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Ausgabe 1/2008, 24. Jahrgang (pdf, 6.12 MB - Johannes Gutenberg ...

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Auf der Suche nach den fundamentalen Gesetzen der Natur<br />

Von Stefan Tapprogge<br />

„Daß ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält.“<br />

Auch Goethe formulierte in seinem<br />

„Faust“, was immer noch viele Naturwissenschaftler<br />

umtreibt. Das ATLAS-Experiment – ein<br />

Großforschungsprojekt der Teilchenphysik –<br />

versucht Antworten zu finden.<br />

Die Frage nach dem Aufbau der Materie ist eine<br />

Frage, die schon die griechischen Naturphilosophen<br />

wie etwa Demokrit beschäftigte. Die Vorstellung,<br />

dass es kleinste, unteilbare Bausteine gibt, wurde zu<br />

dieser Zeit entwickelt und auch der Begriff „Atom“<br />

(griechisch für unteilbar) geht darauf zurück. Der<br />

Reduktionismus, also das Zurückführen von Phänomenen<br />

auf wenige fundamentale Prinzipien, stellt<br />

einen wesentlichen Ansatz der heutigen Naturwissenschaften<br />

dar, insbesondere in der Physik. Seit dem<br />

19. Jahrhundert ist bekannt, dass Atome eine Struktur<br />

besitzen und somit nicht unteilbar sind. In der<br />

zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewannen Teilchenphysiker<br />

daraufhin einen deutlich tieferen Einblick<br />

in die Struktur der Materie. Diese Erkenntnisse<br />

bilden den Inhalt des so genannten Standard-<br />

Modells der Teilchenphysik: Neben einer Anzahl von<br />

fundamentalen Bausteinen (Fermionen: Quarks und<br />

Leptonen) erklärt das Modell die zwischen diesen<br />

Bausteinen wirkenden Kräfte durch den Austausch<br />

von Kraftteilchen (Bosonen). Das Standard-Modell erlaubt<br />

eine erfolgreiche Beschreibung vieler bekannter<br />

Phänomene im Mikrokosmos und ist mit hoher<br />

Präzision getestet worden. Es stellt allerdings keine<br />

vollständige Theorie dar und beinhaltet mehrere offene<br />

Fragen, die Gegenstand der aktuellen Forschung<br />

der Teilchenphysik sind. Insbesondere ergibt sich die<br />

Möglichkeit, durch weitere neue Erkenntnisse zum<br />

Aufbau des Mikrokosmos, mehr über den Aufbau und<br />

die Entwicklung unseres Universums (Makrokosmos)<br />

zu lernen. Eine der aktuellen Fragestellungen betrifft<br />

den Ursprung der Masse der fundamentalen Bausteine<br />

(im Standard-Modell wird hierfür der so genannte<br />

Higgs-Mechanismus angenommen). Ebenso<br />

wird die Frage nach dem Vorhandensein einer Universalkraft<br />

(als gemeinsamer Ursprung der vier bekannten<br />

Kräfte: Gravitation, elektromagnetische, schwache<br />

und starke Kraft) gestellt und auch die Möglichkeit,<br />

dass es neue, bisher nicht entdeckte Teilchen<br />

gibt, wird genauestens überprüft.<br />

Ein wesentliches Werkzeug der Teilchenphysik<br />

stellen Beschleuniger dar, die neben der reinen<br />

Grundlagenforschung mittlerweile auch vielfältige<br />

praktische Anwendungen finden, zum Beispiel in der<br />

medizinischen Therapie und in der Materialüberprüfung.<br />

Durch das Beschleunigen von Teilchen auf hohe<br />

(kinetische) Energien wird es möglich, neue, schwere<br />

Teilchen oder Bindungszustände zu erzeugen und<br />

Strukturen bei kleinsten Abständen (< 10 -18 m) zu<br />

untersuchen. Eines der weltweit Aufsehen erregendsten<br />

Projekte in diesem Zusammenhang ist der Large<br />

Hadron Collider (LHC) am europäischen Zentrum für<br />

Teilchenphysik (CERN) nahe dem schweizerischen<br />

Genf. Nach einer Planungs-, Entwicklungs- und Aufbauphase<br />

von über zehn Jahren wird dieser Beschleuniger<br />

im Sommer <strong>2008</strong> in Betrieb gehen. Er<br />

wird dann der größte, komplexeste und höchstenergetische<br />

Beschleuniger sein, in dem Protonen (Wasserstoffkerne)<br />

miteinander zur Kollision gebracht<br />

werden. Die Energien der Protonenstrahlen betragen<br />

jeweils 7 Tera-Elektronenvolt (TeV). Ein TeV entspricht<br />

10 12 eV bzw. der kinetischen Energie einer Fliege, die<br />

sich mit einer Geschwindigkeit von 10 cm pro Sekunde<br />

bewegt. Die hierbei erzeugten Bedingungen entsprechen<br />

denjenigen, die etwa 10 -14 bis 10 -13 Sekunden<br />

nach dem Urknall im Universum geherrscht<br />

haben. Insgesamt beinhaltet der Beschleuniger rund<br />

300 Billionen Protonen, die auf zweimal rund 2.800<br />

Pakete aufgeteilt sind und fast Lichtgeschwindigkeit<br />

erreichen. Der LHC-Speicherring hat einen Umfang<br />

von fast 27 Kilometern und befindet sich 50 bis 100<br />

Meter tief unter der Erde (Abb. 1). Um die Protonen<br />

bei diesen Energien auf einer Kreisbahn zu halten,<br />

sind über 1.200, je 14 Meter lange, supraleitende<br />

Magnete notwendig, deren Magnetfeld mit 8,3 Tesla<br />

rund 100.000 Mal stärker ist als das Erdmagnetfeld.<br />

FORSCHUNGSMAGAZIN 1/<strong>2008</strong><br />

PHYSIK<br />

Abb. 1: Luftaufnahme der Genfer<br />

Region mit dem Verlauf des unterirdischen<br />

Beschleunigertunnels für<br />

den Large Hadron Collider (LHC).<br />

61<br />

Abb.: © CERN

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