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Heft 1 /2007

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GATWU - Forum, Nr. 1/<strong>2007</strong> Seite 22<br />

halten zu. Einige Grundprobleme haben die Fächer gemeinsam. Dazu gehört ein veraltetes<br />

Verständnis vom Wirtschaftssystem, den wirtschaftlichen Institutionen, deren Entstehung und<br />

Wandel. Das ist problematisch, weil damit auch die Berufswelt unzureichend erfasst wird und<br />

ihr ja vor allem auf den Wandel der Erwerbswelt vorbereitet werden sollt.<br />

Die Institutionen, die im KecuBHTW ausdrücklich genannt werden, sind: Haushalt, Familie,<br />

Unternehmen und Staat. Erwerbsarbeit findet nach den Ausführungen im KecuBHTW in Unternehmen<br />

statt. Den Haushalten wird die „Haus-/Eigenarbeit“ zugeordnet. Der Staat, also öffentliche<br />

Verwaltungsbetriebe, sowie Körperschaften des öffentlichen und privaten Rechts,<br />

die keine Unternehmen sind, z.B. Hochschulen, Vereine oder Verbände, werden nicht als Arbeitgeber<br />

erwähnt. Vereine und Verbände werden nur einmal - verstümmelt - unter „Wirtschaften<br />

im Haushalt“ mit [Verbraucher-] organisationen angesprochen.<br />

Dass der sog. Dritte Sektor (auch kein treffender, aber verbreiteter Fachbegriff) mit seinen<br />

Nonprofit Organisationen seit Jahren als wichtiger Job-Motor und Übergangsarbeitsmarkt<br />

zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern wahrgenommen wird, erfahrt ihr vermutlich<br />

nicht. Vermutlich wird euch auch nicht vermittelt, dass die allermeisten Unternehmen nicht<br />

im Unternehmenssektor entstehen, sondern von Haushalten und Familien gegründet und geführt<br />

werden (sog. Existenzgründungen) und die meisten Unternehmen dauerhaft so eng mit<br />

den Haushalten der Gründer und Gründerinnen vernetzt bleiben, dass sie keine gesonderten<br />

Erwerbsbetriebe, sondern sozioökonomische Verbundsysteme von Haushalt und Unternehmung<br />

sind. Solche real existierenden Mischsysteme werden in der traditionellen Wirtschaftslehre<br />

als zwei getrennte Bereiche betrachtet - so auch im KecuBHTW.<br />

Überhaupt dürften euch Unternehmensgründungen nur schwer zu vermitteln sein, denn im<br />

Modell des Wirtschaftskreislaufs, das unter den Themen bzw. Inhaltsfeldern der Teildomänen<br />

Haushalt sowie Wirtschaft/Unternehmen genannt wird, sind Unternehmen immer schon vorhanden.<br />

Und da Haushalte nach diesem Modell als Konsumenten und Unternehmen als Produzenten<br />

verstanden werden, wird - traditionell, fachspezifisch, disziplinär - Haushalt vor allem<br />

mit Ernährung, Gesundheit und Zusammenleben in Kleingruppen und Unternehmen vor<br />

allem mit industrieller Güterproduktion in vorhandenen oder entstehenden Großbetrieben<br />

gleichgesetzt.<br />

Ich würde euch, liebe Arbeitslehreschüler und -schülerinnen, viel lieber wissen lassen, dass<br />

die Unterscheidung zwischen produzierenden Unternehmen und konsumierenden Haushalten<br />

eine überholte theoretische Verengung der Mikroökonomik (d.h. Marktlehre) ist, denn jeder<br />

Produktionsprozess ist ein Konsumprozess von Produktionsfaktoren, um andersartige Güter<br />

herzustellen. Und dieser Produktionsprozess endet nicht an der Wohnungstür und ist auch<br />

nicht beendet, wenn die Mülltonne abgeholt worden ist. Der gesamte Wirtschaftsprozess ist<br />

ein Umwandlungsprozess von Naturgütern, zunächst in Produktions- und Konsumgüter und<br />

schließlich in Rest- und Schadstoffe. Durch den Konsum erhalten wir - wenn er gelingt - unsere<br />

Vitalfunktionen, bilden Humanvermögen und gewinnen Lebenszufriedenheit. Das ist natürlich<br />

auch ein Produktionsprozess. Also produzieren die Menschen ihr Leben und ihre Lebenslage<br />

selber.<br />

Für ein gutes Leben - im persönlichen Umfeld, in der Gemeinde, dem Land und darüber hinaus<br />

- sind Berufsarbeit, Haushaltsarbeit, Familienaktivitäten und gemeinnütziges Engagement<br />

gleichermaßen wichtig. Hier sind in den kommenden Jahrzehnten weitere Wandlungen zu erwarten.<br />

Das „Modell der arbeitnehmerzentrierten Industriegesellschaft“ - wie es einmal genannt<br />

worden ist - könnte in ein qualitativ anderes Modell übergehen, in dem neue Kombinationen<br />

der Organisation individueller und gesellschaftlicher Arbeit dominieren.<br />

Übrigens: Nicht nur Unternehmen werden von Menschen „wie du und ich“ gegründet, sondern<br />

zunächst einmal werden Haushalte und Familien gegründet, dann aber auch Vereine und<br />

kleine Netzwerke. Und bei den Gründungen und Entwicklungen der genannten Institutionen<br />

gibt es viele Gemeinsamkeiten. Mit der Gründung des eigenen Haushalts und der Verfolgung<br />

von Zielen – in eigener Verantwortung und unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer

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