Illettrismus - ein Thema der Logopädie? - BSCW
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Interpretation und Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
In <strong>ein</strong>zelnen Fällen stellte auch die Tatsache, dass die Finanzierung <strong>der</strong> Therapie gesichert<br />
war, <strong>ein</strong>e positive Erfahrung dar. So regelt im Kanton Zürich das Amt für Jugend- und<br />
Berufsbildung (AJB) die Finanzierung <strong>der</strong> Jugendlichen nach obligatorischer Schulzeit bis zum<br />
20. Lebensjahr. Auch erwähnte <strong>ein</strong>e Logopädin, dass bei <strong>ein</strong>em Jugendlichen, <strong>der</strong> gerade<br />
<strong>ein</strong>e IV-Anlehre macht, die IV auch die Kosten für die Therapie übernimmt. Wenn die<br />
Finanzierung also nicht zuerst mühsam geregelt werden und am Schluss <strong>der</strong> Betroffene die<br />
Kosten übernehmen muss, so ist das bestimmt auch <strong>ein</strong>e positive Erfahrung, die in <strong>der</strong><br />
Aus<strong>ein</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> <strong>Thema</strong>tik gemacht wurde.<br />
Einige Logopädinnen habe die positive Erfahrung gemacht, dass bereits bestehendes<br />
Material aus an<strong>der</strong>en Bereichen <strong>der</strong> <strong>Logopädie</strong> für die Therapie mit Illettristen übernommen<br />
werden kann. So sind dies vor allem Materialien aus <strong>der</strong> Aphasietherapie, Dyslexie und<br />
Dysgraphie.<br />
Welche Grenzerfahrungen machen sie in <strong>der</strong> Aus<strong>ein</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> <strong>Thema</strong>tik des <strong>Illettrismus</strong>?<br />
5.1.4 Grenzerfahrungen<br />
Als Grenzerfahrung definieren wir Erfahrungen, die die Logopädinnen in ihrer<br />
therapeutischen Arbeit und/o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> allgem<strong>ein</strong>en Aus<strong>ein</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> <strong>Thema</strong>tik<br />
<strong>Illettrismus</strong> vor Hürden stellen, <strong>ein</strong>schränken und belasten.<br />
Als schwierige Ausgangslage und somit auch als Grenzerfahrung empfanden <strong>ein</strong>ige<br />
Logopädinnen die Tatsache, dass es sich bei <strong>Illettrismus</strong> um <strong>ein</strong> umfassendes, komplexes<br />
Störungsbild handelt. Eine Logopädin m<strong>ein</strong>te, dass man bezüglich Therapie an vielen Seiten<br />
ansetzen muss, da so viel betroffen ist. Ein an<strong>der</strong>er Logopäde betonte, dass nicht nur die<br />
Schriftsprache isoliert behandelt werden kann. Er erzählte von <strong>ein</strong>em Jugendlichen: „…<strong>der</strong><br />
redet monoton und undeutlich, kennt viele Wörter nicht, versteht viel nicht, <strong>der</strong> Satzbau ist<br />
relativ abgehackt…“<br />
Wie bereits bei den ungünstigen Voraussetzungen erwähnt, besteht <strong>ein</strong>e allgem<strong>ein</strong>e<br />
Unklarheit, wenn es um Diagnostik und Therapie von <strong>Illettrismus</strong> geht. Dies führt dazu, dass<br />
es in diesem Bereich zu Grenzerfahrungen kommen kann. Eine Logopädin spricht bei <strong>der</strong><br />
Therapie mit Illettristen von „Therapeutischem Neuland“: „Für mich war es wirklich Neuland.<br />
Neuland auch im Bezug auf: Wie mache ich Diagnostik, wie gehe ich die Therapie an.“ Eine<br />
an<strong>der</strong>e Grenzerfahrung in diesem Zusammenhang wurde mit Diagnostik- und<br />
Therapiematerial gemacht: Viele Logopädinnen sagten aus, dass <strong>ein</strong> Mangel an<br />
erwachsenengerechtem Material herrsche. „Ja, also das ist <strong>ein</strong> Problem, dass man <strong>ein</strong>fach<br />
k<strong>ein</strong> Material hat für dieses Alter. Es ist ja alles auf Schulkin<strong>der</strong> ausgerichtet. Und da muss ich<br />
mir alles selbst zusammen suchen…“ Aus diesem Grund wird oft Material aus dem<br />
Kin<strong>der</strong>bereich verwendet, das dann auf die Bedürfnisse von Erwachsenen und Jugendlichen<br />
angepasst werden muss. Dieses eigene Herstellen von Material ist meist sehr aufwändig<br />
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