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Heft 1 /2007

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GATWU - Forum, Nr. 1/<strong>2007</strong> Seite 15<br />

Günter Reuel:<br />

Die Kompetenzillusion oder die Angst, den<br />

Mainstream zu verpassen<br />

Kompetenzen sind das, was ein Schüler während seiner Schulzeit erwirbt. Bei manchen Schülern<br />

ist das sehr wenig, bei anderen etwas mehr. Schon immer wollte man diese Beliebigkeit<br />

nicht einfach hinnehmen und erfand „Systemlösungen“. Eine in Deutschland verbreitete ist<br />

das gegliederte Schulwesen. Es gibt Schultypen und dazu gehörige Schülertypen, bei denen<br />

setzt man minderen Kompetenzerwerb voraus. Von anderen Schultypen erwartet man mehr.<br />

Im Laufe von Jahrzehnten änderten sich die Steuerungsinstrumente für Schulen, denn ohne<br />

staatliche Kontrolle darf Schule nicht sein. Schließlich ist die Schulpflicht ein besonderes<br />

Gewaltverhältnis.<br />

Die Festlegung von (unverzichtbaren) Fächern ist z.B. eine obrigkeitsstaatliche Maßnahme;<br />

80 Prozent der Inhalte von Schule stehen nicht zur Disposition. Alte Lehrpläne begnügten<br />

sich mit der Nennung des Kanons. Dann folgte eine Lehrplangeneration, die Lernziele explizit<br />

auswies. Geändert hat sich nicht viel, denn Lehrpläne werden nur in Ausnahmefällen ernst<br />

genommen: bei Lehramtsprüfungen und bei Bewerbungen um Funktionsstellen in der Schule.<br />

Die marginale Bedeutung von Rahmenplänen wird kompensiert durch die Mächtigkeit eines<br />

anderen Steuerungsinstruments: dem Schulbuch! Einige Fächer konstituieren sich ganz stark<br />

durch ein Schulbuch, andere – etwa Kunst, Musik und Arbeitslehre – sind da auf sich gestellt.<br />

Jetzt gibt es einen „Paradigmawechsel“, was imposant klingt. Es geht um den Wechsel von<br />

der Intput- zur Outputorientierung. Früher wurden Absichten beschworen, niedergelegt in<br />

Lehrplänen, den Ergebnissen widmete man angeblich weniger Beachtung. Jetzt soll das Pferd<br />

von hinten aufgezäumt werden: der Output besteht aus Kompetenzen und die sind vorhanden<br />

oder nicht vorhanden, der Prozess der Kompetenzvermittlung ist zur Optimierung frei gegeben,<br />

er bleibt den Lehrenden überlassen.<br />

Die Geschwätzigkeit mit der die Outputorientierung gepriesen wird, darf nicht darüber hinweg<br />

täuschen, dass die Logik auf der Strecke bleibt, denn die Formulierung von Kompetenzen<br />

ist ein Input – was denn sonst. Kompetenzlisten sind Sollensforderungen, es sind normative<br />

Festlegungen, die man im Nachhinein empirisch zu überprüfen gedenkt.<br />

Für diejenigen, die die klassische Diskussion um Leistungsnormen nicht präsent haben, sei erinnert:<br />

• Die ipsativ Norm oder auch Individualnorm bewertet den Leistungszuwachs einer konkreten<br />

Person innerhalb einer Zeitspanne. Dieser kann absolut betrachtet sehr mäßig sein,<br />

bezogen auf die Ausgangslage des Lerners kann jedoch ein beachtlicher Anstieg diagnostiziert<br />

werden.<br />

• Die relative Leistungsnorm orientiert sich an der Normalverteilung in einer konkreten<br />

Lerngruppe und ist oft nicht verallgemeinerungsfähig. Spitzenleistungen in der Lerngruppe<br />

„A“ würden in der Lerngruppe “B“ gerade im unteren Viertel rangieren. Es ist die<br />

derzeit vorherrschende Leistungsnorm.<br />

• Die absolute Leistungsnorm legt apodiktisch fest, was eine Person können müsste. Bei<br />

den Kompetenzmodellen handelt es sich zumeist um eine solche.<br />

Einerlei, welcher Leistungsnorm man zuneigt, Unterricht findet statt unter dem Einfluss eines<br />

Bündels von Faktoren: Bildungsstand des Elternhauses, aber auch dessen Fürsorgeleistungen,

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