Illettrismus - ein Thema der Logopädie? - BSCW
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5.3<br />
Interpretation und Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
Konsequenzen und Schlussfolgerungen für die therapeutische Praxis<br />
Durch unsere Arbeit wollten wir aufzeigen, wie praktizierende Logopädinnen in <strong>der</strong> heutigen<br />
Zeit dem Phänomen <strong>Illettrismus</strong> begegnen. Unsere Annahme war, dass die Aussagen unserer<br />
Interviewpartnerinnen direkte Konsequenzen für die therapeutische Praxis aufzeigen<br />
würden, was sich auch bestätigte. Im vorangegangenen Kapitel zur Beantwortung <strong>der</strong><br />
Fragestellung liessen sich ideale von ungünstigen Voraussetzungen und positive Erfahrungen<br />
von Grenzerfahrungen trennen. Bei unseren persönlichen Folgerungen möchten wir die<br />
wichtigsten Ergebnisse, die aus <strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong> Fragestellung entstanden sind,<br />
nochmals zusammenfassen und Ansatzmöglichkeiten aufzeigen.<br />
Bei den idealen Voraussetzungen war ersichtlich, dass bei <strong>ein</strong>igen Logopädinnen <strong>ein</strong><br />
fundiertes Hintergrundwissen zur <strong>Thema</strong>tik des <strong>Illettrismus</strong> vorhanden ist. Auch hatten<br />
ver<strong>ein</strong>zelte Logopädinnen bereits Erfahrungen in <strong>der</strong> Arbeit und Therapie mit erwachsenen<br />
Illettristen sammeln können. Ein allgem<strong>ein</strong>es Interesse an <strong>der</strong> <strong>Thema</strong>tik war vorhanden,<br />
sowie Wissen um diagnostisches Vorgehen und relevante Therapieansätze und -inhalte.<br />
Viele <strong>der</strong> befragten Logopädinnen erklärten sich zur Interdisziplinarität mit an<strong>der</strong>en, aber<br />
auch zur Vernetzung mit <strong>der</strong> eigenen Berufsgruppe bereit und erkannten die<br />
Angehörigenarbeit als zentrales Element <strong>der</strong> therapeutischen Arbeit.<br />
Zu den ungünstigen Voraussetzungen gehörten die Unklarheiten bezüglich <strong>der</strong><br />
Begriffsdefinition und die fehlende Erfahrung in <strong>der</strong> Arbeit und Therapie mit erwachsenen<br />
Illettristen. Auch war <strong>ein</strong>e allgem<strong>ein</strong>e Unsicherheit in Diagnostik und Therapie festzustellen<br />
und es mangelte an Therapiematerial. Das Wissen um angrenzend beteiligte Berufsgruppen<br />
war teilweise undifferenziert.<br />
Als positive Erfahrungen sind hier die Vernetzung und <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch innerhalb<br />
<strong>der</strong> Berufsgruppe, sowie die hohe Motivation und Eigeninitiative <strong>der</strong> Betroffenen nochmals<br />
erwähnt. Auch wurde die Möglichkeit, dass bereits bestehendes Therapiematerial aus <strong>der</strong><br />
Aphasietherapie für die Therapie mit Illettristen übernommen werden kann, als positiv<br />
empfunden.<br />
Die Grenzerfahrungen sind teilweise deckungsgleich mit den ungünstigen Voraussetzungen<br />
o<strong>der</strong> sind aus diesen heraus erst entstanden. Wir stellten fest, dass auch hier die<br />
Unklarheiten bezüglich Diagnostik und Therapie dominierten. Wie<strong>der</strong> war <strong>der</strong> Mangel an<br />
Diagnostik- und Therapiematerial problematisch und deshalb <strong>der</strong> Aufklärungs- und<br />
Informationsbedarf sehr gross. Die fehlende Vernetzung und das „auf sich all<strong>ein</strong> gestellt<br />
s<strong>ein</strong>“ war <strong>ein</strong>e weitere Grenzerfahrung, sowie ungünstige gesellschaftliche<br />
Rahmenbedingungen wie Probleme mit <strong>der</strong> Finanzierung <strong>der</strong> Therapie, fehlendes<br />
Therapieangebot und fehlende Unterstützung des Umfeldes erschwerten die Umstände.<br />
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