Heft 1 /2007
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GATWU - Forum, Nr. 1/<strong>2007</strong> Seite 36<br />
mitglieder hinaus; im Zweifel aber ist sie ein strategisch eingesetztes Instrument, mittels dessen<br />
die Öffentlichkeit über das tatsächliche Verhalten getäuscht werden soll.<br />
Auch wenn man schon einmal den Eindruck haben kann, dass so manche auf Hochglanzpapier<br />
verbreitete Selbstverpflichtung dem Zweck der (Selbst-)Täuschung dient, so ist dies<br />
nicht so zu verstehen, als handelten alle oder auch nur viele Manager von Großorganisationen<br />
unmoralisch und unanständig. Allerdings waren in letzter Zeit jene Fälle nicht gerade selten,<br />
in welchen Manager jedes Gefühl für Anstand haben vermissen lassen - ganz zu schweigen<br />
von jenen Beispielen, in denen in geradezu unglaublichem Maße gegen Recht und Gesetz verstoßen<br />
worden ist.<br />
An dieser Stelle mag man nun irritiert fragen, warum gegenüber dem Berufsstand der Manager<br />
ein größeres Misstrauen angebracht sein soll als gegenüber der Ärzteschaft. Zwei Gründe<br />
sprechen für dieses Misstrauen. Es ist - erstens - darauf hinzuweisen, dass die Ärzte im<br />
Gegensatz zu den Managern in einer jahrhundertealten, gar jahrtausendealten Tradition stehen,<br />
die trotz aller Berufung auf die Wissenschaftlichkeit die Heilkunst auch als schamanenhaft-religiöses<br />
Tun versteht. Man kann vermuten, dass diese Tradition auch heute noch, wenn<br />
auch mehr unterschwellig und schwächer, für das Verhalten einzelner Mediziner prägend ist.<br />
Die Unternehmer hingegen sind nicht die Erben einer solchen Tradition. Entsprechend fehlt<br />
von dieser Seite ein Korrektiv gegen die Ausbildung eines nach außen proklamierten, aber<br />
nach innen nicht ernst genommenen Verhaltenskodex.<br />
Eigenlogik der Institutionen<br />
Ein zweiter Punkt ist mit Blick auf das Management von Bedeutung: Wenn von der Selbstverpflichtung<br />
auf die Respektierung von Anstand und Gesetz die Rede ist, so durchwegs mit<br />
Blick auf die Leiter von Großunternehmen; nicht oder doch weit seltener wird an kleine und<br />
mittlere Eigentümerunternehmen gedacht. Vereinfachend lässt sich gar sagen: Man unterstellt<br />
den Eigentümerunternehmern auch ohne Eidesleistung eher, dass sie sich anständig und verantwortungsvoll<br />
benehmen, während man offenkundig meint, durch einen eigenen Eid die<br />
Manager von Großunternehmen auf ein solches Verhalten festlegen zu müssen.<br />
Nun muss man aber annehmen, dass gerade in Großorganisationen das Verhalten der Entscheidungsträger<br />
sich auf diese Weise nicht domestizieren lässt. Aus folgendem Grund: Damit<br />
die Selbstverpflichtung von einzelnen praktische Konsequenzen hat, ist es nicht nur notwendig,<br />
dass diese einzelnen in den konkreten Entscheidungssituationen bereit und willig<br />
sind, dieser Selbstverpflichtung tatsächlich nachzukommen. Sondern es ist auch notwendig,<br />
dass sie nicht so ohne weiteres ihre Position verlieren, wenn sie es tun. Können sie schnell<br />
und leicht kaltgestellt und ersetzt werden, dann mag wohl ein einzelner im Zweifel bereit<br />
sein, den Vorschriften der Moral und den Regeln des Anstandes zu folgen, doch wird die Organisation<br />
ihn dann, wenn sein Verhalten den Geschäftsablauf allzu sehr stört oder wenn es<br />
gar den Geschäftszweck gefährdet, so oder anders neutralisieren.<br />
Institutionen - und hier ist durchaus nicht nur an Wirtschaftsunternehmen zu denken - tendieren<br />
dazu, jene, die stören, zu zerstören. Konkret bedeutet das: Alle jene, die sich unter Berufung<br />
auf gesetzliche Vorschriften oder auf die Regeln von Anstand und Moral jenen Verhaltensnormen,<br />
wie sie in der Organisation institutionell geronnen sind, entgegenstellen, werden<br />
als Störfaktoren empfunden. Sie werden nach Möglichkeit neutralisiert und durch jemand<br />
anderen - das heißt durch jemanden, der organisationskompatibel ist - ersetzt. Wenn dies geschieht,<br />
dann ist der einzelne zwar wohl seiner Selbstverpflichtung gerecht geworden, doch<br />
hat sich am Geschäftsgebaren der Organisation insgesamt - und auf dieses kommt es an -<br />
nichts geändert.<br />
Gewiss: Im konkreten Fall mag das gesetzestreue oder moralisch anständige Verhalten des<br />
einzelnen der institutionellen Eigenlogik der besagten Organisation entsprechen, also den Geschäftsablauf<br />
nicht stören und dem Geschäftszweck förderlich sein. Dann wird der einzelne<br />
wohl nicht ausgeschieden. Nur ist in dieser Situation auch die Selbstverpflichtung überflüssig