Ausgabe 1/2008, 24. Jahrgang (pdf, 6.12 MB - Johannes Gutenberg ...
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MEDIEN – WOHLTÄTIGKEIT<br />
24<br />
Ursachen bei: Kommunikator-Eigenschaften, die<br />
Zahl, Art und Einseitigkeit der Appelle, die Situationsund<br />
Persönlichkeitsfaktoren der Rezipienten sowie<br />
Eigenschaften des Mediums Radio. Als höchst förderlich<br />
erwies sich der auch aus anderen sozialen<br />
Zusammenhängen bekannte „Schrittmachereffekt“:<br />
Nämlich dass die laufende Bekanntgabe des Standes<br />
der Spenden eine mitreißende Wirkung auf andere,<br />
besonders auf noch Unentschlossene, hatte. Diesen<br />
Effekt machen sich noch heute die Spendengalas im<br />
Fernsehen zunutze, indem laufend die Höhe der eingegangenen<br />
Spenden bekannt gegeben wird.<br />
Ambivalenzen<br />
So unzweifelhaft die Spendenkampagnen in den<br />
Massenmedien menschliche Hilfsbereitschaft auslösen<br />
und dadurch heute erhebliche Mittel für medizinische,<br />
soziale oder karitative Zwecke zusammen<br />
kommen, so hat doch auch dies alles seine Ambivalenzen.<br />
Erst jüngst hat der Notfallarzt und Chirurg<br />
Richard Munz, der über 20 Jahre für verschiedene<br />
Hilfsorganisationen in der Welt unterwegs war, in seinem<br />
Buch „Im Zentrum der Katastrophe“ (Frankfurt<br />
2007) über die negativen Folgen des Katastrophenjournalismus<br />
berichtet, der häufig der Auslöser für<br />
die Spendenbereitschaft der Menschen ist. Er<br />
schreibt (S. 8): „Es ist die extreme Berichterstattung<br />
in den Medien, die zunächst aus übertriebenen<br />
Schlagzeilen und aus vorschneller Heroisierung der<br />
humanitären Hilfe besteht und später sehr häufig in<br />
heftigste Kritik mündet, die den Spender in ein<br />
Wechselbad aus spontaner Hilfsbereitschaft und späterem<br />
Frust stürzt. Eine ausgewogene und sachgemäße<br />
Berichterstattung über internationale Katastrophen<br />
und die darauf folgenden Hilfsmaßnahmen<br />
ist leider eine allzu seltene Ausnahme.“ Zudem kann,<br />
wie sich nach der Tsunami-Katastrophe 2005 zeigte,<br />
ein Übermaß an Spenden für die Hilfsorganisationen<br />
zum Problem werden. Ihre Möglichkeiten sachgemäßer<br />
Verwendung werden in einem solchen Fall überstrapaziert,<br />
aber wegen der Zweckbindung der Spenden<br />
können diese nicht auf andere, vielleicht nicht<br />
weniger bedürftige Projekte umgeleitet werden. ■<br />
■ Summary<br />
Mass Media, Fundraising and Public Charity: The<br />
mass media are important means for fundraising for<br />
public charity. After the Tsunami catastrophe 2004 in<br />
East-Asia 670 Mio. Euro have been collected in<br />
Germany, stimulated particularly by the media’s<br />
reporting and their call for help. But this function is<br />
not new. The article gives an overview of the use of<br />
the mass media for such goals from the 17th to the<br />
21th century, from the early press to Charity-TV. The<br />
reasons and formats of campaigning have changed<br />
over time. The mechanisms of effects are mentioned<br />
as well as the potential ambivalence of collecting<br />
high amounts of money for relief organizations.<br />
■ Kontakt<br />
Prof. Dr. Jürgen Wilke<br />
Institut für Publizistik<br />
<strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität Mainz<br />
Colonel Kleinmann Weg 2<br />
D-55099 Mainz<br />
Tel. +49 (0)6131-39 22 539<br />
Fax +49 (0)6131-39 24 239<br />
Email: juergen.wilke@uni-mainz.de<br />
Prof. Dr. Jürgen Wilke<br />
Jürgen Wilke, geb. 1943<br />
in Goldap/Ostpreußen, Studium<br />
der Germanistik,<br />
Publizistik und Kunstgeschichte<br />
in Mainz und<br />
Münster (Westf.), Promotion<br />
1971, Journalistische Tätigkeit, Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Publizistik der<br />
Universität Mainz, 1983 Habilitation, 1984 Lehrstuhl<br />
Journalistik I der Katholischen Universität Eichstätt,<br />
1985 Ruf an die Universität München (abgelehnt),<br />
seit 1988 Professor für Publizistik in Mainz. 1993<br />
und 1999 Visiting Scholar an der University of<br />
Washington (Seattle, USA), 2004 Prof. h.c. der<br />
Lomonossow-Universität Moskau, 2005 Korrespondierendes<br />
Mitglied der Österreichischen Akademie<br />
der Wissenschaften, Gastprofessor an der Universität<br />
Lugano (seit 2001). Forschungsgebiete: Mediengeschichte<br />
und Medienstruktur, Nachrichtenwesen,<br />
Politische Kommunikation, Internationale Kommunikation.