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SOM_3_2022

Arzneipflanzen, Funktionelle Störungen im Mund- und Kieferbereich, Antikörperfreisetzung, Mundgsundheit, Störfelder, Posturologie , Esskultur , Süßholz

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Pflanzenportrait

Süßholz-Anbau in Deutschland

Anders als im Mittelalter, ist Deutschland

heute kein Anbaugebiet für Süßholz mehr

– mit einer bemerkenswerten Ausnahme:

In Bamberg betreibt die Bamberger Süßholz-Gesellschaft

Süßholzanbau, erntet die

Wurzeln und stellt in kleinen Mengen Süßholzprodukte

her – eine in Deutschland einmalige

Aktivität.

Der Verein beteiligt sich damit am innerstädtischen

Erwerbsgartenbau in Bamberg, der

inzwischen sogar in das Bundesverzeichnis

des immateriellen Kulturerbes aufgenommen

wurde.

Süßholz in Fertigpräparaten

Süßholz ist in verschiedenen Hustentees

(neben Thymian, Spitzwegerich, Fenchel,

Isländisch Moos, Eibisch) oder auch in

Iberogast® (neben Bitterer Schleifenblume,

Engelwurz, Kümmel, Kamille, Mariendistel,

Pfefferminze, Schöllkraut, Melisse) enthalten.

Nebenwirkungen

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung – so

auch bei Süßholz: Glycyrrhizin, das auch

dem enterohepatischen Kreislauf unterliegt,

verlangsamt in allen Dosierungen mittels

Hemmung zweier Enzyme den körpereigenen

Cortisolabbau. In sehr hohen Dosen

wirkt es auch direkt am Mineralocorticoidrezeptor.

Dies führt bei Menschen unter Langzeitgabe

zur Ausbildung eines Pseudohyperaldosteronismus

mit Ödembildung,

Bluthochdruck und Kaliumverlusten.

Die Hauptinhaltsstoffe von

Süßholz

Die Süßholzwurzel enthält über 400 Inhaltsstoffe.

Die pharmakologisch wichtigsten

sind:

• 2–15% Triterpensaponine wie Glycyrrhizin

(50-mal süßer als Rohrzucker)

und 18β-Glycyrrhetinsäure

• 10% Polysaccharide

• 0,65–2% Flavonoide, z. B. das Chalcon

Isoliquiritigenin, Isoliquiritin (gelbe

Wurzelfarbe), Licochalcon A und prenylierte

Isoflavone, z. B. Glabrin

• 0,04–0,06% ätherisches Öl, Cumarine

und Phytoöstrogene

Schon in der Antike

geschätzt

Erstmals schriftlich erwähnt wurde Süßholz

in einer mesopotamischen Schrift

um 1200 v. Chr. Die Skythen, Reiternomaden

der eurasischen Steppe, brachten

das Süßholz nach Griechenland. Theophrast

beschrieb die wasserretinierende

und durstlöschende Wirkung des Süßholzes,

die den Nomaden lange Wüstendurchquerungen

ermöglichte. Griechen

und Römer verwendeten Süßholz u.a. gegen

Nierenleiden und Blasenentzündung

sowie bei Fußschmerzen. Ein Mundwasser

aus Süßholz und Maulbeersaft half bei

Aphthen. Glycyrrhiza galt als allgemeines

Stärkungsmittel und als Gegenmittel gegen

unbekannte Gifte.

pflanze der Sage nach um 1000 n. Chr.

Damals schenkte die Heilige Kunigunde,

Gemahlin von Kaiser Heinrich II, sie ihrer

Lieblingsstadt Bamberg. Das Bamberger

Umland entwickelte sich daraufhin

zu einem bedeutenden Anbaugebiet und

wurde bekannt für seine aus eingedicktem

Süßholzsaft hergestellten Leckeritze

(1394) bzw. später Lakritze (1429).

Volksmedizinische Nutzung

des Süßholzes

Süßholz entfaltet seine Kräfte vor allem

dann, wenn der Körper geschwächt ist,

z.B. in einer Umbruchphase wie der Menopause,

in der Rekonvaleszenz oder unter

psychischem Druck. Es vermag Entzündungen

im ganzen Körper zu lindern,

wobei der Schwerpunkt im Atmungsund

Verdauungstrakt liegt.

Zahlreiche Husten- und Bronchialtees

sowie Lutschpastillen nutzen die sekretolytischen,

auswurffördernden und bei

Halsschmerzen entzündungshemmenden

Eigenschaften des Süßholzes. Es

schützt die Magenschleimhaut und wirkt

krampflösend bei nervösen oder chronischen

Gastritiden sowie Obstipationen

im Verdauungstrakt.

Süßholz gegen COVID-19?

Weitere volksheilkundliche Anwendung

findet Süßholz bei Entzündungen

In Versuchen mit einigen DNA- und RNA-Viren

zeigte sich, dass Glycyrrhetinsäure die

des Urogenitaltrakts, Rheuma, Arthritis,

Hautkrankheiten wie Psoriasis, bei

Virusanheftung und die Virusvermehrung

hemmt und zeitgleich die Produktion von

Epilepsie, zur Gedächtnisstärkung, bei

Interferon γ stimuliert. Dasselbe geschah Im antiken China gehörte Süßholz zu den Sexualschwäche und zur Förderung der

in Zellkulturen mit SARS-CoV-Erregern aus 120 Drogen 1. Klasse, die das menschliche

Milchbildung.

klinischen Isolaten von im Jahre 2003 Erkrankten.

Leben erhalten und dabei helfen, „alt

Somit rückten Süßholz und vor zu werden, ohne zu altern“.

allem seine Triterpenoide in den Fokus der

Pflanzenheilkundliche

aktuellen Forschung.

Hildegard von Bingen notierte im 12.Jh.,

Computergestützte Ergebnisse legen nahe, als die Süßholzwurzel bereits fester Bestandteil

Empfehlungen

dass Glycyrrhizinsäure die Anheftung von

der Kloster- und Kräutermedi-

Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimit-

SARS-CoV-2 erschwert und Glasperin A dessen

zin war: „Es ist gut für die klare Stimme, tel (HMPC) erachtet die traditionelle An-

Replikation in der Wirtszelle stört.

helle Augen und einen milden Sinn. Auch wendung bei dyspeptischen Beschwerzin

Darüber hinaus besitzt Süßholz einen modulierenden

dem Geisteskranken hilft es, weil es die den, Sodbrennen und als Expectorans bei

Effekt auf das Immunsystem, Wut, die in seinem Gehirn ist, auslöscht.“ erkältungsbedingtem Husten als sinnvoll,

indem es die Wirksamkeit körpereigenen Nach Deutschland kam die Süßholz- der Dachverband nationaler europäi-

Cortisols verstärkt, was sich bei COVID-19-Erkrankten

als hilfreich erwies.

44 Systemische Orale Medizin · 10. Jahrgang 3/2022

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