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Ausgabe 1/2008, 24. Jahrgang (pdf, 6.12 MB - Johannes Gutenberg ...

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MEDIEN – FORSCHUNG<br />

Medienkonvergenz, Medienperformanz und Medienreflexion<br />

Von Matthias Bauer<br />

8<br />

Die Medienforschung an der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-<br />

Universität läuft auf Hochtouren. In einem von<br />

zahlreichen bedeutsamen Medien (ZDF, SWR, 3sat,<br />

HR, FAZ, FR und RMP) geprägten Umfeld richtet<br />

sich die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf<br />

das Wechselspiel von Medien- und Gesellschaftswandel.<br />

Obwohl ‚die Medien‘ in aller Munde sind, scheint es<br />

weder in der Umgangssprache noch in der wissenschaftlichen<br />

Terminologie einen einheitlichen<br />

Medienbegriff zu geben. Während die einen bei den<br />

Medien vor allem an die Mittel der Massenkommunikation,<br />

insbesondere an das Fernsehen, denken,<br />

sind andere eher an der Wechselwirkung von<br />

Schriftkultur und modernem Bewusstsein interessiert<br />

oder von der virtuellen Welt fasziniert, die im Internet<br />

entsteht. Hinzu kommt der vermeintliche Gegensatz,<br />

der zwischen empirischen Daten und sozialwissenschaftlichen<br />

Methoden einerseits und kulturhistorischen<br />

Interessen und hermeneutischen Verfahren<br />

andererseits besteht. Gleichwohl kann man zwei<br />

Leitmotive ausmachen, die mittlerweile eigentlich<br />

alle Forscherinnen und Forscher umtreiben, die sich<br />

mit der Gestaltung und Nutzung, der Wirkung und<br />

Bedeutung technisch vermittelter Kommunikationsakte<br />

beschäftigen: das Leitmotiv der Medienkonvergenz<br />

und das Leitmotiv der Medienperformanz.<br />

Leitmotiv: Medienkonvergenz<br />

Zum einen geht es um die Digitalisierung praktisch<br />

aller Medieninhalte und -formen, also um die elektronische<br />

Erfassung, Speicherung und tendenziell<br />

weltweite Verbreitung von Texten und Tönen, bewegten<br />

und unbewegten Bildern durch (zunehmend<br />

mobile) Apparate, die multimedial und interaktiv<br />

angelegt und miteinander vernetzt sind. In dieser<br />

Hinsicht kommt die technische Entwicklung, die zur<br />

Medienkonvergenz führt, Marshall McLuhans Vision<br />

von einer Welt, die – elektronisch zusammengezogen<br />

– nur noch ein „global village“ sei (vgl. 1), scheinbar<br />

sehr nahe – nur dass die soziologischen und politischen,<br />

die juristischen und kulturellen, die ethnischen<br />

und ethischen Probleme, die sich aus der Medienkonvergenz<br />

ergeben, eben gerade nicht mehr im<br />

Ältestenrat unter der Dorfeiche gelöst werden können.<br />

Leitmotiv: Medienperformanz<br />

Das Konzept der Medienperformanz geht davon aus,<br />

dass der Umgang mit Hörfunk- und Fernsehprogrammen,<br />

mit Computer-Spielen und Chat-Foren,<br />

blogs und anderen Medienformaten in der Regel<br />

gerade nicht so eingeübt und gelernt wird, wie man<br />

in der Schule über die Grammatik der Sprache oder<br />

das Regelwerk der Mathematik aufgeklärt wird.<br />

Vielmehr wird Medienkompetenz in etwa so aufgebaut,<br />

wie Kinder die Fähigkeit zum Sprechen und<br />

Bezugnehmen, zum Denken und Schlussfolgern<br />

erwerben, also „step by step“ und im Sinne von<br />

„learning by doing“. Es ist alles andere als ein Zufall,<br />

dass die Vollzugsform des Aufbaus mentaler und<br />

kommunikativer Fertigkeiten durchaus an das Prinzip<br />

von „plug and play“ erinnert, muss sich ein Kind<br />

doch in bestimmte Dialoge und Kommunikationssysteme<br />

einschalten (plug) und im Rahmen von mehr<br />

oder weniger komplexen Sprachspielen (play) lernen,<br />

wie man mit Worten und Menschen umgeht, wie<br />

man die Dinge beim Namen nennt und mittels verbaler<br />

oder nonverbaler Äußerungen Handlungen ausführt.<br />

Und eben auf diese Vollzugsform der<br />

Medienpraxis zielt der Begriff der Performanz ab, der<br />

alle Tätigkeiten des Nach- und Mitvollzugs, des Vorführens,<br />

Aufführens und Ausführens umfasst.<br />

Interessant ist, dass der Ausdruck ‚Medienperformanz‘<br />

eine dezidiert interdisziplinäre Genese hat.<br />

In der Sprachwissenschaft sind Kompetenz und<br />

Performanz Komplementärbegriffe. Die Kompetenz<br />

wird im Vollzug erworben, der Vollzug sprachlicher<br />

Handlungen setzt entsprechende Fertigkeiten voraus.<br />

Hatte man zunächst gedacht, dass die Äußerungen,<br />

mit denen man Handlungen vollzieht, eine bestimmte<br />

Sonderklasse von Sprechakten bilden, geht man<br />

heute davon aus, dass jede Kommunikation eine performative<br />

Dimension besitzt. Das wird gerade dort<br />

deutlich, wo man es wie im Theater, in der Literatur<br />

oder im Film mit inszenierten Diskursen zu tun hat.<br />

Freilich erschöpft sich die performative Dimension<br />

der Kommunikation nicht im Vorführen und Zur<br />

Schau Stellen. Vielmehr besteht die grundlegende<br />

Idee der Sprechakttheorie darin, dass man nicht nur<br />

etwas aussagen und die Welt beschreiben, sondern<br />

mittels Sprache tatsächlich Welt erzeugen kann –<br />

zumindest jene Welt der sozialen Tatsachen, in der es<br />

kulturelle Bedeutungen gibt. Diese Welt der sozialen<br />

Tatsachen ist immer eine von Menschen gemachte<br />

Welt, die unter Beobachtung steht. Daher lässt sich<br />

der Begriff der Performanz auch ästhetisch und dra-

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