Art Quarterly - Luxury can be Art
Art Quarterly ist ein Magazin für alle Kunst- und Kulturliebhaber. Neben zahlreichen Informationen über die aktuelle Kunstszene und den zurzeit laufenden Ausstellungen in Österreich und Deutschland präsentieren wir Ihnen auch immer die aktuellen Top-Beauty-Trends.
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ART TOPIC<br />
Morgen des dreizehnten Tages jene Szene,<br />
die Théodor Géricault mit seinem Monumentalgemälde<br />
„Das Floß der Medusa“ unsterblich<br />
gemacht hat. Das etwa 35 Quadratmeter<br />
große Gemälde wird im Rahmen einer<br />
Prunkausstellung im Louvre am 25. August<br />
1819 der staunenden und raunenden Öffentlichkeit<br />
präsentiert, allerdings hat man den<br />
eigentlichen Namen des Werkes abgelehnt,<br />
so dass es nun unter dem Titel „Szene eines<br />
Schiffbruchs“ gezeigt wird. Das Gemälde<br />
trifft auf sehr gemischte Gefühle und die Kritik<br />
pendelt zwischen „erha<strong>be</strong>ne Kunst, die<br />
einem erzittern lässt“ und „Ekelhaft“. Zu Géricaults<br />
Glück ist ausgerechnet König Ludwig<br />
XVIII. ein glühender Bewunderer des Werkes<br />
und spricht öffentlich sein Lob aus, was die<br />
negativen Kritikerstimmen weitgehend verstummen<br />
lässt. Als das Gemälde Jahre später<br />
in London gezeigt wird, vermag es immerhin<br />
50.000 Besucher anzulocken während Géricault<br />
selbst zwischen Depression und Verfolgungswahn<br />
zerrissen wird. Er flüchtet sich in<br />
eine düstere und absurde Welt und malt unter<br />
anderem eine tote Katze auf einem Sockel,<br />
ein blutü<strong>be</strong>rströmtes Pferd, porträtiert Geisteskranke<br />
und Siechende. Mit nur 32 Jahren<br />
erliegt er 1824 den Folgen eines Reitunfalls.<br />
Sein Vermächtnis, das mit Sicherheit größte<br />
Historiengemälde, dass sich am Rande auch<br />
dem Kannibalismus widmet.<br />
Ein für die amerikanische Geschichte <strong>be</strong>sonders<br />
prägnanter Fall ist jener der so genannten<br />
Donner Party, einer Reisegruppe<br />
von insgesamt 81 Siedlern, welche sich 1846<br />
von Springfield aus auf dem Weg in den<br />
Westen Amerikas in den verschneiten Bergen<br />
der Sierra Nevada zum Ü<strong>be</strong>rwintern gezwungen<br />
sah. Der Führer dieser unseligen<br />
Gruppe war der 62-jährige George Donner,<br />
der auch dieser Reisegruppe ihren Namen<br />
verlieh. Insgesamt 40 der 87 Siedler erlitten<br />
während des eisigen Winters von 1846 auf<br />
1847 den Hungertod und die Ü<strong>be</strong>rle<strong>be</strong>nden<br />
konnten nur aufgrund des Verzehrs der Toten<br />
den Winter ü<strong>be</strong>rstehen. Der letzte Rest<br />
der Ü<strong>be</strong>rle<strong>be</strong>nden ging schließlich sogar so<br />
weit, Leichenteile als Wegzehrung mitzunehmen.<br />
Bis heute ranken sich Legenden<br />
darum, ob nicht die Reisegruppe arglistig<br />
auf eine falsche Route gelockt wurde, um<br />
sie dann nicht nur zu <strong>be</strong>rau<strong>be</strong>n, sondern zu<br />
einem Großteil sogar zu verspeisen. Bei diesen<br />
Legenden handelt es sich allerdings um<br />
historisch haltlose Spekulationen, die immer<br />
wieder auch Filmen ihre Vorlage boten.<br />
Legendär ist auch die letzte Forschungsreise<br />
des britischen Polarforschers Sir John<br />
Franklin, die der Entdeckung der Nordwestpassage<br />
galt. Nach dem Scheitern der<br />
Expedition und drei aufeinanderfolgenden<br />
Wintern im Packeis konnten sich die letzten<br />
Ü<strong>be</strong>rle<strong>be</strong>nden im Jahre 1848 nur noch dadurch<br />
am Le<strong>be</strong>n halten, indem sie die Leichen<br />
ihrer <strong>be</strong>reits verstor<strong>be</strong>nen Gefährten<br />
verspeisten. Franklin selbst war <strong>be</strong>reits 1847<br />
den Strapazen erlegen. Die Expedition <strong>be</strong>wegte<br />
die britische Öffentlichkeit noch Jahre<br />
danach zutiefst, da Franklins Witwe, Lady<br />
Jane, mittels immer neuer Rettungsexpeditionen<br />
den Verbleib ihres Mannes zu klären<br />
versuchte. Erst 2014 wurde eines der <strong>be</strong>iden<br />
Schiffe im nördlichen Kanada entdeckt.<br />
Am 12. Okto<strong>be</strong>r 1972 stürzte eine Passagiermaschine<br />
vom Typ Fokker Friendship in den<br />
Anden ab, an Bord die gesamte uruguayische<br />
Rugbymannschaft. In einer Höhe von ü<strong>be</strong>r<br />
3.500 Metern scheint nach einigen Tagen<br />
des bangen Wartens und Hoffens schließlich<br />
jede Chance auf Rettung verloren. Nach<br />
und nach entschließen sich die Ü<strong>be</strong>rle<strong>be</strong>nden<br />
des Absturzes, ihre toten Kameraden zu<br />
essen. E<strong>be</strong>nfalls mit Körperteilen und Innereien<br />
ihrer toten Freunde im Gepäck, macht<br />
sich schließlich ein kleiner Trupp auf, um<br />
Hilfe zu holen. Und tatsächlich, nach ü<strong>be</strong>r<br />
drei Monaten werden 16 der ehemals 45<br />
Passagiere le<strong>be</strong>nd geborgen. Nando Parrado<br />
und Vince Rause ha<strong>be</strong>n ihre Erinnerungen<br />
an diese entsetzliche Zeit der absoluten Entmenschlichung<br />
in ihrem Buch „72 Tage in<br />
84 AQ JUBILÄUMSAUSGABE<br />
www.art-quarterly.at<br />
www.art-quarterly.at KULTURSOMMER 2019 AQ 85