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Heft 1 /2007

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GATWU - Forum, Nr. 1/<strong>2007</strong> Seite 35<br />

durch geschützt wird, dass der Korpsgeist verhindert, dass das Fehlverhalten einzelner Ärzte<br />

als solches öffentlich bekannt und geahndet wird.<br />

Diese Vermutung ist plausibel: Berufe, deren Mitglieder ein Korps bilden, zeichnen sich<br />

regelmäßig dadurch aus, dass ihre Mitglieder einander zwar wechselseitig zur Einhaltung eines<br />

korpsspezifischen Verhaltenskodex anhalten, dass sie dann, wenn ein Mitglied sich einmal<br />

Fehlverhalten hat, dieses so lange decken, wie dadurch die Glaubwürdigkeit des gesamten<br />

Korps nicht gefährdet wird, und dass sie sich aber dann in oft dramatischer Inszenierung<br />

von dem „schwarzen Schaftrennen, wenn dieses ohne Beeinträchtigung der Vertrauenswürdigkeit<br />

der übrigen Korpsmitglieder nicht mehr zu halten ist.<br />

Wenn diese Überlegungen richtig sind, dann ist auch die Feststellung berechtigt, dass nicht<br />

die im hippokratischen Eid zelebrierte Selbstverpflichtung der Ärzte deren Wohlverhalten begründet.<br />

Vielmehr ist dieses, so es tatsächlich oder nur vorgespiegelt vorhanden ist, darauf zurückzuführen,<br />

dass der einzelne Arzt im sozialen Kontext seines Korps tätig ist. Dies bedeutet:<br />

Es ist nicht der Eid des Hippokrates, der den Berufsstand ausmacht; vielmehr ist es die<br />

gesellschaftliche Struktur des Berufsstandes, die im Eid des Hippokrates ihren Ausdruck findet.<br />

Korpsgeist in den Führungsetagen<br />

Diese Analyse wird auch dadurch bestätigt, dass gegenwärtig - also in jenem Augenblick, wo<br />

die Bedingungen für den Weiterbestand des Korpsgeistes in der Ärzteschaft schwächer werden<br />

- sich auch die Fälle von Fehlverhalten häufen. Dabei mag man darüber streiten, ob es<br />

gegenwärtig tatsächlich mehr Verstöße gegen den geltenden Verhaltenskodex gibt oder aber<br />

ob lediglich mehr Fälle von Fehlverhalten an die Öffentlichkeit gelangen.<br />

Man verstehe dies richtig: Es geht hier nicht darum, allen, den meisten oder auch nur vielen<br />

Ärzten Fehlverhalten zu unterstellen; es geht nur, aber mit Nachdruck, um die These, dass<br />

dort, wo Mediziner sich wohlverhalten, dies nicht auf die verhaltenslenkende Kraft eines geleisteten<br />

Eides zurückzuführen ist, sondern vor allem auf ein soziales Umfeld, welches die<br />

Kontrolle des einzelnen Arztes durch seine Kollegen sicherstellt - und welches gegebenenfalls<br />

auch das Fehlverhalten einzelner Korpsmitglieder vertuscht.<br />

Bezogen auf die Forderung, die Leiter von Großorganisationen, etwa die Manager von<br />

Unternehmen, sollten sich auf „Rules of good conduct“ verpflichten, ist dies nun eine gleichermaßen<br />

ernüchternde und wichtige Feststellung. Wenn jene Bedingungen nicht vorliegen,<br />

die eine wechselseitige Kontrolle der Manager erlauben, die also die Einhaltung bestimmter<br />

Verhaltensregeln sicherstellen, dann wird ein wie auch immer formulierter Eid ohne jegliche<br />

praktische Bedeutung sein.<br />

Nun kann man gewiss nicht a priori ausschließen, dass - besonders auf den höheren Etagen<br />

- die Zahl dieser Manager so klein wird, dass die wechselseitige Kontrolle wie in jedem<br />

kleinen Dorf funktioniert, dass also - mit oder ohne Eid - ein bestimmter Verhaltenskodex<br />

eingehalten wird. Mit anderen Worten: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Manager<br />

auf den oberen Etagen ein Korps mit einem entsprechenden Verhaltenskodex bilden. Es<br />

ist also nicht von vornherein auszuschließen, dass allgemein ein bestimmtes Wohlverhalten<br />

unterstellt werden kann. Allerdings muss aber auch in diesem Fall, wie in jedem anderen<br />

Korps auch, befürchtet werden, dass in einzelnen Fällen das Fehlverhalten, also die individuellen<br />

Verstöße gegen die geltenden „Rules of good conduct“, vertuscht werden.<br />

Mehr noch: Es ist durchaus denkbar, dass innerhalb des Manager-Korps, so es existiert,<br />

auf die Einhaltung von Regeln geachtet wird, die nur bedingt, wenn überhaupt, jenem Verhaltenskodex<br />

entsprechen, der nach außen als verbindlich dargestellt wird. Es ist, mit anderen<br />

Worten, durchaus möglich, dass nach außen hochtönende „Rules of good conduct“ beschworen<br />

werden, die mit jenen Regeln, auf deren Einhaltung innerhalb des Korps tatsächlich geachtet<br />

wird, wenig oder nichts gemein haben. Ist dies aber der Fall, so läuft die Beschwörung<br />

von „Rules of good conduct“ bestenfalls auf eine zeremonielle Selbsttäuschung der Korps-

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