Heft 1 /2007
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GATWU - Forum, Nr. 1/<strong>2007</strong> Seite 39<br />
Meine bisherigen Ausführungen machen einen wesentlichen Punkt deutlich: In der Vergangenheit<br />
ist die Arbeitslehre in Hessen - wie in keinem anderen Bundesland - für die Durchsetzung<br />
bestimmter politischer Standpunkte genutzt worden. Bereits bei den Rahmenrichtlinien<br />
hatte sich gezeigt, dass Arbeitslehre ein zentrales und kontrovers diskutiertes Thema der hessischen<br />
Bildungspolitik war. Die völlige Kehrtwendung in der Arbeitslehrepolitik in Form der<br />
Aufwertung des Faches nur in der Haupt- und Sonderschule und seiner Abwertung in der Real-<br />
und Gesamtschule sowie seiner Abschaffung im Gymnasium hat jedoch eine andere Qualität:<br />
Sie zeigt, dass in Hessen Arbeitslehre - wie kein anderes Schulfach - als „Spielball“ politischer<br />
Interessen vereinnahmt werden kann.<br />
Hinter der Einführung schulformbezogener Stundentafeln und Lehrpläne, in dessen Rahmen<br />
ja die Kehrtwende in der Arbeitslehre erfolgt ist, steht offenbar die Absicht, das traditionelle<br />
dreigliedrige Schulsystem zu festigen bzw. es durch Aushöhlung der Gesamtschule wiederherzustellen,<br />
also die vermeintlich begabungsgerechte Aufteilung der Schüler auf die Hauptschule,<br />
die Realschule und das Gymnasium zu sichern. Doch die unterschiedliche fachliche<br />
Verankerung des Lernens im Sekundarbereich I war ein Fehler, weil dadurch die disparitären<br />
Entwicklungen im Bildungssystem dieses Landes verstärkt worden sind. Die besonderen Bedingungen,<br />
die Anforderungen in den Schulformen und die Unterschiede im Leistungsvermögen<br />
der Schüler – die es natürlich gibt – müssen nicht in verschiedenen, landesweit geltenden<br />
Lehrplänen, sondern in schuleigenen Curricula aufgenommen und durch innere Differenzierung<br />
im Unterricht berücksichtigt werden.<br />
Damit spreche ich einen Punkt an, der auf die besondere Problematik der neuen Stundentafeln<br />
und Lehrpläne für Arbeitslehre verweist: Mit ihnen ist nämlich die notwendige Polarität zwischen<br />
Einheitlichkeit und Differenzierung des Lernens einseitig zugunsten des Pols „Differenzierung“<br />
aufgegeben worden.<br />
Gravierender ist aber, dass die neuen Regelungen für die Arbeitslehre geradezu existenzgefährdend<br />
sind, denn durch ihre Konzentration auf die Hauptschule und deren Entwicklung zur<br />
Restschule erhält nur ein kleiner und immer kleiner werdender Teil der Schüler die Möglichkeit<br />
zu einer umfassenden Vorbereitung auf die Arbeitswelt, während sich der größere Teil<br />
von ihnen mit einem partiellen arbeitsbezogenen Lernen begnügen muss.<br />
Nun hat das hessische Kultusministerium kürzlich das Papier „Elemente einer neuen Schule“<br />
vorgelegt und in Anbetracht dessen könnte man meinen, das Problem der nach Schulformen<br />
differenzierten Arbeitslehre sei in Hessen bald „vom Tisch“. Danach beabsichtigt die Landesregierung<br />
nämlich, bis 2015 die Haupt-, Real- und kooperative Gesamtschule in ein neues<br />
Schulmodell zu überführen. Angesichts der Probleme, die sich an der Hauptschule ballen –<br />
z.B. fehlende Schüler, Migrantenproblematik, Absolventen ohne Abschluss und ohne Chance<br />
auf eine Lehrstelle – wäre dies in der hessischen Bildungslandschaft ein enormer Schritt nach<br />
vorn. Doch bei genauem Hinsehen erweist sich die geplante Reform als halbherzig, und zwar<br />
aus zwei Gründen: Erstens soll das Gymnasium unberührt bleiben und zweitens soll ab Klasse<br />
8 wieder „abschlussbezogen“ unterrichtet werden, also bezogen auf den Hauptschul- und den<br />
Realschulabschluss. Die Fusion soll also lediglich in den Jahrgängen 5 bis 7 erfolgen, danach<br />
soll es zwei unterschiedlich profilierte Zweige an einem Ort geben, wobei die kooperative<br />
Gesamtschule aufgegeben wird. So kann die Landesregierung zum einen auf die neue Schule<br />
und damit auf den Fortschritt der Reform verweisen und zum anderen betonen, dass das dreigliedrige<br />
Schulsystem erhalten bleibt.<br />
Dass die geplante neue Schule ein kurzatmiges Reformstückwerk ist, zeigt sich auch daran,<br />
dass es in Hessen schon heute Schulen gibt, in denen die Zusammenlegung von Haupt- und<br />
Realschule viel weiter geht, z.B. in der Heinrich-von-Kleist-Schule in Wiesbaden - einer Modellschule.<br />
Dort werden die Schülerinnen und Schüler von Klasse 5 bis 9 gemeinsam unterrichtet.<br />
Differenziert wird nur in Deutsch, Mathematik und Englisch ab Klasse 7. Am Ende