Illettrismus - ein Thema der Logopädie? - BSCW
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Ausgangssituation und Stand <strong>der</strong> Forschung<br />
� Phonologische Bewusstheit<br />
Es steht ausser Frage, dass beim Lesen- und Schreibenlernen auf auditive, visuelle,<br />
motorische und sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten zurückgegriffen werden muss. Die<br />
neuere Forschung identifizierte nun <strong>ein</strong> weit spezifischeres Vorläufermerkmal, das für den<br />
Erfolg <strong>ein</strong>es Kindes beim Schriftspracherwerb von spezifischer Relevanz ist und sich<br />
offensichtlich schon im Vorschulalter ausbildet (vgl. Schnei<strong>der</strong>, 2004). Gem<strong>ein</strong>t ist die<br />
phonologische Bewusstheit, welche die Fähigkeit beschreibt, die <strong>ein</strong>zelnen Segmente <strong>der</strong><br />
Sprache zu erkennen und wahrzunehmen (vgl. Klicpera, Schabmann und Gasteiger-Klicpera,<br />
2007). Für den geübten erwachsenen Leser ist meist klar, dass Wörter in Silben und <strong>ein</strong>zelne<br />
Phoneme zerglie<strong>der</strong>t werden können und Phoneme mit bestimmten Graphemen<br />
korrespondieren und beispielsweise nach diesen kategorisiert werden können. Gerade für<br />
beginnende Leser ist jedoch diese Einsicht nicht selbstverständlich. Die Phonologische<br />
Bewusstheit ist denn auch k<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>dimensionales Konstrukt, son<strong>der</strong>n besteht aus vielen<br />
Teilfertigkeiten, welche im Laufe <strong>der</strong> Entwicklung herausgebildet werden müssen (Klicpera<br />
et al., 2007). Eine wesentliche Rolle für das Ausbilden <strong>ein</strong>er adäquaten phonologischen<br />
Bewusstheit spielt die Regelmässigkeit des jeweiligen Schriftsystems. „Es konnte gezeigt<br />
werden, dass sich Kin<strong>der</strong> im deutschen Sprachraum frühzeitig bemühen Wörter<br />
entsprechend <strong>der</strong> im Leseunterricht vermittelten Kenntnisse <strong>der</strong> Graphem-Phonem-<br />
Zuordnung zu erlesen“ (Wimmer/Hummer zit. nach Klicpera et al., 2007, S.22). Wenn <strong>der</strong><br />
Erstleseunterricht die Buchstaben-Laut-Zuordnungen beson<strong>der</strong>s stark hervorhebt, so fällt es<br />
den Kin<strong>der</strong>n wesentlich leichter, schon früh in ihrem Lesen die vorherrschenden Regeln zu<br />
nützen. Denn in <strong>der</strong> Aus<strong>ein</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Buchstaben als Repräsentation von Lauten,<br />
bilden die Kin<strong>der</strong> <strong>ein</strong>e tiefere Einsicht in die phonologische Struktur <strong>der</strong> Sprache aus, vor<br />
allem auf Phonemebene. Auch Scheerer-Neumann (1998) geht davon aus, dass Kin<strong>der</strong><br />
Phoneme erst in ihrer Korrespondenz zu Graphemen richtig begreifen können. So ist denn<br />
auch nicht die phonologische Bewusstheit die Vorläuferfähigkeit für den<br />
Schriftspracherwerb. Im Gegenteil begünstigt die Konfrontation mit <strong>der</strong> Schriftsprache im<br />
Erstleseunterricht erst die Herausbildung <strong>ein</strong>er adäquaten phonologischen Bewusstheit.<br />
Unbestritten ist, dass <strong>ein</strong>e gut ausgebildete phonologische Bewusstheit sich positiv auf den<br />
Schriftspracherwerb auswirken kann. Auch laut Schnei<strong>der</strong> (2004) fällt es dem Kind leichter,<br />
die Buchstaben-Laut-Zuordnung zu entdecken, wenn es schon frühzeitig (also durchaus<br />
schon im Vorschulalter) Einsicht in verschiedene Einheiten <strong>der</strong> gesprochenen Sprache<br />
entwickelt und charakteristische Elemente wie Wörter, Silben o<strong>der</strong> Phoneme (Einzellaute)<br />
unterscheiden lernt. „Kin<strong>der</strong>, die entwe<strong>der</strong> vor Schulbeginn entsprechende Kompetenzen<br />
erworben haben o<strong>der</strong> aber in <strong>der</strong> Lage sind, sie mit dem Einsetzen des Erstleseunterrichts<br />
relativ rasch zu entwickeln, haben klare Vorteile beim Erlernen des Lesens und<br />
Rechtschreibens“ (Klicpera et al. 2007, S.23).<br />
2.2.2 Die Entwicklung des Lesens<br />
Schon relativ früh wurde von verschiedenen Autoren versucht, das Erlernen des Lesens in<br />
unterscheidbare Stadien <strong>der</strong> Entwicklung zu glie<strong>der</strong>n. Chomsky (1976), Eichler (1976),<br />
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