Ausgabe 1/2008, 24. Jahrgang (pdf, 6.12 MB - Johannes Gutenberg ...
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Foto: Peter Pulkowski<br />
maturgisch akzentuieren – als Hinweis auf den szenischen<br />
Charakter der Lebenswelt, zu der sowohl die<br />
alltäglichen Handlungen und Beobachtungen als<br />
auch die spezifischen Szenen, Interaktionen und<br />
Interpretationsprozesse der Kunst gehören (vgl. 2).<br />
Überträgt man dieses Konzept vom Kommunikationsmittel<br />
der Sprache auf die Medien, so<br />
zeigt sich, dass auch die Medien nicht einfach nur<br />
etwas über die Welt aussagen oder bestimmte<br />
Ereignisse, die unabhängig von ihnen geschehen<br />
sind, beschreiben, sondern selbst Welten erzeugen<br />
und Ereignisse hervorbringen, die es so nur dank<br />
oder wegen der Medien gibt, die sich als Bühne für<br />
vielfältige Inszenierungen eignen (darauf hat als<br />
einer der ersten Daniel J. Boorstin in einem Buch über<br />
Pseudo-Ereignisse hingewiesen; vgl. 3). Dieser Produktivität<br />
der Medien stehen Rezeptionsprozesse<br />
gegenüber, die wiederum auf das Wechselspiel von<br />
Kompetenz und Performanz bezogen sind. Was man<br />
mit einem Stift oder einer Kamera, einer Zeitung oder<br />
einem Computer machen kann, wird in Medienspielen<br />
eingeübt, in denen es einen fließenden Übergang<br />
von der Rolle des Beobachters zur Rolle des<br />
Nachahmenden und von der Rolle des Nachahmenden<br />
zur Rolle des Vorführenden geben kann.<br />
Tatsächlich hat die technologische Entwicklung, die<br />
zur Medienkonvergenz führt, eine Situation geschaffen,<br />
in der praktisch jeder Rezipient zum Produzenten<br />
von Medieninhalten und Medienformen werden<br />
kann, wobei die ästhetische Anmutungsqualität und<br />
Dramatik der Szenen, in denen medial verfasste oder<br />
medial vermittelte Kommunikationsakte stattfinden,<br />
immer perfekter wird. In 3-D und HD-Qualität animierte<br />
Computerspiele sprechen Augen, Ohren,<br />
Hände, Verstand und Gefühl mit bewegten Bildern<br />
und Tönen an, die längst die Präsenz von Spielfilmen<br />
haben, nur dass man an diesen Filmen mitspielen<br />
und den dramatischen Verlauf der Ereignisse beeinflussen<br />
kann.<br />
Medienkonvergenz und Medienreflexion<br />
Auch die Probleme, die sich aus der Medienkonvergenz<br />
ergeben, lassen sich in besonders aufschlussreicher<br />
Weise untersuchen, wenn man auf den<br />
Begriff der Medienperformanz rekurriert und diesen<br />
Begriff so spezifiziert, dass die Paradoxie der technologischen<br />
Entwicklung offensichtlich wird. Geht man<br />
nämlich davon aus, dass die Wahrnehmungs- und<br />
Gesprächssituationen, in denen sich nicht nur der<br />
Spracherwerb eines Kindes, sondern praktisch alle<br />
kommunikativen Handlungen – also auch die<br />
(lebenslänglichen) Prozesse der Mediensozialisation<br />
– ereignen, thematisch wie sozial durch den synreferentiellen<br />
Bezirk integriert werden, auf den sich die<br />
Beteiligten jeweils einstellen, kann man diese<br />
Situationen als „Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit“<br />
bezeichnen (vgl. 4). Szenen sind, wie<br />
bereits angedeutet wurde, dadurch definiert, dass in<br />
ihnen mindestens zwei Ereignisse zusammenstoßen:<br />
eine Handlung und deren Beobachtung. Ebenso<br />
wichtig ist, dass alle Handlungen und Beobachtungen<br />
einen Vollzugscharakter besitzen, dessen<br />
Form Auswirkungen auf den Verlauf und das Ergebnis<br />
der szenischen Aktion hat. Die Pointe der Medien<br />
scheint nun, wie vor allem Joshua Meyrowitz in seinem<br />
klugen Buch über Die Fernsehgesellschaft dargelegt<br />
hat, darin zu bestehen, dass sie Szenen, die sich<br />
an verschiedenen Orten (und zu verschiedenen<br />
Zeiten) mit und ohne Zuschauer ereignen, in den<br />
Fokus einer gemeinsamen Aufmerksamkeit von<br />
Menschen rücken, die sich in ihrer alltäglichen Lebenswelt<br />
womöglich niemals treffen und auch nicht<br />
miteinander interagieren würden (vgl. 5).<br />
Medienreflexion beginnt, so gesehen, in dem<br />
Augenblick, in dem die mediale Dimension der<br />
modernen Lebenswelt, die aus Szenen gemeinsamer<br />
Aufmerksamkeit zusammengesetzt ist, noch einmal<br />
unter Beobachtung gestellt wird. So offensichtlich es<br />
MEDIEN – FORSCHUNG<br />
Das Fernsehstudio im<br />
Elektronischen Medienzentrum<br />
(EMZ) in der Wallstrasse, unter<br />
anderem genutzt von Campus-TV.<br />
FORSCHUNGSMAGAZIN 1/<strong>2008</strong><br />
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