SOM_3_2022
Arzneipflanzen, Funktionelle Störungen im Mund- und Kieferbereich, Antikörperfreisetzung, Mundgsundheit, Störfelder, Posturologie , Esskultur , Süßholz
Arzneipflanzen, Funktionelle Störungen im Mund- und Kieferbereich, Antikörperfreisetzung, Mundgsundheit, Störfelder, Posturologie , Esskultur , Süßholz
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Praxis
Auch die immunologische Abwehr von fremden Keimen und Entzündungen
beginnen mit dem Speichel: Lysozyme verhindern oder
beruhigen schleichende Entzündungsprozesse („Silent Inflammation“),
die für die Entstehung der Parodontitis aber auch von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine wesentliche Rolle mit-verantwortlich
zu machen sind.
Das sekretorische Immunglobulin A ist für die Schleimhautintegrität
und -Abwehr wersentlich. Wenn diese gestört ist, können
Bakterien, Viren oder auch unverdaute Nahrungsproteine in das
mucosalen Immunsystem und den Blutkreislauf eindringen und
vielfältige immunologische Abwehrreaktionen auslösen. Das sogenannte
„Leaky-Gut“ beginnt im Mund!
Darüber hinaus sezerniert der Speichel auch eine Fülle anderer
stoffwechselaktiver Proteine wie Lactoferrin zur Eisenresorption
und Haptocorrine, die zusammen mit dem Intrinsicfactor des Magens
für die Absorption von Vitamin B12 verantwortlich sind.
Die im Speichel gelöste Nahrung führt über die Geschmackssinneszellen
zur Ausschüttung von Neuropeptiden und Neurotransmittern,
insbesondere Serotonin, Dopamin und Gamma-Amino-Butter-Säure:
Das bedeutet: Kauen macht glücklich! und Kauen wirkt
dem Stress entgegen!
Doch Kauen und Schmecken, das Kosten, das intensive Geschmackserlebnis,
will wieder gelernt – und geübt werden. Nicht
immer ist „der Letzte bei Tisch“ auch ein guter Kauer! Nicht das
gelangweilte Zähne-Zusammenbeißen ist gemeint, sondern das
Durch-Speicheln, Aus-Kosten: ein intensiver Prozess.
Bei gestillten Säuglingen (nicht bei Flaschenkindern!) kann diese
physiologische „Zungen-Saug-Technik“ beobachtet werden: Flüssige
Nahrung wird im Mund fraktioniert, portionieren und durch
das Aussaugen der Speicheldrüsen mit dem Speichel im Verhältnis
1:1 vermischt. Dann erst gleitet dieser „Brei“ den Gaumen hinunter.
In den frühen zwanziger Jahren wurde das Kauen als „Fletschern“
(nach Horace Fletcher) populär: „... man ziehe den Geschmack,
der sich in der Nahrung befindet, aus ihr heraus und warte, bis
sie sozusagen von selbst verschluckt wird.“ Die Kau-Schulung
ist Grundbaustein jeder F.X.-Mayr-Kur und kann natürlich auch
in der zahnärztlichen Praxis gelehrt werden. Vielleicht haben Sie
selbst Lust, es auszuprobieren. 9 Tipps für Ihre PatientInnen finden
Sie auf Seite 33.
Autor
Dr. med.
Monika Pirlet-Gottwald
Waisenhausstraße 52a
80637 München
pirlet-gottwald@t-online.de
40 Systemische Orale Medizin · 10. Jahrgang 3/2022