernächstes

Jahr nicht mehr vorbei kommt. Jeder will einen kleinen

elektrischen Hund haben, aber erst, wenn die

Nachbarn auch einen haben. Tomoko hält die neuen

Robotertiere nur noch für "kawaii", was mit "süß,

noch nicht pink genug" übersetzt wäre.

DeBug: Wenn man an elektronischen Lifestyle

denkt, kommt einem sofort Japan in

den Sinn. Warum ist das Verhältnis der Japaner

zu elektronischen Gadgets eigentlich

so besonders? Und hat man in Japan eine

besondere Beziehung zur Zukunft?

biedermann: Japaner spielen gern, und sie haben

kein schlechtes Gewissen dabei. Die Pachinko-Industrie

setzt im Jahr mehr Geld um als die Auto-Industrie.

Neue Spielzeuge werden freudig begrüßt, eifrig

ausprobiert, mit Leidenschaft perfektioniert und

dann für noch neuere weggeschmissen. Spielen wird

schöner, wenn es von selber geht und bunter und lauter

und schneller. In Japan lebt man vorzugsweise in

der Gegenwart. Liegt es daran, dass man auf einem

Vulkan wohnt? Jeden Tag kann ein Geysir durchstoßen,

wo man heute noch seine Hütte hat. Jeden

Tag kann ein Erdbeben das Appartement zertrümmern.

Jeden Tag ein Taifun es hinwegfegen. Ein Erdrutsch

es mitnehmen. Soll heißen: Seit man auf diesen

Inseln wohnt, denkt man lieber an heute als an

morgen. Schließt aber nicht aus, dass man zum

Wahrsager geht, wenn man wissen will, wie es weitergeht.

DeBug: In Deutschland, naja, eigentlich in

der ganzen westlichen Welt, überfordert

man Technologie immer mit einem großen

Berg von Befürchtungen und/oder utopischen

Projektionen. Entweder machen die

Maschinen den Menschen bedrohliche

Konkurrenz oder sie zaubern alles zum

Guten. Wie ist die Einstellung in Japan?

Wovor hat man in Japan keine Angst und

warum nicht?

biedermann: In Japan verdrängen die Maschinen

den Menschen, machen ihm Konkurrenz und zaubern

alles zum Guten. Man hält sie für eine Naturerscheinung,

mit der man sich arrangiert. Wovor man in Japan

keine Angst hat, ist schwer zu sagen, weil man davor

ja keine Angst hat. In Japan hat man aber z.B. keine

Angst vor Betrunkenen. Oder vor Völlegefühl. Auch

nicht davor, in einer Talkshow neben einer Pornodarstellerin

zu sitzen. Auch nicht vor Gott.

DeBug: Eine Japan-Dokumentation erklärte

der DeBug neulich, dass auch Japan eine

Schrumpfung der einheimischen Bevölkerung

durch Geburtenrückgang erlebt, aber

im Gegensatz zu Deutschland, das jetzt doch

ein Einwanderungsland werden will, auf

Maschinen setzt statt Einwanderer. Zieht

man wirklich Maschinen gegenüber Migranten

vor, warum?

biedermann: Weil sie leichter japanisch lernen.

Jedenfalls wenn sie von Apple gebaut werden. Und

der Verfasser der angesprochenen Japan-Dokumentation

muss für seine These ausgepeitscht werden.

Neunschwänzig, auf die Fußsohlen. Für den Blödsinn.

Es kann laufen!

asimo

Nach den Tierrobotern für den Haushalt kommt

jetzt der menschliche Astronautenroboter für die

Empfangstreppe. Oberkörper gerade, Knie nach

vorn, und schon schreitet einem Hondas "Asimo"

zum Gruß entgegen.

text: A.Kreissl & d.kerber | alexakreissl@danielkerber.de

"AAAAshiiiiimoooooo", bewunderndes

A, hohes, lautes, zischendes

shi, abgerundet von einem

tiefen, stimmhaften mo.

Ein Name, bis in den letzten

Winkel Japans bekannt, der ein

verzücktes Lächeln auf alle Gesichter

zaubert, und die Abkürzung

für "Advanced Step in Innovative

Mobility". Ein Superstar

mit hochdotierten Werbeverträgen,

mit einem Tagessatz

von 16.000 Dollar und engem

Terminplan. Ein Roboter im

Kosmonautenanzug mit

menschlichen Zügen. Er begrüßt

vor einem Kaufhaus Kunden,

läßt sich bei Fototerminen fotografieren

und ist Hauptgast in

Höhepunkt seiner Show ist die

Treppennummer.

vielen Fersehshows. Deshalb

konnte Honda, die ihn entwickelt

haben, es sich auch leisten,

aus den vierzig Bewerbern,

die Interesse an Asimo bekundeten,

die drei wichtigsten mit einem

Jahresabo für 166.000

Dollar auszuwählen. Unter ihnen

"IBM", die ihn als Empfangsdame

in ihrer japanischen

Zentrale sitzen bzw. stehen haben.

Ex Machina in Köln

Berühren ist ganz wichtig und obwohl

Roboter immer noch alles

andere als warme, weiche Gefährten

sind, ist es an der Zeit, ihnen

in Wirklichkeit zu begegnen. Einige

Prototypen und Pionierleistungen

der Robotik sind ab Januar

im Kölner Museum für Angewandte

Kunst zu bewundern. Es

sind nicht nur die Aibos und Asimos,

sondern vor allem deren

Nicht auf der Leinwand, wie

"C3PO", dem "Star Wars" Charakter,

sondern im selben Realitätslevel

steht uns eine Maschine

gegenüber, die uns ähnlich

sieht und uns imitiert, zwei animierte

Beine, zwei Arme, Kopf

und Rumpf, mehr braucht es

nicht, eine Lawine an Sympathie

und Mitgefühl auszulösen. Das

Honda es geschafft hat, "Asimo"

von einem Riesenrucksack tragenden

2 Meter-Giganten, der

ersten Version "P3" auf niedliche

1.20 m zu schrumpfen, brachte

den emotionalen Durchbruch.

Begonnen hatte Honda bereits

1986 mit der Forschung, und

1996 folgte dann mit "P2" der

erste Prototyp, der im folgenden

Jahr gleich von "P3" abgelöst

wurde.

Höhepunkt seiner neuen Show

ist die Treppennummer. Treppen

sind in Japan Hauptbestandteil

der Infrastruktur, Rolltreppen

sucht man oft vergebens,

könnte unser Asimo also keine

Treppen benutzen, wäre er völlig

alltagsungeeignet und da wünschen

wir ihn ja hin, möglichst

Die Geschichte des Roboters

von 1950 bis heute

Vorfahren, die schon vor langer

Zeit begonnen haben, den Unterschied

zwischen Mensch und Maschine

zu verschieben. Aber nicht

nur die androiden Lebewesen

werden dort zu bestaunen sein, es

kommen historische und aktuelle

Objekte aus Industrie, Erkundung,

Überwachung, Unterhaltung

und Medizin vor. Gespannt

sind wir zudem auf die Form der

bald. Er kann, und wie, dank seiner

neuen "i-Walk" Technologie.

Ein kurzes Zögern am Absatz,

dann zügig nach unten, die

Schultern bleiben parallel zur

Treppe, der Abstieg wird aus der

Hüfte und den Knien heraus geleistet.

Kein Wunder, die allerersten

Prototypen bestanden ja

auch nur aus zwei Beinchen mit

einem Riesenkasten drauf. Der

Oberkörper kam erst viel später

und spielt für alle Laufbewegungen

keine Rolle, er bewegt sich

auch noch nicht auf und ab.Versuchen

wir es, Blick geradeaus,

Ärmchen hängen nach unten,

Knie leicht nach vorne, dann

Schultern und Hüfte auf einer

geraden Linie durch den Raum

projiziert und los geht’s in kleinen

Schrittchen. Vorwärts,

text: anne pascual | miu@de-bug.de

Ausstellung selbst, die von den

Künstlern Jorge Pardo und Pae

White aus Los Angeles gestaltet

wurde. Und für alle, die es nicht

nach Köln schaffen, gibt es einen

Katalog zur Ausstellung, der im

Hatje Cantz Verlag erscheint, mit

Essays aus den Bereichen Tech-

servicepoint

DIE DEUTSCHE WEBSITE

www.honda.de

DIE ENGLISCHEN INFOS

world.honda.com/ASIMO/

MEHR ZUM P3

www.honda-p3.com

Rückwärts, Vorwärts, dann:

gleichzeitig den Kopf drehen,

langsam einen Arm heben, winken,

auch mit beiden Armen,

Kopf drehen, dabei eine Kurve

laufen, Arme senken und energisch

wie ein Wanderer vor und

zurückbewegen, dabei immer im

gleichen Tempo leicht schwankend

laufen, denn der Schwerpunkt

muss ja immer über dem

Standbein sein, aber immer soft

und smooth, wie auf Wolken, mit

viel Eleganz. Wir sind Asimo,

Asimo ist wir. Wir sind ein Ding,

Asimo ist jemand. Jemand Sympathisch-Sinnloses

mit dem ultra-groovigen

Gang.

Verkaufen will Honda den "Asimo"

erst, wenn er seinen Besitzer

verstehen und somit auch so

praktische Dinge wie den Tisch

decken, Getränke kaufen oder

Platten auflegen kann. Vorläufig

muss man sich also mit Hunden

wie "Aibo" und Katzen wie "Necor"

vergnügen.

nikwissenschaft, Naturwissenschaft,

Philosophie, Psychologie,

Designtheorie und Kunstgeschichte,

u.a. von Susanne Anna,

Volker Albus, Norbert Bolz, Thomas

Christaller, Wolfram Heubach,

Karl-Friedrich Kraiss,

Horst W. Opaschowski und Oliver

Zybok.

MAK – Museum für Angewandte Kunst,

Köln. 15. Januar bis 14. April 2002

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