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Ausgabe 1/2008, 24. Jahrgang (pdf, 6.12 MB - Johannes Gutenberg ...

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Kommunikatives Handeln – eine Schnittstelle von<br />

Kommunikations- und Medienwissenschaft<br />

Von Karl N. Renner<br />

Bücher, Filme, Zeitungsartikel: alle Medienbeiträge<br />

sind hoch komplexe Kommunikationsinstrumente,<br />

die im Idealfall alle Signale, die bei einem persönlichen<br />

Gespräch ausgetauscht werden können, vermitteln<br />

sollen.<br />

Heute ist es Stand der wissenschaftlichen Praxis, dass<br />

Fächer, deren Forschungsgegenstände sich überschneiden,<br />

interdisziplinär zusammenarbeiten. Bei<br />

der Erforschung der Medien und ihrer Kommunikationszusammenhänge<br />

findet eine solche interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit jedoch kaum statt. Denn hier<br />

treffen zwei Wissenschaften aufeinander, die in<br />

unterschiedliche Traditionen eingebunden sind und<br />

ein völlig anderes Selbstverständnis entwickelt<br />

haben. Kommunikationswissenschaftlich orientierte<br />

Disziplinen wie die Publizistik und die Journalistik<br />

verstehen sich als empirische Sozialwissenschaften,<br />

die vor allem mit statistisch induktiven Methoden<br />

arbeiten. Die verschiedenen medienwissenschaftlichen<br />

Disziplinen stehen dagegen in einer geisteswissenschaftlichen<br />

Tradition und stützen sich auf hermeneutisch<br />

interpretierende oder auf nomologisch<br />

deduktive Methoden. Doch so tiefgreifend diese<br />

Unterschiede auch sind, die Gegenstandsbereiche<br />

von Kommunikations- und Medienwissenschaften<br />

lassen sich kaum voneinander trennen.<br />

Exemplarisch demonstrieren das der Journalismus<br />

und die Werbung. Diese beiden Kommunikationsgattungen<br />

findet man in allen Medien. Das kann<br />

man am ehesten damit erklären, dass Kommunikationsgattungen<br />

eine medien-unabhängige Größe<br />

sind. Dem stehen jedoch die erheblichen Unterschiede<br />

entgegen, die zwischen dem Zeitungs- und dem<br />

Fernsehjournalismus oder der Zeitungs- und der<br />

Kinowerbung bestehen und die man nur als Abhängigkeiten<br />

von den jeweiligen Medien interpretieren<br />

kann.<br />

Eine Lösung dieses Widerspruchs bietet das<br />

Konzept des kommunikativen Handelns, das Kommunikation<br />

als Handeln mit Hilfe von Zeichen und<br />

Zeichenkomplexen versteht (1). Man findet diese<br />

Idee sowohl in der Kommunikationswissenschaft als<br />

auch in der Zeichentheorie oder der Textlinguistik.<br />

Folgt man diesem Theorieansatz, dann kann man<br />

Kommunikationsgattungen als Formen des kommunikativen<br />

Handelns auffassen, die unabhängig davon<br />

definiert sind, welche Kommunikationsinstrumente<br />

für den Vollzug dieser Handlungen verwendet werden.<br />

So kann man den Journalismus damit definieren,<br />

dass Journalisten ihre Rezipienten eigenverantwortlich,<br />

aktuell und möglichst wahrheitsgetreu über<br />

wichtige Sachverhalte informieren sollen. Welches<br />

Medium sie dabei verwenden, ist zunächst unerheblich.<br />

Das ist nur deswegen von Bedeutung, weil die<br />

unterschiedlichen Medien eine unterschiedliche<br />

Ausdrucksfähigkeit besitzen. Kann man mit den<br />

Mitteln sprachlicher Medien gut argumentative<br />

Zusammenhänge herstellen, so sind die bewegten<br />

Bilder der audiovisuellen Medien für diesen Zweck<br />

weniger gut geeignet. Sie eignen sich besser dazu,<br />

Geschichten zu erzählen.<br />

Gerade im Fernsehjournalismus wird man<br />

immer wieder mit dieser unterschiedlichen Ausdrucksfähigkeit<br />

konfrontiert. Ein Beispiel dafür ist die<br />

Fernsehdokumentation „Wohnmodelle“, die den Zuschauern<br />

neue Formen der Wohnungsarchitektur und<br />

des Siedlungsbaus vorstellen soll. Diese neuen Ideen<br />

waren in Fachbüchern publiziert, wo sie mit Plänen<br />

und Fotos dokumentiert wurden. Um sie fernsehgerecht<br />

umsetzen zu können, war es dann nötig, alltägliche<br />

Handlungsabläufe zu finden, mit denen man sie<br />

anschaulich darstellen konnte. So rücken beispielsweise<br />

moderne Siedlungsanlagen die Stellflächen der<br />

Autos an ihren Rand (in Abb.1a gelb markiert). Sie<br />

reduzieren dadurch die Verkehrsflächen und gewinnen<br />

damit Platz für Gärten und Spielwiesen. Andererseits<br />

verlängert sich nun der Weg zwischen Auto<br />

und Wohnung. Eine alltägliche Geschichte, die diesen<br />

Zusammenhang im Film illustriert, ist die „Heimkehr<br />

vom Einkaufen“ (Abb. 1b und 1c).<br />

Aus wissenschaftstheoretischer Perspektive<br />

betrachtet, markiert das Konzept des kommunikativen<br />

Handelns eine Schnittstelle von Kommunikations-<br />

und Medienwissenschaft. Es verbindet die<br />

sozialwissenschaftliche Überzeugung, dass die Faceto-Face-Situation<br />

den Prototyp aller gesellschaftlichen<br />

Interaktion bildet (2), mit der zeichentheoretischen<br />

Auffassung, dass menschliche Kommunikation<br />

ohne materielles Substrat unmöglich ist (3). Nur<br />

Engel kommunizieren Brain-to-Brain. Damit kann<br />

dieses Konzept eine Plattform bilden, auf der man<br />

kommunikations- und medienwissenschaftliche<br />

Forschungs-ansätze aufeinander beziehen und ihre<br />

Begriffe und Fragestellungen miteinander korrelieren<br />

und systematisieren kann.<br />

Kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen<br />

der Rezeption fotografischer Bilder zeigen<br />

MEDIEN – KOMMUNIKATION<br />

Abb. 1 (a bis c):<br />

Der Plan einer Siedlung und eine<br />

Szene im Film. Moderne Siedlungsanlagen<br />

rücken die Stellflächen der<br />

Autos an ihren Rand (hier gelb markiert).<br />

Sie reduzieren dadurch die<br />

Verkehrsflächen und gewinnen damit<br />

Platz für Gärten und Spielwiesen.<br />

Andererseits verlängert sich nun der<br />

Weg zwischen Auto und Wohnung (a).<br />

Eine alltägliche Geschichte, die diesen<br />

Zusammenhang im Film illustriert, ist<br />

die Heimkehr vom Einkaufen (b und c).<br />

Abb. 1b:<br />

Die Carports am Rande der Siedlung<br />

Abb. 1c:<br />

Der Weg zur Wohnung<br />

FORSCHUNGSMAGAZIN 1/<strong>2008</strong><br />

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