Diskurs 3/2022
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In der Sprechstunde am Diakonie Klinikum Jung-Stilling steht die Bandscheibe im Fokus. Das<br />
kinesiologische Taping ist mittlerweile ein etablierter Baustein in der Schmerztherapie.<br />
Diagnostik und Therapie<br />
In der Sprechstunde wird zunächst anhand<br />
der Symptomatik und der radiologischen<br />
Bilder evaluiert, welche Struktur<br />
für den Schmerz verantwortlich ist.<br />
Sind tatsächlich Nerven durch einen<br />
Bandscheibenvorfall oder eine knöcherne<br />
Engstelle eingeengt, besteht klassischerweise<br />
ein ausstrahlender Schmerz<br />
– je nach Lokalisation bis in die Extremitäten.<br />
Mediziner sprechen auch vom<br />
„Zahnschmerz im Arm oder Bein“, da<br />
sich der Charakter des Nervenschmerzes<br />
ähnelt. „In solchen Fällen kann eine<br />
Operation wirklich helfen“, führt Dr.<br />
Carolus aus. Dabei wird in der Regel die<br />
einengende Struktur beseitigt, sodass<br />
die Nervenverläufe frei sind. Auch wenn<br />
wirklich manifeste sensible oder motorische<br />
Ausfälle festgestellt werden, ist<br />
ein operatives Vorgehen indiziert. Ist<br />
die Wirbelsäule im betroffenen Bereich<br />
knöchern massiv verändert, sodass zum<br />
Beispiel ein Wirbelgleiten besteht, muss<br />
zusätzlich eine operative Stabilisierung<br />
mit einem Schrauben-Stab-System in<br />
Betracht gezogen werden.<br />
OP: Wenn die Schmerzen bleiben<br />
Auch nach einer Operation an der Wirbelsäule<br />
können noch Rückenschmerzen<br />
bestehen, wenn die Nervenreizung<br />
selbst abgeklungen ist. Professor Dr.<br />
Braun: „Vollständige Rückenschmerzfreiheit<br />
ist ein heroisches Ziel, das – um<br />
ehrlich zu sein – nicht immer erreicht<br />
werden kann. Dennoch gibt es mehrere<br />
Ansätze, um den Beschwerden gezielt<br />
entgegenzuwirken.“ Zum einen: Schonen<br />
ist Gift. Das gilt für jedes Alter. Ein sehr<br />
gezieltes und regelmäßiges Training der<br />
Rückenmuskulatur ist notwendig, um<br />
der Verkümmerung von Muskelgruppen<br />
entgegenzuwirken und Fehlhaltungen<br />
im Ansatz auszugleichen. Dafür eignen<br />
sich Übungen aus der medizinischen<br />
Trainingstherapie, mit oder ohne Geräte.<br />
Trainiert werden sollten der breite<br />
Rückenstrecker, die Gesäßmuskulatur<br />
und die schräge Bauchmuskulatur. Vor<br />
allem bei der Nackenmuskulatur müssen<br />
bestimmte Methoden erlernt werden,<br />
um diese bewusst anzusteuern und<br />
auch zu entspannen. „Zehn Minuten am<br />
Tag als aktive Trainingszeit sind ein<br />
guter Anfang“, sagt Dr. Carolus. Klassisches<br />
Beispiel für eine Fehlhaltung<br />
ist auch der häufige Rundrücken, der<br />
durch viel sitzende Tätigkeit und eine<br />
deutliche Mehrbelastung der vorderen<br />
Rumpfmuskeln bei gleichzeitig zu<br />
wenig Training der Rückenmuskulatur<br />
entsteht. Besondere Stretching-, Dehnund<br />
Haltungsübungen sollten hier in<br />
den Alltag eingebaut werden. Wer mehr<br />
machen möchte, kann sich über geeignete<br />
Sportarten gegen den Rundrücken,<br />
wie etwa Schwimmen, Yoga und Pilates<br />
beraten lassen. Nicht zuletzt hilft Gerätetraining<br />
auch bei der Verbesserung<br />
der Knochenstruktur.<br />
Die in Mode gekommene Faszienrolle<br />
und Anwendungen zur Mobilisation<br />
der Wirbelsäule haben additiv zu allen<br />
Arten von Training einen guten Effekt,<br />
da sie zusätzlich das Bindegewebe lockern<br />
und Blockaden an den Gelenken<br />
lösen. An dieser Stelle können erfahrende<br />
Physiotherapeuten unterstützen.<br />
Und es gilt auch: „Bis in den Schmerz<br />
hineingehen“, sind sich die beiden Mediziner<br />
einig.<br />
Hilfe duch „bunte Pflaster“<br />
Eine weitere Methode ist das kinesiologische<br />
Taping. Die aus Japan und<br />
Korea stammenden „bunten Pflaster“<br />
sind mittlerweile ein Baustein in der<br />
Schmerztherapie. Sie werden nach bestimmten<br />
Prinzipien und unter Berücksichtigung<br />
von Muskelsehnenverläufen<br />
und Schmerzpunkten aufgeklebt<br />
und wirken vermutlich über eine Aktivierung<br />
von Rezeptoren an der Haut.<br />
Auch thermische Anwendungen sind<br />
eine gute Ergänzung. Gegen muskuläre<br />
Verspannungen wird von vielen Betroffenen<br />
lokale Wärme als lindernd<br />
empfunden – etwa in Form von Bädern<br />
oder Kirschkernsäckchen. Im Fall akuter<br />
Reizzustände präfieren andere aber<br />
auch Kälte.<br />
Stefanie Brendebach<br />
Fazit<br />
Die Therapie am Rücken endet<br />
nicht mit einer OP. Die Sprechstunde<br />
am Siegener Diakonie Klinikum<br />
Jung-Stilling bietet den Patienten<br />
neben der Beratung zu sämtlichen<br />
Eingriffen auch weiterführende<br />
Möglichkeiten an. Eine Operation<br />
ist immer nur ein kleiner Baustein,<br />
ersetzt aber nie den ganzheitlichen<br />
Blick auf die Wirbelsäule. Das<br />
Ganze geschieht stets unter neurochirurgischer<br />
und sportmedizinischer<br />
Expertise.<br />
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