Illettrismus - ein Thema der Logopädie? - BSCW
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2 Ausgangssituation und Stand <strong>der</strong> Forschung<br />
2.1<br />
Ausgangssituation und Stand <strong>der</strong> Forschung<br />
Analphabetismus und <strong>Illettrismus</strong>: Begriffsklärungen und Definitionen<br />
In diesem Kapitel soll <strong>der</strong> Begriff <strong>Illettrismus</strong> genauer erläutert werden. Anhand neuerer<br />
Definitionen findet <strong>ein</strong>e klare Abgrenzung zu den Begriffen „Analphabetismus“ und<br />
„funktionaler Analphabetismus“ statt.<br />
Laut dem Schweizerischen Komitee zur Bekämpfung des <strong>Illettrismus</strong> (2005) ist <strong>Illettrismus</strong><br />
<strong>ein</strong> Phänomen, das in Industrielän<strong>der</strong>n auftritt und sich darin äussert, dass trotz Schulpflicht<br />
<strong>ein</strong>e gewisse Anzahl von Menschen über 16 nicht über jene Grundfertigkeiten im Umgang<br />
mit schriftlichen Informationen verfügt, die für die Lebensbewältigung in<br />
„Wissensgesellschaften“ von grosser Wichtigkeit sind.<br />
Der Begriff <strong>Illettrismus</strong> wird vor allem dadurch definiert, dass er sich von dem Begriff<br />
Analphabetismus abgrenzt. Um zu verdeutlichen, wo die Grenze zwischen <strong>Illettrismus</strong> und<br />
Analphabetismus verläuft, sollen vorerst die Begriffe Analphabetismus und funktionaler<br />
Analphabetismus genauer erläutert werden.<br />
2.1.1 Natürlicher o<strong>der</strong> primärer Analphabetismus<br />
Unter <strong>ein</strong>em Analphabeten versteht man <strong>ein</strong>e Person, welche nie lesen und schreiben<br />
gelernt hat. Die Person erhielt k<strong>ein</strong>e Schulbildung und kam deshalb auch nie mit <strong>der</strong><br />
Schriftsprache in Berührung. Wenn also k<strong>ein</strong>e Möglichkeit besteht, die Schriftsprache zu<br />
erlernen, wenn k<strong>ein</strong> o<strong>der</strong> k<strong>ein</strong> ausreichendes Schulangebot besteht, so spricht man von<br />
natürlichem, primärem o<strong>der</strong> auch totalem Analphabetismus. In Entwicklungslän<strong>der</strong>n ist dies<br />
oftmals <strong>der</strong> Fall (vgl. Kap. 2.6). Es gibt jedoch auch in den westlichen Industrienationen<br />
Personen, welche aufgrund ihrer körperlichen o<strong>der</strong> geistigen Voraussetzungen k<strong>ein</strong>e<br />
Schriftsprachkenntnisse erwerben konnten. So sind dies Menschen mit körperlicher o<strong>der</strong><br />
geistiger Behin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> ausländische Personen, welche in ihrem Heimatland k<strong>ein</strong>e<br />
Schulbildung erhalten haben (vgl. Döbert & Hubertus, 2000).<br />
Aufgrund <strong>der</strong> allgem<strong>ein</strong>en Schulpflicht in den westlichen, entwickelten Gesellschaften, kann<br />
davon ausgegangen werden, dass alle erwachsenen Menschen ohne gravierende körperliche<br />
o<strong>der</strong> geistige Be<strong>ein</strong>trächtigung, während ihres Lebens in irgend<strong>ein</strong>er Form mit Schrift in<br />
Kontakt getreten sind. Sobald dieser Kontakt besteht, spricht man nicht mehr von totalem,<br />
sprich primärem Analphabetismus. Hier grenzt sich <strong>der</strong> funktionale Analphabetismus<br />
deutlich von den an<strong>der</strong>en Arten des Analphabetismus ab.<br />
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