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Diskurs 3/2022

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Ethik<br />

Vom Willen des Patienten<br />

und der Pflicht des Arztes<br />

Patientenverfügung Zwei<br />

Experten beleuchteten im Diakonie<br />

Klinikum Jung-Stilling<br />

ethische und juristische<br />

Grauzonen im Umgang mit<br />

Patientenverfügungen – ein<br />

Thema, das im Krankenhaus-<br />

Alltag immer öfter aufschlägt.<br />

Schicksalsschläge wie Unfälle<br />

oder schwere Erkrankungen<br />

können jeden treffen. Für den<br />

Fall, dass es nicht mehr möglich<br />

ist, selbst über medizinische und pflegerische<br />

Maßnahmen zu entscheiden,<br />

kann eine Patientenverfügung sinnvoll<br />

sein. Doch nicht immer ist damit alles<br />

geklärt – vor allem, wenn der Patientenwille<br />

nur vage hinterlegt ist oder<br />

medizinisch sogar eine positive Prognose<br />

besteht. Mit dieser Problematik<br />

beschäftigte sich ein Vortragsseminar<br />

im voll besetzten Hörsaal des Siegener<br />

Diakonie Klinikums Jung-Stilling. Die<br />

Quintessenz: Der Wunsch des Betroffenen<br />

entbindet den Arzt keineswegs von<br />

seiner Verantwortung. Und aus Patientensicht<br />

ist es ratsam, eine Verfügung<br />

möglichst konkret zu formulieren und<br />

nach gewisser Zeit zu überarbeiten.<br />

Universität Siegen und bis 2021 Mitglied<br />

des Deutschen Ethikrats, sowie<br />

Dr. Wilhelm Wolf, Präsident des Staatsgerichtshofs<br />

Hessen sowie des Landgerichts<br />

Frankfurt.<br />

Ist im Zweifel der Wille des Patienten<br />

oder dessen Lebensschutz höher zu<br />

bewerten? Aus ethischer Sicht verdeutlichte<br />

Philosoph Gethmann, dass der<br />

Mediziner bei dieser Frage stets mit<br />

in der Verantwortung steht: „An der<br />

ärztlichen Abwägung führt kein Weg<br />

vorbei.“ Sobald eine Patientenverfügung<br />

vorliege, bestehe grundsätzlich<br />

erst einmal eine Verpflichtung, diese<br />

zu berücksichtigen. Allerdings gebe es<br />

An der ärztlichen Abwägung<br />

führt kein Weg vorbei.<br />

Prof. Dr. Carl-Friedrich-Gethmann<br />

Dozent für Medizinethik, Uni Siegen<br />

Einschränkungen. Als Beispiel nannte<br />

Gethmann eine Patientenverfügung,<br />

die bereits vor Jahren verfasst wurde<br />

– und damit in Unkenntnis zwischenzeitlicher<br />

Fortschritte in der Medizin.<br />

Auch könnten sich die Präferenzen des<br />

Patienten verändert haben, etwa durch<br />

das eigene Lebensalter oder den Tod<br />

des Lebenspartners. Bedenken könnten<br />

sich auch durch die Art, wie die Verfügung<br />

formuliert ist, ergeben, ebenso bei<br />

Zweifeln an der Entscheidungsfähigkeit<br />

des Patienten. Und auch die Prognostizierbarkeit<br />

des Therapieverlaufs könne<br />

bei der Frage, ob der Verfügung nachzukommen<br />

ist, eine Rolle spielen.<br />

Gethmann ging ferner auf die besondere<br />

Beziehung zwischen Arzt und Patient<br />

ein. Zwar seien die Zeiten vorbei, in denen<br />

der „Doktor“ bevormundend verordnete,<br />

was für den Erkrankten „gut<br />

ist“. Und natürlich habe der Patient das<br />

Recht, therapeutische Maßnahmen abzulehnen.<br />

Dennoch sei dessen Wunsch<br />

keinesfalls die letzte normative Instanz.<br />

„Dadurch würde der Sachverstand des<br />

Arztes komplett relativiert“, betonte<br />

Gethmann. Der Arzt indes stehe in der<br />

Pflicht, seinen Patienten in die bestmögliche<br />

Entscheidungsfähigkeit zu<br />

versetzen. Allerdings werde es immer<br />

Patientenverfügung: „Quasi-Verbot“<br />

für therapeutische Maßnahmen?<br />

Organisiert hatte die Fortbildung für<br />

Ärzte und Pflegekräfte Professor Dr.<br />

Veit Braun, Chefarzt der Neurochirurgie.<br />

Das Thema schlage im Klinikalltag<br />

immer häufiger auf und sorge gerade<br />

unter jüngeren Kollegen für Verunsicherung,<br />

erläuterte er einleitend. Bisweilen<br />

werde eine Patientenverfügung sogar<br />

als „Quasi-Verbot für therapeutische<br />

Maßnahmen“ erachtet – sei es von den<br />

Ärzten selbst oder auch von den Angehörigen.<br />

Aber ist das so? Um Licht<br />

ins Dunkel zu bringen, hatte Braun<br />

zwei hochkarätige Experten eingeladen:<br />

Professor Dr. Carl-Friedrich Gethmann,<br />

Dozent für Medizinethik an der<br />

Lebenswissenschaftlichen Fakultät der<br />

Im Nachgang an eine aufschlussreiche Veranstaltung zum Thema Patientenverfügung im Diakonie<br />

Klinikum Jung-Stilling bedankte sich Geschäftsführer Dr. Josef Rosenbauer (links) bei den<br />

Referenten Dr. Wilhelm Wolf (Mitte) und Professor Dr. Carl-Friedrich Gethmann.<br />

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