SOM_3_2022
Arzneipflanzen, Funktionelle Störungen im Mund- und Kieferbereich, Antikörperfreisetzung, Mundgsundheit, Störfelder, Posturologie , Esskultur , Süßholz
Arzneipflanzen, Funktionelle Störungen im Mund- und Kieferbereich, Antikörperfreisetzung, Mundgsundheit, Störfelder, Posturologie , Esskultur , Süßholz
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Praxis
normal. Bei der osteopathischen Untersuchung fielen ein besonders
rechts stark angespannter m. trapezius und eine LWS-Skoliose
mit leichter Lordose auf. Das Becken war nach anterior
verschoben. Im Bereich des Cranio-Zervikalen Übergangs war
rechts eine stark druckdolente Stelle am Ansatz des m. trapezius
tastbar. Die Patientin berichtete, dass von dieser Stelle aus auch
die Migräneanfälle ausgingen.
Die Lösung dieses Falles habe ich Dr. Antonio Fimiani aus Neapel
zu verdanken, in dessen Seminar ich einen ähnlichen Fall erleben
durfte. Seither ist die posturologische Untersuchung aus meiner
Migräne-Ursachenanalyse nicht mehr wegzudenken. Um den Untersuchungsgang
zu verstehen, muss ich zunächst erklären:
Der Trigeminusnerv, ohne dessen Aktivierung kein Migräneanfall
möglich ist, ist gleichzeitig der posturale Nerv: Die Hautrezeption
und die Propriozeption der vorderen Hälfte des Kopfes, von Augen,
Mund, Zähnen, Zungenspitze und Zungenrand werden über die
Trigeminus-Kerne C1 und C2 auf Nackenmuskeln (m. rectus capitis
major und – minor, m. obliquus capitis superior und –inferior
und- lateralis) übertragen.
Der Trigeminusnerv reguliert das Gleichgewicht zwischen den Augen-
und den Kaumuskeln. Die Augenmuskeln steuern die Schädelachse,
die Kaumuskeln passen den Unterkiefer an die Schädelachse
an. Aus diesem Grund kann man sagen, dass ein Mensch, der seinen
Kopf nicht frei um ca. 90 Grad nach links und rechts drehen
kann, einen von den Augenmuskeln ausgehenden Muskelzug und
einen aktivierten Kaumuskel hat, die beide die Nackenmuskulatur
stören. So ist beispielsweise bekannt, dass jede Konvergenzstörung
und jede Heterophorie der Augen zu einer muskulären Asymetrie
im Zervikal- und Scapularbereich führt. Es muss daher zwangsläufig
auch zu einer Beeinflussung des Kauapparates kommen.
Dr. Antoniio Fimiani aus Neapel entdeckte, dass es 2 neuromuskuläre
Züge gibt, sogenannte Flaschenzüge und die sich von den
Augenmuskeln der einen Kopfseite über den Tractus Tectospinalis
auf die Nackenmuskeln, Rückenmuskeln und Beinmuskeln der anderen
Körperhälfte auswirken.
Der obere Flaschenzug beginnt mit den oberen Augenmuskeln:
Rectus superior, Obliquus superior, Rectus medialis, deren Aktivierung
zur Anspannung des Trapez-Muskels und /oder des Splenius
colli- Muskels der Gegenseite führt. Die Anspannung des rechten
Trapezmuskels führt dazu, dass die rechte Schulter angehoben wird
und der Kopf zur linken Seite geneigt wird.
Der untere Flaschenzug beginnt mit den unteren Augenmuskeln:
m.rectus inferior, m.obliquus inferior, und m. rectus lateralis und
führt zu einer Anspannung des m.sternocleidomastoideus auf der
Gegenseite.
Zusätzlich zu diesen beiden Spannungsketten wirken sich 3 Kaumuskeln
auf folgende Weise aus: Der m.dicastricus wirkt auf den
m.splenius cervicis derselben Körperhälfte und sein Hypertonus
bewirkt langfristig eine Skoliose der oberen BWS. Der m.splenius
cervicis hat seinen Ursprung an den Dornfortsätzen des 3.-6. Brustwirbels
und setzt an den Querfortsätzen der oberen 3 Halswirbel
an. Bei einseitiger Anspannung neigt und dreht er den Kopf zur
gleichen Seite oder, bei beidseitiger Anspannung wird der Kopf in
den Nacken gezogen und es kommt zu einer Streckung der Halswirbelsäule.
M. masseter und m. digastricus aktivieren den m. sternokleidomastoideus
derselben Köperhälfte, wodurch der Kopf auf derselben Seite
nach vorne gezogen wird.
Unsere Körperhaltung wird in den Basalganglien und andern Hirnregionen
(Kleinhirn, Thalamus, Colliculus superior, Nuclei vestibulare)
aus den Einflüssen von Augenmuskeln, Kaumuskeln und
Haut, (insbesondere der Haut der Fußsohlen) berechnet. So kann
beispielsweise ein kleiner Augenmuskel oder Kaumuskel eine ganze
myofasziale Kette (wie von Myers in seinem Buch „Anatomy-Trains
beschrieben) von Kopf bis Fuß anspannen und die Wirbelsäule in
eine Fehlhaltung und eine Skoliose ziehen. Dementsprechend sind
Fehlhaltungen und Skoliosen also die Folge von asymetrisch gespannten
Augenmuskeln, Kiefermuskeln und Fußmuskeln und lassen
sich auch über diese untersuchen und letztendlich auch kausal
behandeln.
Dr. med. Roland Pfeiffer
Systemische Orale Medizin · 10. Jahrgang 3/2022 33