Heft 1 /2007
Heft 1 /2007
Heft 1 /2007
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
GATWU - Forum, Nr. 1/<strong>2007</strong> Seite 41<br />
Damit droht dem Arbeitslehre-Unterricht die notwendige wissenschaftlich-qualitative Basis<br />
entzogen zu werden.<br />
Der geringen Bedeutung der hessischen Arbeitslehre in Schule und Hochschule entspricht es,<br />
dass das Fach in der bildungspolitischen Diskussion kaum noch eine Rolle spielt, beispielsweise<br />
wenn es um die Ausgestaltung der Ganztagsschule geht. In der breiten Bevölkerung<br />
und in den Medien hat die Bildungsidee „Arbeitslehre“ ihre ursprüngliche Anziehungskraft<br />
verloren, weil sie die in der Zeit der Bildungsreform der 1960er und 1970er Jahre geborenen<br />
Erwartungen nicht erfüllt hat, nämlich allen Heranwachsenden eine fundierte Auseinandersetzung<br />
mit menschlicher Arbeit, mit ihren Bedingungen und Folgen zu ermöglichen. Heute<br />
wird von der Arbeitslehre nicht mehr viel erwartet; in der Öffentlichkeit wird sie kaum noch<br />
wahrgenommen. Wer denkt denn schon an Arbeitslehre, wenn in der Diskussion z.B. über<br />
fehlende Ausbildungsplätze, neue Qualifikationsanforderungen, Globalisierung von Wirtschaft<br />
und Gesellschaft, Massenarbeitslosigkeit und Bürger-Engagement nach dem Beitrag<br />
der Schule zur Lösung dieser Probleme gefragt wird? Hier zeigt sich eine eklatante Diskrepanz:<br />
Auf der einen Seite spitzen sich die Schlüsselprobleme der Arbeitsgesellschaft zu und<br />
auf der anderen Seite verliert die Arbeitslehre, deren Aufgabe ja die Aufklärung über diese<br />
Probleme ist, ständig an Bedeutung. Meines Erachtens liegt der Grund in den – politisch gewollten<br />
– strukturellen Fehlentwicklungen.<br />
Nun wäre meine bisherige - negative - Zustandsbeschreibung der Arbeitslehre unvollständig,<br />
wenn ich nicht auch auf positive - innovative - Momente eingehen würde. Die gibt es im<br />
Lernfeld Arbeitslehre ja auch - auch in der hessischen Arbeitslehre.<br />
Vor allem verweise ich auf die vielen Projekte, die von einzelnen Lehrerinnen und Lehrern<br />
durchgeführt werden - Schülerfirmen, Lernbüros, der Berufswahlpass, die Wegeplanung für<br />
benachteiligte Schüler usw.<br />
Ich verweise auch auf die fortschrittlichen Unterrichtsformen, die in einzelnen Schulen praktiziert<br />
werden, z.B. das Unterrichten im Team, längere Unterrichtsblöcke und selbständiges<br />
Arbeiten.<br />
Ich will auch die neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft nicht<br />
unerwähnt lassen: In den vergangenen Jahren sind in allen Schulformen das traditionelle Betriebspraktikum,<br />
die Betriebserkundung und das Expertengespräch zu kontinuierlich arbeitenden<br />
Kooperationspartnerschaften ausgebaut worden. Und das aus gutem Grund: Kooperationspartnerschaften<br />
bieten den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, von der Wirtschaft<br />
zu lernen, z.B. Qualitäts- und Zeitmanagement, Betriebsverfassung und Mitbestimmung, Personal-<br />
und Organisationsentwicklung. Und die Wirtschaft kann das Leistungsverhalten und<br />
das Bildungsniveau der Schülerinnen und Schüler kennen lernen und Vorteile bei der Nachwuchsrekrutierung<br />
erhalten. Ein anderes Beispiel für die Zusammenarbeit von Schule und Betrieb<br />
ist das Tagespraktikum, in dem Schülern – Hauptschülern – die Möglichkeit geboten<br />
wird, bis zu zwei Jahren einen Tag oder zwei Tage pro Woche im Betrieb zu verbringen, und<br />
zwar speziell zum Zweck der individuellen beruflichen Orientierung. In Hessen ist ja zwischen<br />
1999 und 2003 im Rahmen der Initiative „Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben“ des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung in 40 Haupt- und Sonderschulen das Projekt<br />
„Kontinuierliche Praxistage in Betrieben“ durchgeführt worden, das inzwischen von weiteren<br />
38 Schulen übernommen worden ist und das in der geplanten neuen Schule einen eigenen<br />
Stellenwert haben soll. Dabei ist es aber von entscheidender Bedeutung, dass die Schule die<br />
pädagogischen Inhalte der Praxistage bestimmen kann und nicht allein der Betrieb. Es darf<br />
nicht dazu kommen, dass Unterricht durch pädagogisch sinnlose Praxis ersetzt wird. Dann<br />
haben die sog. SchuB-Klassen mehr Nachteile als Vorteile.<br />
Positiv zu bewerten sind auch die Modulbeschreibungen für Arbeitslehre in der 2. Phase der<br />
Lehrerausbildung. Sie sind inhaltlich sehr anspruchsvoll, ihre Realisierung ist jedoch nicht<br />
unproblematisch, und zwar wegen der vorgegebenen knappen Anwesenheitszeit von 60 Stunden.<br />
Die Module erfordern eine gute Vorbereitung der Referendare in der 1. Ausbildungspha-