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Illettrismus - ein Thema der Logopädie? - BSCW

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Ausgangssituation und Stand <strong>der</strong> Forschung<br />

Die Chancen zum Erwerb von Lesekompetenzen sind von jeher sozial ungleich verteilt. Ob<br />

Heranwachsende zur Entwicklung ihrer Lesefähigkeit die geeignete „Hilfestellung von<br />

an<strong>der</strong>en Personen“ erfahren, ist von sozialen Ressourcen abhängig, die nach wie vor eng mit<br />

dem Faktor „Schicht“ zusammenhängen und <strong>ein</strong> ganzes Set von alltäglichen<br />

Bildungsbedingungen umfassen, die am besten mit dem Begriff des „kulturellen Milieus“ zu<br />

kennzeichnen sind (vgl. Hurrelmann, 2002).<br />

2.2.9 Soziale Einflussfaktoren auf den Erwerb von Lesekompetenz<br />

Der Erwerb <strong>der</strong> Lesekompetenzen ist abhängig davon, ob und inwiefern die<br />

soziokommunikative Umwelt die benötigten Fähigkeiten vermitteln kann. Die<br />

Lesesozialisation ist nicht nur Aufgabe <strong>der</strong> Bildungsinstitutionen und ist auch ohne<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Familie nicht zu bewerkstelligen. Betrachtet man den heutigen Stand <strong>der</strong><br />

Lesekompetenzforschung, so ist die Familie aus folgenden Gründen die wichtigste<br />

Vermittlerin von Lesekompetenz: Sie wirkt am frühesten und am nachhaltigsten auf die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Individuen <strong>ein</strong>, da ihre Einflüsse alltäglich und ungeplant sind. Ihr Einfluss<br />

beginnt noch vor dem eigentlichen Leselernprozess durch gem<strong>ein</strong>sames Lesen, Vorlesen,<br />

Bibliotheksbesuche, Gespräche über Gelesenes etc. Dieses Verhalten <strong>der</strong> Eltern för<strong>der</strong>t<br />

nachweislich Lesefreude, -dauer und -häufigkeit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Wenn Bildung, Bücher und<br />

Schreiben in <strong>der</strong> Familie k<strong>ein</strong>e o<strong>der</strong> nur <strong>ein</strong>e untergeordnete Rolle spielen, fehlt das<br />

elementare Modellverhalten <strong>der</strong> Eltern und die Kin<strong>der</strong> werden den Zugang zur Schrift nur<br />

bedingt ohne äussere Anregung finden (vgl. Hurrelmann, 2002; Döbert & Hubertus, 2000).<br />

Die Anregungen und Unterstützungen in <strong>der</strong> Familie unterscheiden sich nicht nur quantitativ<br />

son<strong>der</strong>n auch qualitativ. Der Schicht- und Bildungsfaktor spielt in empirischen Ergebnissen<br />

nach wie vor <strong>ein</strong>e wichtige Rolle. „Die Chancen zum Erwerb von Literalität sind in hohem<br />

Masse von kulturellen Ressourcen abhängig, die in den Familien schichtspezifisch ungleich<br />

verteilt sind“ (Hurrelmann, 2002, S. 139). Auch <strong>der</strong> Umgang mit den mo<strong>der</strong>nen<br />

audiovisuellen und Computermedien ist schichtabhängig. Laut Heidtmann zit. nach Döbert &<br />

Hubertus (2000) schauen überproportional viele Kin<strong>der</strong> aus Unterschichtfamilien mehr fern,<br />

als <strong>der</strong> Durchschnitt. Es ist jedoch nicht ausschlaggebend, ob Kin<strong>der</strong> in Familien aufwachsen,<br />

die Computer und Fernsehen grundsätzlich nutzen. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist,<br />

ob diese neuen Medien in <strong>der</strong> Familie die <strong>ein</strong>zigen Quellen <strong>der</strong> Unterhaltung sind, die Kin<strong>der</strong><br />

zur Verfügung stehen (vgl. Hurrelmann, 2002). „Wenn Kassettenrekor<strong>der</strong> und Fernseher<br />

dominieren und k<strong>ein</strong>e Lese-und Schreibvorbil<strong>der</strong> vorhanden sind, wissen die Kin<strong>der</strong> nicht,<br />

wofür man Lesen und Schreiben braucht. So sind sie auch nicht motiviert, es zu lernen“<br />

(Döbert & Hubertus, 2000, S.45).<br />

Die Schule kann im Idealfall da anknüpfen, wo die Eltern aufgehört haben und vermittelt die<br />

Kulturtechniken Lesen und Schreiben. Vom Lehren, vom Vermitteln von Fertigkeiten, muss<br />

zum Lernen übergegangen werden – <strong>ein</strong> Paradigmenwechsel ganz im Sinne des<br />

Spracherfahrungsansatzes. Dies ist <strong>ein</strong> Ansatz zur integrierten För<strong>der</strong>ung von laut- und<br />

schriftsprachlichen Fähigkeiten in <strong>der</strong> Schule, <strong>der</strong> im Rahmen <strong>ein</strong>es fächerübergreifenden,<br />

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