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Illettrismus - ein Thema der Logopädie? - BSCW

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Ausgangssituation und Stand <strong>der</strong> Forschung<br />

verarbeitet und be<strong>ein</strong>flussen <strong>ein</strong>an<strong>der</strong>. Klicpera et al. (2007) veranschaulichen dies an dem<br />

Beispiel des folgenden Teilsatzes: Die „Ebene von Auvers wurde in den Tresor gesperrt...“<br />

Die Analyse des Satzes gelingt nicht, wenn die semantische Information fehlt, dass es sich<br />

dabei um <strong>ein</strong> Gemälde handelt. Erst <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>deutiger Zusatz wie „…solange die<br />

Ausstellungshalle renoviert wurde“, hilft dem Leser, die Bedeutung des Satzes zu erkennen.<br />

Das Verständnis für <strong>ein</strong>en vollständigen Text beginnt also schon bei <strong>der</strong> Analyse <strong>ein</strong>zelner<br />

Sätze. Wie gut dieses Parsing gelingt, kann z.B. mit syntaktisch ambigen bzw. irreführenden<br />

Sätzen untersucht werden. Es konnten Unterschiede zwischen guten und schlechten Lesern<br />

in <strong>der</strong> Bewältigung von Aufgaben dieser Art gefunden werden. Unklar ist jedoch, ob die<br />

schlechten Leser tatsächlich strukturelle Defizite in <strong>der</strong> syntaktischen Verarbeitung haben<br />

o<strong>der</strong> ob bereits Schwierigkeiten in an<strong>der</strong>en Teilprozessen (z.B. <strong>der</strong> phonologischen<br />

Dekodierung) vorliegen und deshalb die Kapazität für <strong>ein</strong>e syntaktische Analyse<br />

<strong>ein</strong>geschränkt ist (vgl. Richter und Christmann, 2002).<br />

� Textverständnis<br />

Das Textverständnis beruht laut Klicpera et al. (2007) auf zwei grundlegenden Prozessen.<br />

Zum <strong>ein</strong>en werden Informationen, die aus den Sätzen gewonnen wurden, mit<strong>ein</strong>an<strong>der</strong><br />

integriert. Dies geschieht zuerst auf <strong>ein</strong>er lokalen Ebene, d.h. in Bezug auf kürzere<br />

Textabschnitte. Dadurch, dass immer mehr Information integriert wird, vollzieht sich <strong>der</strong><br />

gleiche Prozess nun auch auf Makroebene, indem <strong>der</strong> Text in verschiedene Abschnitte<br />

geglie<strong>der</strong>t wird. Es werden semantische Relationen zwischen auf<strong>ein</strong>an<strong>der</strong>folgende Sätze<br />

hergestellt, welche sowohl textbasiert als auch wissensbasiert sind. Im Idealfall gibt <strong>der</strong> Text<br />

selbst Hinweise, inwiefern sich die Sätze auf<strong>ein</strong>an<strong>der</strong> beziehen. Dies geschieht in Form von<br />

koreferentiellen Relationen wie Wie<strong>der</strong>holung, Pronomina, Anaphora (Rückverweise),<br />

Kataphora (Vorverweise) u.a. (vgl. Richter und Christmann, 2002). In <strong>ein</strong>er Fülle von<br />

empirischen Untersuchungen wurde die Bedeutsamkeit solcher Hinweise für die<br />

reibungslose und schnelle Verknüpfung von Sätzen belegt.<br />

Eine wesentliche Hilfe zum Textverständnis auf <strong>der</strong> Makroebene sind sogenannte Schemata.<br />

Dies sind abstrakte Konzepte, die <strong>ein</strong>e Ordnung vorgeben, in die Information integriert<br />

werden kann. Sobald <strong>ein</strong> Satz Informationen enthält, welche eng mit <strong>ein</strong>em Schema<br />

verknüpft sind, wird eben dieses aktiviert. Der Satz “Der Wagen hielt vor <strong>ein</strong>er roten Ampel”<br />

aktiviert bei den allermeisten Lesern das Schema „Strassenverkehr", bei kaum <strong>ein</strong>em das<br />

Schema „Blumengrossmarkt mit Einkaufswagen und roter (Blumen-)Ampel". Die Schemata<br />

wirken somit „top-down" auf den Verstehensprozess <strong>ein</strong> (Klipcera et al., 2007).<br />

� Inferenzbildung<br />

„Zwischen den Zeilen lesen zu können“ gilt gem<strong>ein</strong>hin als elementarste Komponente, wenn<br />

es um Textverständnis geht. Sie beschreibt die Fähigkeit des Lesers, eigenständig Schlüsse<br />

ziehen zu können, da vor allem in narrativen Texten nicht alles explizit mitgeteilt wird.<br />

Klicpera et al. (2007) unterscheiden zwischen notwendigen Inferenzen, ohne die <strong>ein</strong> Text<br />

nicht verstanden werden kann, und weiterführenden Inferenzen. Während notwendige<br />

Inferenzen vor allem Textpassagen sind, in denen aus stilistischen Gründen <strong>ein</strong> allgem<strong>ein</strong>er<br />

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