Illettrismus - ein Thema der Logopädie? - BSCW
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Interpretation und Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
Zwar ist Wissen um angrenzende Berufsgruppen wie Ergotherapeuten, Psychotherapeuten,<br />
Schulpsychologen, Sozialarbeiter o<strong>der</strong> HNO-Ärzte vorhanden. Dass jedoch <strong>ein</strong> Angebot von<br />
Kursen für Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten besteht, ist den wenigsten<br />
bekannt. Auch besteht Unklarheit darüber, wo weitere Informationen zur <strong>Thema</strong>tik<br />
bezogen werden könnten.<br />
� Es muss <strong>ein</strong>e stärkere Vernetzung zwischen Therapeutinnen, Berufsverbänden und<br />
Fachstellen wie dem Dachverband Lesen und Schreiben o<strong>der</strong> das Netzwerk<br />
LesenLireLeggere entstehen. Auf beiden Seiten muss <strong>der</strong> Kontakt gesucht und geschaffen<br />
werden, damit <strong>ein</strong> Kompetenz- und Ressourcenaustausch stattfinden kann. Einige<br />
Logopädinnen erwähnten, dass sie ihre Informationen häufig aus dem Internet beziehen.<br />
Der Berufsverband <strong>der</strong> deutschschweizer Logopädinnen beispielsweise, verweist auf<br />
s<strong>ein</strong>er Homepage bereits heute auf den Dachverband Lesen und Schreiben. Dieser Link<br />
auf www.lesenundschreiben.ch ist jedoch <strong>ein</strong> Link unter vielen an<strong>der</strong>en und wird wohl<br />
von den wenigsten informationssuchenden Logopädinnen wahrgenommen. Ein Link<br />
reicht unserer M<strong>ein</strong>ung nach nicht aus, um Logopädinnen, die sich in ihrem Berufsalltag<br />
mit <strong>ein</strong>er Vielzahl von Informationen aus<strong>ein</strong>an<strong>der</strong>setzen müssen, auf das <strong>Thema</strong><br />
aufmerksam zu machen. Eine eigens erstellte Rubrik auf <strong>der</strong> Website würde<br />
wahrsch<strong>ein</strong>lich mehr Leser finden. Ziel wäre dann unter an<strong>der</strong>em, dass Logopädinnen<br />
Betroffene, denen sie aus Kapazitätsgründen k<strong>ein</strong>e Therapie mehr anbieten können, auf<br />
die Möglichkeit <strong>ein</strong>es Kursbesuches aufmerksam machen könnten.<br />
Viele Logopädinnen stellt die Finanzierung <strong>der</strong> Therapie vor <strong>ein</strong>e unüberwindbare Hürde.<br />
Besteht k<strong>ein</strong>e organische Ursache <strong>der</strong> Störung, so wie es in den meisten Fällen bei<br />
Erwachsenen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten <strong>der</strong> Fall ist, müssen die Betroffenen für<br />
die Kosten selbst aufkommen. Für die meisten Betroffenen ist dies jedoch aus finanziellen<br />
Gründen nicht möglich, weshalb die Therapie nicht durchgeführt werden kann. Auch<br />
werden die wenigsten Betroffenen in irgend<strong>ein</strong>er Weise von ihren Arbeitgebern<br />
unterstützt. Dies hängt womöglich auch damit zusammen, dass viele Betroffene Angst<br />
haben, ihre Schwierigkeiten offen zu legen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />
dominiert die Angst um den Arbeitsplatz, vor allem auch bei Menschen im<br />
Niedriglohnbereich.<br />
� Wie bereits in Kapitel 2.7 beschrieben, muss <strong>ein</strong>e Sensibilisierung <strong>der</strong> <strong>Thema</strong>tik in Form<br />
von Aufklärungskampagnen und Informationsveranstaltungen erfolgen. Arbeitgeber<br />
müssen über die Problematik ihrer Arbeitnehmer informiert und überzeugt werden, dass<br />
sich <strong>ein</strong>e Investition in die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Grundkompetenzen lohnt. Betroffene selbst,<br />
aber auch <strong>der</strong>en Bezugspersonen und Angehörige sollten über die Möglichkeit <strong>ein</strong>er<br />
Therapie und / o<strong>der</strong> <strong>ein</strong>es Kursbesuches informiert s<strong>ein</strong>. <strong>Illettrismus</strong> muss öffentlich<br />
thematisiert und enttabuisiert werden; auch politisch gilt es das <strong>Thema</strong> ernst zu nehmen<br />
und (finanzielle) Mittel zu schaffen, um die Betroffenen zu unterstützen.<br />
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