SOM_3_2022
Arzneipflanzen, Funktionelle Störungen im Mund- und Kieferbereich, Antikörperfreisetzung, Mundgsundheit, Störfelder, Posturologie , Esskultur , Süßholz
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Wissenschaft
Diagnostik und Behandlung
funktioneller Störungen im
Mund-Kieferbereich
Bildquelle: ©Andrii Zastrozhnov-stock.adobe.com
Philip Eckardt
Was macht man, wenn ein Patient oder eine Patientin Beschwerden hat, aber kein eindeutiger Befund
vorliegt? Diese Frage stellen sich MedizinerInnen und TherapeutenInnen aus allen Disziplinen
täglich. Gerne kommt es dann zu einer Psychologisierung, d.h. wenn kein Befund vorliegt, dann muss
es wohl einen psychischen Grund für die Beschwerden geben. Während das durchaus der Fall sein
kann, wird man damit aber einer großen Anzahl an PatientInnen nicht gerecht. Der Begriff, der wohl
am ehesten die Lücke zwischen einem klaren klinischen Befund und einer psychischen Ursache
schließt, ist die funktionelle Störung.
Wirft man einen Blick in die S3-Leitlinien, wird dort beschrieben,
dass bis zu 50% Prozent der PatientInnen unter funktionellen
Störungen in der Hausarztpraxis leidet. Dabei sind in dieser
Beurteilung nur eine begrenzte Anzahl an Störungen berücksichtigt.
Immerhin wird in den S3-Leitlinien mittlerweile auch
von dem Begriff der Somatisierung Abstand genommen. Man
hat mittlerweile erkannt, dass möglicherweise das Nervensystem
eine Rolle spielen könnte, wenn auch die Beschreibung der
Pathogenese immer noch sehr allgemein und ungenau ist (6).
Lässt sich das nicht auf ein solides und klar anwendbares Fundament
der funktionellen Neurologie stellen, so dass keine veralteten
Erklärungsmodelle, wie jene aus der TCM herangezogen
werden müssen? Die klare Antwort ist ja, und wird im Verlauf
dieser Darstellung erklärt, am Beispiel von Beschwerden im
Mund-Kieferbereich.
Funktionelle Neurologie als Basis einer
funktionellen Medizin
Wenn man sich die Frage stellt, welches System im Körper für
die meisten Funktionen verantwortlich ist, dann kommt man
nicht um das Nervensystem und das Gehirn herum. Natürlich
gibt es auf zellulärer Ebene molekulare Mechanismen, welche
auch unabhängig von Nervensignalen funktionieren können,
aber auf globaler Ebene ist eine koordinierte Funktion des
menschlichen Organismus ohne das Nervensystem undenkbar.
Eigentlich ist das jedem in der Medizin Tätigen klar, schließlich
lernt man ja auch Hirnnerven mit lustigen Eselsbrücken auswendig,
um sie dann relativ schnell wieder zu vergessen und bei
der Therapie eher auf Gelenke Muskeln Faszien etc. einzugehen.
Woran liegt es dann, dass das Nervensystem in der funktionellen
Behandlung keine ausreichende Würdigung bekommt?
Die Antwort ist einfach: Es fehlt bisher an einem klaren und
anwendbaren Konzept.
Auf der Suche nach einem klaren Konzept habe ich mir alte Methoden
wie die TCM angeschaut, aber auch Fortbildungen manuelle
Medizin und Osteopathie absolviert, bis ich schließlich
2003 meine erste Berührung mit der funktionellen Neurologie
in Neuseeland bei Allan Phillips DO hatte. Mir war sofort klar,
dass diese Sichtweise das Fundament für eine funktionelle Medizin
sein muss.
Anwendung der funktionellen Neurologie
im Mund-Kieferbereich
Sobald man neurologisch denkt, denkt man auch systemisch.
Zum einen ist auch eine lokal begrenzte sensorische oder motorische
Funktion immer gekoppelt an zentrale Funktionen des
Nervensystems. Zum anderen kommt es über die starke Vernetzung
der Körpersysteme über das Nervensystem, zum Zwecke
der Koordination, aber auch einfach im Sinne der „zufälligen“
segmentalen Kopplung, zu vermeintlich lokalen Beschwerden
mit eigentlicher systemischer Problematik. Manchmal wirken
12 Systemische Orale Medizin · 10. Jahrgang 3/2022