De_Bug (Germany) 055 2002-01
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
japanspur
text: m.bunz | mrs.bunz@de-bug.de
roboter
Auf den Spuren eines Klischees:
Warum denkt man bei Robotern eigentlich
immer an Japan?
Stefan Biedermann, langjähriger Tokioter
und Autor diverser Japanbücher, klärt unsere
bange Frage auf, wie sehr wir unseren
Vorurteilen zu Japan ausgeliefert sind.
Oder haben japanische Altenheime wirklich
einen Batteriegodzilla im Foyer stehen?
DeBug: Welche Bedeutung haben Roboter
in Japan?
biedermann: Für die Autoindustrie sind sie das
Größte überhaupt. Für normale Leute sind sie eine
Investition, an der man vielleicht schon übernächstes
Jahr nicht mehr vorbei kommt. Jeder will einen kleinen
elektrischen Hund haben, aber erst, wenn die
Nachbarn auch einen haben. Tomoko hält die neuen
Robotertiere nur noch für "kawaii", was mit "süß,
noch nicht pink genug" übersetzt wäre.
DeBug: Wenn man an elektronischen Lifestyle
denkt, kommt einem sofort Japan in
den Sinn. Warum ist das Verhältnis der Japaner
zu elektronischen Gadgets eigentlich
so besonders? Und hat man in Japan eine
besondere Beziehung zur Zukunft?
biedermann: Japaner spielen gern, und sie haben
kein schlechtes Gewissen dabei. Die Pachinko-Industrie
setzt im Jahr mehr Geld um als die Auto-Industrie.
Neue Spielzeuge werden freudig begrüßt, eifrig
ausprobiert, mit Leidenschaft perfektioniert und
dann für noch neuere weggeschmissen. Spielen wird
schöner, wenn es von selber geht und bunter und lauter
und schneller. In Japan lebt man vorzugsweise in
der Gegenwart. Liegt es daran, dass man auf einem
Vulkan wohnt? Jeden Tag kann ein Geysir durchstoßen,
wo man heute noch seine Hütte hat. Jeden
Tag kann ein Erdbeben das Appartement zertrümmern.
Jeden Tag ein Taifun es hinwegfegen. Ein Erdrutsch
es mitnehmen. Soll heißen: Seit man auf diesen
Inseln wohnt, denkt man lieber an heute als an
morgen. Schließt aber nicht aus, dass man zum
Wahrsager geht, wenn man wissen will, wie es weitergeht.
DeBug: In Deutschland, naja, eigentlich in
der ganzen westlichen Welt, überfordert
man Technologie immer mit einem großen
Berg von Befürchtungen und/oder utopischen
Projektionen. Entweder machen die
Maschinen den Menschen bedrohliche
Konkurrenz oder sie zaubern alles zum
Guten. Wie ist die Einstellung in Japan?
Wovor hat man in Japan keine Angst und
warum nicht?
biedermann: In Japan verdrängen die Maschinen
den Menschen, machen ihm Konkurrenz und zaubern
alles zum Guten. Man hält sie für eine Naturerscheinung,
mit der man sich arrangiert. Wovor man in Japan
keine Angst hat, ist schwer zu sagen, weil man davor
ja keine Angst hat. In Japan hat man aber z.B. keine
Angst vor Betrunkenen. Oder vor Völlegefühl. Auch
nicht davor, in einer Talkshow neben einer Pornodarstellerin
zu sitzen. Auch nicht vor Gott.
DeBug: Eine Japan-Dokumentation erklärte
der DeBug neulich, dass auch Japan eine
Schrumpfung der einheimischen Bevölkerung
durch Geburtenrückgang erlebt, aber
im Gegensatz zu Deutschland, das jetzt doch
ein Einwanderungsland werden will, auf
Maschinen setzt statt Einwanderer. Zieht
man wirklich Maschinen gegenüber Migranten
vor, warum?
biedermann: Weil sie leichter japanisch lernen.
Jedenfalls wenn sie von Apple gebaut werden. Und
der Verfasser der angesprochenen Japan-Dokumentation
muss für seine These ausgepeitscht werden.
Neunschwänzig, auf die Fußsohlen. Für den Blödsinn.
Es kann laufen!
asimo
Nach den Tierrobotern für den Haushalt kommt
jetzt der menschliche Astronautenroboter für die
Empfangstreppe. Oberkörper gerade, Knie nach
vorn, und schon schreitet einem Hondas "Asimo"
zum Gruß entgegen.
text: A.Kreissl & d.kerber | alexakreissl@danielkerber.de
"AAAAshiiiiimoooooo", bewunderndes
A, hohes, lautes, zischendes
shi, abgerundet von einem
tiefen, stimmhaften mo.
Ein Name, bis in den letzten
Winkel Japans bekannt, der ein
verzücktes Lächeln auf alle Gesichter
zaubert, und die Abkürzung
für "Advanced Step in Innovative
Mobility". Ein Superstar
mit hochdotierten Werbeverträgen,
mit einem Tagessatz
von 16.000 Dollar und engem
Terminplan. Ein Roboter im
Kosmonautenanzug mit
menschlichen Zügen. Er begrüßt
vor einem Kaufhaus Kunden,
läßt sich bei Fototerminen fotografieren
und ist Hauptgast in
Höhepunkt seiner Show ist die
Treppennummer.
vielen Fersehshows. Deshalb
konnte Honda, die ihn entwickelt
haben, es sich auch leisten,
aus den vierzig Bewerbern,
die Interesse an Asimo bekundeten,
die drei wichtigsten mit einem
Jahresabo für 166.000
Dollar auszuwählen. Unter ihnen
"IBM", die ihn als Empfangsdame
in ihrer japanischen
Zentrale sitzen bzw. stehen haben.
Ex Machina in Köln
Berühren ist ganz wichtig und obwohl
Roboter immer noch alles
andere als warme, weiche Gefährten
sind, ist es an der Zeit, ihnen
in Wirklichkeit zu begegnen. Einige
Prototypen und Pionierleistungen
der Robotik sind ab Januar
im Kölner Museum für Angewandte
Kunst zu bewundern. Es
sind nicht nur die Aibos und Asimos,
sondern vor allem deren
Nicht auf der Leinwand, wie
"C3PO", dem "Star Wars" Charakter,
sondern im selben Realitätslevel
steht uns eine Maschine
gegenüber, die uns ähnlich
sieht und uns imitiert, zwei animierte
Beine, zwei Arme, Kopf
und Rumpf, mehr braucht es
nicht, eine Lawine an Sympathie
und Mitgefühl auszulösen. Das
Honda es geschafft hat, "Asimo"
von einem Riesenrucksack tragenden
2 Meter-Giganten, der
ersten Version "P3" auf niedliche
1.20 m zu schrumpfen, brachte
den emotionalen Durchbruch.
Begonnen hatte Honda bereits
1986 mit der Forschung, und
1996 folgte dann mit "P2" der
erste Prototyp, der im folgenden
Jahr gleich von "P3" abgelöst
wurde.
Höhepunkt seiner neuen Show
ist die Treppennummer. Treppen
sind in Japan Hauptbestandteil
der Infrastruktur, Rolltreppen
sucht man oft vergebens,
könnte unser Asimo also keine
Treppen benutzen, wäre er völlig
alltagsungeeignet und da wünschen
wir ihn ja hin, möglichst
Die Geschichte des Roboters
von 1950 bis heute
Vorfahren, die schon vor langer
Zeit begonnen haben, den Unterschied
zwischen Mensch und Maschine
zu verschieben. Aber nicht
nur die androiden Lebewesen
werden dort zu bestaunen sein, es
kommen historische und aktuelle
Objekte aus Industrie, Erkundung,
Überwachung, Unterhaltung
und Medizin vor. Gespannt
sind wir zudem auf die Form der
bald. Er kann, und wie, dank seiner
neuen "i-Walk" Technologie.
Ein kurzes Zögern am Absatz,
dann zügig nach unten, die
Schultern bleiben parallel zur
Treppe, der Abstieg wird aus der
Hüfte und den Knien heraus geleistet.
Kein Wunder, die allerersten
Prototypen bestanden ja
auch nur aus zwei Beinchen mit
einem Riesenkasten drauf. Der
Oberkörper kam erst viel später
und spielt für alle Laufbewegungen
keine Rolle, er bewegt sich
auch noch nicht auf und ab.Versuchen
wir es, Blick geradeaus,
Ärmchen hängen nach unten,
Knie leicht nach vorne, dann
Schultern und Hüfte auf einer
geraden Linie durch den Raum
projiziert und los geht’s in kleinen
Schrittchen. Vorwärts,
text: anne pascual | miu@de-bug.de
Ausstellung selbst, die von den
Künstlern Jorge Pardo und Pae
White aus Los Angeles gestaltet
wurde. Und für alle, die es nicht
nach Köln schaffen, gibt es einen
Katalog zur Ausstellung, der im
Hatje Cantz Verlag erscheint, mit
Essays aus den Bereichen Tech-
servicepoint
DIE DEUTSCHE WEBSITE
www.honda.de
DIE ENGLISCHEN INFOS
world.honda.com/ASIMO/
MEHR ZUM P3
www.honda-p3.com
Rückwärts, Vorwärts, dann:
gleichzeitig den Kopf drehen,
langsam einen Arm heben, winken,
auch mit beiden Armen,
Kopf drehen, dabei eine Kurve
laufen, Arme senken und energisch
wie ein Wanderer vor und
zurückbewegen, dabei immer im
gleichen Tempo leicht schwankend
laufen, denn der Schwerpunkt
muss ja immer über dem
Standbein sein, aber immer soft
und smooth, wie auf Wolken, mit
viel Eleganz. Wir sind Asimo,
Asimo ist wir. Wir sind ein Ding,
Asimo ist jemand. Jemand Sympathisch-Sinnloses
mit dem ultra-groovigen
Gang.
Verkaufen will Honda den "Asimo"
erst, wenn er seinen Besitzer
verstehen und somit auch so
praktische Dinge wie den Tisch
decken, Getränke kaufen oder
Platten auflegen kann. Vorläufig
muss man sich also mit Hunden
wie "Aibo" und Katzen wie "Necor"
vergnügen.
nikwissenschaft, Naturwissenschaft,
Philosophie, Psychologie,
Designtheorie und Kunstgeschichte,
u.a. von Susanne Anna,
Volker Albus, Norbert Bolz, Thomas
Christaller, Wolfram Heubach,
Karl-Friedrich Kraiss,
Horst W. Opaschowski und Oliver
Zybok.
MAK – Museum für Angewandte Kunst,
Köln. 15. Januar bis 14. April 2002